Samstag, 28. Oktober 2017

Umgang mit von Abschiebung bedrohten suizidgefährdeten Geflüchteten durch Ausländerbehörden und Gesundheitsämter im Bundesland Bremen


Mit dem im Februar 2016 vom Bundestag verabschiedeten sog. "Asylpaket II" wurde die Berücksichtigung von Krankheiten als Abschiebehindernis eingeschränkt - psychische Krankheiten wie PTBS stehen seither einer Abschiebung regelmäßig nicht mehr entgegen.
Dennoch existieren weiterhin Spielräume. So hat der Bundestag in der Gesetzesbegründung des sog. Gesetzes zur Einführung beschleunigter Asylverfahren ausgeführt: „Eine solche schwerwiegende Erkrankung kann ... zum Beispiel in Fällen von PTBS regelmäßig nicht angenommen werden:
In Fällen einer PTBS ist die Abschiebung regelmäßig möglich, es sei denn, die Abschiebung führt zu einer wesentlichen Gesundheitsgefährdung bis hin zu einer Selbstgefährdung.“
Die Ausländerbehörden Bremen und Bremerhaven schieben dennoch Personen ab, bei denen die behandelnden Fachärzte bzw. teils auch das Gesundheitsamt eine erhebliche Suizidgefahr im Fall einer Abschiebung erkennen. Darunter sind auch Personen, die bereits Suizidversuche begangen haben. Neben der Inkaufnahme dieser erheblichen Gefährdung von Leben und Gesundheit der Betroffenen drängt sich der Eindruck auf, dass auch potenzielle weitere wesentliche Gesundheitsgefährdungen z.B. in Form einer Retraumatisierung durch die Abschiebung von den Verantwortlichen nicht hinreichend ausgeschlossen und dadurch in Kauf genommen werden.
So werden ärztliche Reisefähigkeitsgutachten im Gesundheitsamt Bremerhaven seit Kurzem nur noch nach Aktenlage und nicht von Fachärzt*innen angefertigt. Am 28. März 2017 verletzte sich eine Frau bei einem Abschiebungsversuch derart schwer, dass sie klinisch behandelt werden musste. Zuvor wurde durch das Gesundheitsamt Bremerhaven nach Aktenlage bescheinigt, „suizidale Handlungen (seien) mit einiger Wahrscheinlichkeit zu erwarten“.
Der Fall ist besonders schockierend, weist aber auch auf ein generelles Problem hin. Es scheint neue Praxis zumindest in Bremerhaven zu sein, etwaige gesundheitliche Abschiebehindernisse nur noch per Aktenlage zu beurteilen. Diese Absenkung von Verfahrensstandards kann erhebliche negative Konsequenzen für die Gesundheit der Betroffenen und ihrer Familien haben.
Vor diesem Hintergrund hat DIE LINKE eine Große Anfrage zur Beantwortung durch den Senat eingereicht. Die Landesregierung soll unter anderem mitteilen, mit welcher senatorischen Behörde sich das Gesundheitsamt (GA) Bremerhaven abgestimmt ab hinsichtlich des veränderten Behördenhandelns, Reisefähigkeitsbegutachtungen nur noch nach Aktenlage durchzuführen und wann diese Absprache zwischen GA Bremerhaven und der entsprechenden senatorischen Behörde getroffen wurde.

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