Samstag, 28. Oktober 2017

[IMI-List] [0500] Mali / IMI-Kongress / Podcast

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Online-Zeitschrift "IMI-List"
Nummer 0500 .......... 20. Jahrgang ........ ISSN 1611-2563
Hrsg.:...... Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V.
Red.: IMI / Jürgen Wagner / Christoph Marischka
Abo (kostenlos).. https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/imi-list
Archiv: ....... http://www.imi-online.de/mailingliste.php3
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Liebe Freundinnen und Freunde,

in dieser IMI-List findet sich

1.) die neuesten Informationen zum IMI-Kongress „Krieg im
Informationsraum“ am 18./19. November 2017 in Tübingen;

2.) der neue IMI-Podcast;

3.) ein IMI-Standpunkt zur Video-Serie und tatsächlichen Situation in Mali.


1.) IMI-Kongress: „Krieg im Informationsraum“

Inzwischen sind auch Plakat und Banner zum IMI-Kongress „Krieg im
Informationsraum“ online. Er wird am 18. und 19. November in Tübingen
stattfinden (Auftaktveranstaltung schon am Freitag).

Alles Infos zum Kongress finden sich  hier:
http://www.imi-online.de/2017/09/20/krieg-im-informationsraum-2/

Wir bemühen uns, Übernachtungsplätze zu organisieren (mit Schlafsack und
Isomatte) – bei Bedarf bitte ans IMI-Büro wenden: 07071-49154 /
imi@imi-online.de

Wer per Audio auf den Kongress eingestimmt werden möchte, findet eine
Einführung ins Thema hier:
http://www.imi-online.de/2017/10/20/antimilitaristischer-podcast-ausgabe-12/



2.) Antimilitaristischer Podcast (Ausgabe 12)

Neben der Einführung in die Themen des IMI-Kongresses finden sich in der
neuesten Ausgabe des Antimilitaristischen Podcast folgende Themen:

-- Gefechtsübungszentrum (GÜZ) in Sachsen-Anhalt und Lebenslauteprotest
am 3. Oktober (Armin)
-- 2 Neue Standorte der Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr in
Baden-Württemberg in Hardheim und Heiterbach (Alexander Kleiß)
-- Profiteure der EU-Grenzabschottung - Lobbying für Abschottung -
Militarisierung & Aufrüstung afrikanischer Staaten durch die EU
(Jacqueline Andres)

Zu finden ist der Podcast hier:
http://www.imi-online.de/2017/10/20/antimilitaristischer-podcast-ausgabe-12/



3.) IMI-Standpunkt zum Krieg in Mali

Nicht zuletzt aufgrund der neuen „Rekrutierungsmaßnahme“ der Bundeswehr,
bei der die Truppe in Nachfolge zu „Die Rekruten“ nun eine Youtube-Serie
über den Militäreinsatz in Mali gestartet hat, ist es notwendig, sich
mit diesem Krieg zu beschäftigen. Wir empfehlen dazu u.a.

-- IMI-Studie 2017/6:
http://www.imi-online.de/download/IMI-Studie2017-6-Mali.pdf
-- IMI-Fact Sheet Mali:
http://www.imi-online.de/2016/10/11/aufruestung-und-krieg-in-mali/

IMI-Standpunkt 2017/33
Skripted Mali
Zwei aktuelle Berichte zur Lage offenbaren die Auslassungen der
Bundeswehr-Serie
http://www.imi-online.de/2017/10/24/skripted-mali-2/
Christoph Marischka (24. Oktober 2017)

Viel wird gegenwärtig diskutiert und geschrieben über die neue
Online-Video-Serie der Bundeswehr mit dem Titel „Mali“. Tatsächlich ist
die Werbung für die Serie – mit 4,5 Mio. Euro teurer als deren
Produktion – u.a. durch viele Plakate gut sichtbar. Die Aufmachung der
Reklame wurde bereits wegen ihrer Nähe zu Werbung für Video-Spiele
kritisiert, auch die Serie selbst scheine, „als wolle die Bundeswehr ihr
Image polieren, als Heldenepos“, so der etwa der „Merkurist“: „Dabei
sind viel dramatische Filmmusik, gut inszenierte Soldaten, viel Dreck
und Wüste, Militärfahrzeuge und Hubschrauber im Spiel“.[1] „Eine solche
Serie“ sei „dem Ernst der Lage nicht angemessen“, kritisierte früh die
Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft und rügte eine Darstellung des
derzeit wohl gefährlichsten Auslandseinsatzes der Bundeswehr als
„Abenteuerspielplatz“.[2]

Das Verteidigungsministerium hingegen behauptete, „den Alltag unserer
Soldatinnen und Soldaten im Auslandseinsatz MINUSMA aus ihrer eigenen
Perspektive“ und damit „ein möglichst realistisches und authentisches
Bild von einem Einsatz der Bundeswehr“ wiedergeben zu wollen. Dabei
werde sich auch mit „kritischen und ernsten Themen wie Verwundung und
Tod“ auseinandergesetzt, nachdem an der zuvor veröffentlichten Serie
„die Rekruten“ kritisiert wurde, dass diese Aspekte nur am Rande
vorgekommen seien.[3]

Der dazugehörige „Chatbot“, der teilweise automatisiert Fragen der
Zuschauer*innen beantwortet und diese zudem mit sog
Social-Media-Inhalten – darunter auch neue Video-Beiträge – zuschüttet,
hat tatsächlich offenbar zunächst den Eindruck erweckt, quasi live und
direkt aus dem Einsatzgebiet zu berichten. Nachdem er nachts über einen
Nachtalarm informiert und damit Irritationen hervorgerufen hatte, sah
man sich jedoch offenbar gezwungen – sicherlich nicht automatisiert –
klarzustellen, dass sich die dargestellten Ereignisse zwar in dieser
Reihenfolge, aber ein paar Wochen zuvor zugetragen hätten.[4] So wissen
die Protagonisten in den aktuell ausgestrahlten Folgen noch nichts vom
Tod zweier Kameraden beim Absturz eines Kampfhubschraubers am 26. Juli
2017, der jedoch gegen Ende der Serie „mit der nötigen Sensibilität
thematisiert“ werden solle.[5]


Eskalation seit Juni 2017


Somit handelt die Serie tatsächlich von einem Zeitraum, in dem die Lage
in Mali drastisch eskalierte. Am 28. September 2017 veröffentlichte der
UN-Generalsekretär seinen jüngsten, vierteljährlichen Bericht zur Lage
in Mali.[6] Dieser beginnt mit der Feststellung: „Die politische und
Sicherheitslage hat sich seit meinem vorangegangenen Bericht und der
Verabschiedung der UN-Resolution 2364 am 29. Juni signifikant
verschlechtert.“ Human Rights Watch hatte bereits zuvor darauf
hingewiesen, dass es besonders in Zentralmali durch die mit der
Bundeswehr verbündete malische Armee zu massiven Übergriffen auf die
Zivilbevölkerung käme. „Die schiefe Logik des Folterns, Tötens und
Verschwindenlassens von Menschen im Namen der Sicherheit“ werde „Malis
beschleunigte Dynamik von Gewalt und Missbrauch“ weiter befeuern, wird
darin gewarnt.[7]

Damit decken beide Berichte jene Themen ab, die in der Videoserie
absehbar und in der Berichterstattung bereits jetzt ausgespart bleiben.
Sie sollen deshalb hier ausführlich zitiert und knapp kommentiert werden.

Im Bericht des UN-Generalsekretärs heißt es: Die Sicherheitslage hat
sich signifikant verschlechtert. Seit Mitte Juli [2017] hat sich die
Situation in Kidal wegen bewaffneter Zusammenstöße zwischen der CMA und
der Plattform verschlechtert, die um die Kontrolle der Provinz
konkurrieren. Zugleich hielten die asymmetrischen Angriffe gegen MINUSMA
und internationale Kräfte an, v.a. in den Gegenden um Gao, Kidal und
Timbuktu. Die Angriffe auf die malischen Verteidigungs- und
Sicherheitskräfte haben sich gegenüber dem vorangegangenen
Berichtszeitraum nahezu verdoppelt.

Noch mehr zugenommen hat die Gewalt. Gewalttätige Islamistengruppen und
terroristische Elemente haben 75 Angriffe durchgeführt – 44 gegen die
malischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte, 21 gegen MINUSMA und 10
gegen [die französische Interventionstruppe] Barkhane; dem stehen 37
Angriffe aus dem Berichtszeitraum zuvor entgegen (23 gegen malische
Sicherheits- und Verteidigungskräfte, 11 gegen MINUSMA und 3 gegen
Barkhane). Das bedeutet eine Zunahme der Angriffe um 102,7%. Die
Verluste haben ebenfalls zugenommen, mit 15 Toten aus den Reihen der
MINUSMA (6 Peackeaper, 1 Zivilist und 8 Auftragnehmer) 34 Verletzten (25
Peacekeeper, 2 Zivilisten und 7 Auftragnehmer). Im vorangegangenen
Zeitraum wurden 4 Peacekeeper getötet und 5 verletzt. Zugleich wurden 39
Malische Sicherheits- und Verteidigungskräfte getötet und 44 verletzt.
Zuvor waren 33 getötet und 54 verletzt worden. Hinsichtlich der
internationalen Kräfte wurden keine französischen Soldaten getötet,
während 17 verletzt wurden – zum Vergleich wurden im vorangegangenen
Berichtszeitraum 2 [französische Soldaten] verletzt.“


Kein Frieden in Sicht

Bei der CMA und der Plattform handelt es sich um Parteien jenes
Friedensabkommens, dessen Umsetzung die Bundeswehr im Rahmen der MINUSMA
absichern soll. Während die Plattform tendenziell die Regierung in
Bamako und die Rückkehr ihrer Vertreter in den Norden unterstützt,
versucht die sezessionistisch inspirierte CMA diese zumindest zu
verzögern. Diese Auseinandersetzung wurde insbesondere auch in der
Region Kidal, die nördlich des deutschen Stützpunktes in Gao an der
Grenze zu Algerien liegt, auch mit massiver Waffengewalt geführt. Der
UN-Bericht enthält hierzu jedoch keine Zahlen, außer dass vier Kinder
bei Gefechten zwischen Parteien des Friedensabkommens im Kreuzfeuer
umgekommen seien. Mehrfach wurden solche Gefechte von der MINUSMA
beobachtet, ohne dass diese eingrifft. Vieles spricht dafür, dass dies
auch der Auftrag des abgestürzten Kampfhubschraubers der Bundeswehr war.[8]

Dafür beschreibt der Bericht des Generalsekretärs einige Angriffe auf
die MINUSMA und ihre Verbündeten ausführlicher. So heißt es z.B.: „Am 1.
Juni führte ein Mörserangriff auf die Stützpunkte der MINUSMA und der
französischen Kräfte in Timbuktu zum Tod eines Peacekeepers und der
Verwundung von 3 malischen und 8 französischen Soldaten sowie zu
Zerstörung innerhalb der Lager. Dieser Angriff war bereits der vierte
solcher Angriffe in Timbuktu innerhalb von vier Wochen. Am 8. Juni
schossen Angreifer 15 Mörsergranaten auf die MINUSMA-Base in Kidal und
töteten 4 und verwundeten 5 Peacekeeper bei einer weiteren Attacke auf
einen Stützpunkt in der Stadt. Am 18. Juni wurden bei einem Angriff auf
ein Hotel nahe Bamako 5 Menschen getötet und 10 verletzt. Am 14. August
griffen Bewaffnete ein MINUSMA-Lager in Douentza in der Region Mopti an.
Ein Peacekeeper und ein malischer Soldat starben, während ein malischer
Soldat verletzt wurde. Am selben Tag griffen unidentifizierte bewaffnete
Männer das MINUSMA-Hauptquartier in Timbuktu an. Vier Angreifer
gelangten auf das Gelände, bevor sie getötet wurden. Fünf Wachkräfte,
ein nationaler Dienstleister und ein malischer Gendarm starben bei dem
Angriff, weitere 6 MINUSMA-Peacekeeper wurden verwundet.“

Das sind soweit nur die Berichte über Tote und Verletzte aus der Sicht
der UN und auch diese sind unvollständig, denn zumindest Frankreich und
die USA haben zusätzlich Spezialkräfte vor Ort, über deren Verluste
normalerweise nicht berichtet wird. Am 4. Oktober zum Beispiel wurde
öffentlich, dass nigrische Sicherheitskräfte in einen Hinterhalt an der
malischen Grenze gelockt wurden; beim anschließenden Gefecht starben
nicht nur fünf nigrische Soldaten, sondern auch vier US-Spezialkräfte,
ein weiterer wurde verletzt.[9]

Die Tatsache, dass in Timbuktu eines der Hauptlager der MINUSMA und auch
demgegenüber besser geschützter französischer Soldaten regelmäßig mit
Waffen relativ begrenzter Reichweite angegriffen werden, sollte
aufhorchen lassen und vermittelt einen Eindruck der tatsächlichen
Kontrolle und Bewegungsfreiheit der internationalen Truppen und ihrer
malischen Verbündeten vor Ort. Davon zeugt auch die Tatsache, dass in
dieser Stadt mit hoher internationaler Truppenpräsenz während des
Berichtszeitraums im Zuge von „Einschüchterungsmaßnahmen“ eine Person
geköpft und drei „von bewaffneten, extremistischen Elementen“ entführt
worden seien.

In Gao, wo die Bundeswehr ihr größtes Kontingent in Camp Castor
unterhält, habe das Missverhalten der in Sichtweite stationierten
malischen Soldaten „zur wachsenden Unzufriedenheit der lokalen
Bevölkerung und in manchen Fällen zur Entstehung von Bürgerwehren“
geführt, so der Bericht des Generalsekretärs. Deutlich prekärer ist die
Kontrolle der internationalen Truppen in den entlegeneren Regionen
nördlich und östlich von Gao und in Zentralmali. In Mopti zwischen dem
Süden und dem umkämpften Norden seien bei lokalen Konflikten 39 Menschen
getötet und 3.000 vertrieben worden. Dem Anschein nach wurde im
Berichtszeitraum eine Stadt von „bewaffneten extremistischen Gruppen“
eingenommen, während sie in weiteren – darunter der Provinzhauptstadt –
zumindest sichtbar seien und die Bevölkerung einschüchtern würden.


Menschenrechtsverletzungen durch malische Armee

Während der UN-Generalsekretär die Unsicherheit in Mopti auf die
„begrenzte Präsenz und Fähigkeit der malischen Streitkräfte“
zurückführt, heißt es nur wenige Zeilen weiter, dass ihre Verstärkung
zumindest in einem Fall abgelehnt wurde, da „ihre Präsenz die Spannungen
verschärfen könnte“.

Was sich dahinter verbirgt, kann dem bereits angesprochenen Bericht von
Human Rights Watch (HRW) vom 8. September entnommen werden. Denn auch
wenn die Zahlen der getöteten malischen und internationalen Truppen
steil zunehmen, trägt die Bevölkerung die Hauptlast der
Auseinandersetzungen. Einer der schlimmsten Akteure scheinen hierbei die
mithilfe der Bundeswehr und der EU aufgebaute malische Armee sowie deren
Verbündete zu sein: „Militärische Operationen Malis und Burkina Fasos
zur Bekämpfung der zunehmenden Präsenz islamistischer Kräfte in
Zentralmali führten zu ernsthaften Menschenrechtsverletzungen. Seit Ende
2016 haben malische Kräfte extralegale Hinrichtungen,
Zwangsverschleppungen, Folter und willkürliche Inhaftierungen
durchgeführt gegen Männer, die sie beschuldigt haben, bewaffnete
Islamisten zu unterstützen“, so der Bericht, in dem es weiter heißt:
„Einige dieser Vorfälle ereigneten sich dem Anschein nach als Vergeltung
für Angriffe, bei denen malische Soldaten angegriffen oder getötet
wurden... Human Rights Watch konnte dutzende Fälle von Folter und
anderen Misshandlungen dokumentieren, die von malischen Soldaten während
Befragungen in den ersten Tagen der Gefangenschaft begangen wurden,
obwohl die Soldaten nicht befugt sind, Gefangene zu verhören. Die
Misshandlungen fanden in Armeebasen, Lagern im Busch und an Checkpoints
statt. Die Gefangenen, von denen viele Narben und sichtbare Zeichen von
Folter trugen, berichteten HRW, dass ihre Hände und Füße gefesselt und
sie mit Fäusten, Gewehrkolben, Eisenstangen und Holzlatten verprügelt,
mit Gürteln geschlagen, getreten, verbrannt und wiederholt mit dem Tod
bedroht wurden“.

Weitere Zeugen berichten von Scheinexekutionen und Verbrennungen durch
Auspuffrohre und brennendes Plastik. Wenn die Festgenommenen der
Gendarmerie oder dem Haftrichter übergeben wurden, endeten nach dem
Bericht meist die schweren Misshandlungen und würden die meisten auch
schnell entlassen. Andere würden verschwinden und wahrscheinlich vom
malischen Geheimdienst DGSE in Geheimgefängnissen festgehalten. Zwar
wird berichtet, dass die übergriffigen Soldaten offen gerügt würden,
eine juristische Aufarbeitung und Bestrafung der Soldaten blieben jedoch
aus.

Das Schicksal von zehn Männern, von denen mindestens acht direkt nach
ihrer Überführung zum Haftrichter freigelassen wurden, wird beispielhaft
ausführlicher beschrieben: „Am 8. Mai nahmen Soldaten 10 Männer,
zwischen 19 und etwa 50 Jahre alt, aus verschiedenen kleinen Siedlungen
bei Boni fest. Alle zehn wurden heftig geschlagen und es wurde ihnen
gesagt, dass sie erschossen oder lebendig verbrannt würden... Nachdem
sie in Bamako einem Richter vorgeführt wurden, wurden zumindest acht von
ihnen entlassen. Einer der Männer beschrieb seine Tortur: „... sie
stahlen mir 143.000 Franc-CFA und nahmen mich mit sechs anderen mit. Es
war eine große Operation – sie fuhren eine Weile und brachten uns in ein
Loch in der Straße, das von der Explosion einer Mine früher im Jahr
stammte. Sie diskutierten, ob sie uns hier töten sollten. 'Sollen wir
sie jetzt töten' sagte einer, 'hol die Schaufeln' sagte ein anderer.
'Nein, sie werden sehen, was in Bamako mit ihnen passiert'. Einige
unserer Brüder wurden in Massengräbern in Issèye and Yirima beerdigt und
wir waren sicher, dass wir ihnen folgen würden.

Später steckten sie uns in ein anderes Loch, nahe des Checkpoints der
Armee in Boni. In dem Loch waren drei weitere Männer, alle mit
verbundenen Augen, blutig und geschwollen. Sie haben auch uns die Augen
verbunden und die Hände gefesselt und auch wir mussten uns in der
brennenden Sonne hinlegen, als die Prozedur begann. Sie schlugen uns mit
Eisenstangen, traten uns wiederholt und beleidigten unsere Eltern. Sie
gossen eine Flüssigkeit über uns uns sagten, das wäre Benzin und dass
sie uns lebendig verbrennen würden.“

Tatsächlich existieren die angesprochenen und weitere Massengräber, wie
HRW an verscheidenen Stellen beschreibt. Zum Beispiel an der Grenze zu
Burkina Faso: „Human Rights Watch dokumentierte die Existenz von drei
Massengräbern, die nach Angaben von Zeugen und Angehörigen die Überreste
von mindestens 14 Männern beinhalten, die getötet wurden, kurz nachdem
sie zwischen Dezember 2016 und Mai 2017 von malischen Sicherheitskräften
festgenommen wurden, alle drei befinden sich in den Verwaltungsbezirken
Mondoro und Koro in der Region Mopti, nahe der Grenze zu Burkina Faso.“
Auch die Armee Burkina Fasos ist nach Angaben von HRW und offensichtlich
in Zusammenarbeit mit der malischen und französischen Armee in Mali
aktiv und übergriffig gegen die Zivilbevölkerung vorgegangen. Im Juni
2017 sollen bei einem solchen grenzüberschreitenden Einsatz Besitztümer
verbrannt und mehr als 70 Menschen festgenommen worden sein, von denen
zwei zu Tode geprügelt und vierzig über die Grenze verschleppt worden seien.


Auslassungen der Bundeswehr und der Berichterstattung

Die Untersuchungen von HRW konzentrierten sich auf Mopti in Zentral-Mali
und die Übergriffe und Hinrichtungen betrafen hier fast ausschließlich
die Minderheit der Peul. In Zentralmali war die Sicherheitslage für die
internationalen Truppen noch relativ gut, als die Bundeswehr im Norden
ankam. Die Logistik wurde vom Flughafen Bamako im Süden über den Landweg
in den Norden abgewickelt. Doch bereits damals gab es viele Übergriffe
durch die malische Armee auf die Peul und mittlerweile haben sich auch
hier islamistische und bewaffnete Gruppen gebildet, die sehr erfolgreich
Armeestützpunkte angreifen. Die Logistik der Truppen im Norden wird auch
deshalb zunehmend über Niamey in Niger abgewickelt, wo mittlerweile auch
ein Kontingent der Luftwaffe stationiert ist.

Der Aufstand in Zentral-Mali wird wesentlich durch das Verhalten der
sog. Sicherheitskräfte Malis befeuert, die sehr rassistisch vorgehen,
das unterstreicht auch der Bericht von HRW. Diese Soldaten werden von
der Bundeswehr und der EU im Rahmen einer EU-Trainingsmission im Süden
ausgebildet, bevor sie in das Zentrum und den Norden geschickt werden.
So heißt es im Bericht des UN-Generalsekretärs über die Monate Juni bis
September: „Die EU-Ausbildungsmission hat weiter die bewaffneten Kräfte
Malis trainiert. Während des Berichtszeitraums wurden 269 Angehörige der
malischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte in Bamako, Gao und
Timbuktu in der Bekämpfung des Terrorismus und der Organisierten
Kriminalität ausgebildet, darunter 42 Frauen“. Dass diese Ausbildung und
Ausrüstung weitergehen, obwohl solch gravierende
Menschenrechtsverletzungen dokumentiert sind, ist der eigentliche
Skandal. Bemerkenswert ist auch, dass die deutschen Medien zwar gerne
über Plakate und Youtube-Videos der Bundeswehr diskutieren, Berichte
über die tatsächliche Lage im Einsatzgebiet von honorigen Institutionen
wie dem UN-Generalsekretär und HRW jedoch (fast) ausnahmslos ignorieren.
Eine Konfrontation des gerne von der Bundeswehr Gezeigten mit der
Existenz von Massengräbern, zumindest systematisch erscheinender Folter
und der Entstehung neuer bewaffneter Gruppen kann jedoch den wahren
Charakter der Youtube-Serie „Mali“ viel besser entlarven. Und sie kann
das Publikum auf das vorbereiten, was gar nicht so unwahrscheinlich ist:
Dass noch vor dem Ende der Serie Ereignisse eintreten, die die
PR-Maschine des Verteidigungsministeriums nicht erst mit einigen Wochen
Verzögerung kommentieren muss. Zum Beispiel den Tod weiterer Angehöriger
der Bundeswehr.

Anmerkungen

[1] „Bundeswehr sorgt mit neuer Werbung in Frankfurt für Aufregung“,
merkurist.de vom 22.10.2017.
[2] „Gewerkschaftskritik an Bundeswehr-Werbung“, jungewelt.de vom
17.10.2017.
[3] Zitiert nach: „Reality-TV aus dem Mali-Einsatz: 'Willkommen auf dem
Mars, hier ist’s schön' (m. Nachtrag)“, augengeradeaus.net vom 16.10.2017.
[4] „Nachwuchswerbung: Die Bundeswehr und die 'Echtzeit'“,
augengeradeaus.net vom 20.10.2017.
[5] Siehe Anmerkung 3.
[6] UNSC: „Report of the Secretary-General on the situation in Mali“ vom
28.9.2017.
[7] Human Rights Watch: „Mali: Unchecked Abuses in Military Operations“,
hrw.org vom 8.9.2017.
[8] Christoph Marischka: „Mali: Wie bei einem 'Routineeinsatz' Soldaten
'verunglücken'“, IMI-Standpunkt 2017/023.
[9] „What Are U.S. Forces Doing in Niger Anyway?“,
theamericanconservative.com vom 20.10.2017.


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