Wenn
heute über Pressefreiheit gesprochen wird, dann denken wir in erster
Linie an die Situation in der Türkei. In keinem anderen Land sitzen so
viele Journalisten hinter Gittern. In keinem anderen Land wurden
innerhalb kurzer Zeit so viele Zeitungen, Fernseh- und Rundfunksender
verboten.
So wurden allein nach dem Putschversuch im Juli letzten Jahres unter dem Ausnahmezustand über 100 oppositionelle Zeitungen und Sender per Dekret geschlossen. In erster Linie sind davon Medien betroffen, die der konservativ-religiösen Gülen-Bewegung nahestehen. Denn die türkische Regierung hält ihre früheren Verbündeten für Drahtzieherin des Putschversuchs. Doch auch kurdische und linke Medien, die bereits lange vor dem Putschversuch scharfer Verfolgung ausgesetzt waren, wurden nun geschlossen.
Zu nennen ist etwa die einzige kurdischsprachige Tageszeitung der Türkei, Azadiya Welat oder der regelmäßig aus den kurdischen Kriegsgebieten berichtende Sender IMC TV. Verboten wurde auch die nur von Frauen betriebene kurdisch-feministische Nachrichtenagentur JINHA. Selbst ein Kindersender, der die Schlümpfe und Biene Maja in kurdischer Sprache sendete, wurde geschlossen.
Über 165 Journalisten und Medienmitarbeiter befinden sich heute in der Türkei in Haft. Führende Journalisten der liberalen Tageszeitung Cumhuriyet – des ältesten und renommiertesten Blattes – sind in einem laufenden Verfahren wegen Terrorpropaganda angeklagt. Sie sollen gleichzeitig die kurdische PKK, eine linksradikale kommunistische Guerilla und die Gülenbewegung unterstützt haben, so der absurde Vorwurf. Der frühere Cumhuriyet-Chefredakteur Can Dündar lebt heute im Berliner Exil. In der Türkei wurde Dündar zu einer mehr als sechs jährigen Haftstrafe verurteilt. Weitere Verurteilungen stehen noch aus. Sein »Verbrechen«: Er hatte über illegale Waffenlieferungen des türkischen Geheimdienstes an syrische Dschihadisten berichtet. Von Berlin aus kämpft Dündar heute mit einer Online-Zeitung weiterhin für Demokratie in der Türkei.
Seit Februar 2017 ist auch der Korrespondent der Tageszeitung Die Welt, Deniz Yücel, inhaftiert. Und im Mai wurde die linke Journalistin Meşale Tolu verhaftet. Ihnen wird aufgrund ihrer journalistischen Arbeit Terrorpropaganda vorgeworfen. Doch die beiden Journalisten dienen Erdoğan ebenso wie der inhaftierte Menschenrechtsaktivist Peter Steudtner als Geiseln. Zudem werden immer wieder ausländische Journalisten an der Einreise gehindert oder sogar vorübergehend festgenommen. Mehrere deutsche Zeitungen haben inzwischen aus Sicherheitsgründen ihre Türkei-Korrespondenten abgezogen. Eine freie Berichterstattung ist so nicht mehr möglich.
Dass es überhaupt so weit kommen konnte, daran trägt auch die Bundesregierung eine Mitschuld. Denn viel zu lang hat sie geschwiegen, als Erdoğan Schritt für Schritt seine Diktatur ausbaute. Bis heute ist die Bundesregierung nicht bereit, ernste Konsequenzen zu ziehen. Abgesehen von einigen kritischen Tönen der Bundeskanzlerin und ihres Außenministers im Wahlkampf geht die wirtschaftliche, militärische und geheimdienstliche Zusammenarbeit mit der Türkei weitgehend ungehindert weiter. Doch genau ein solches klares Signal ist es, was Erdoğan -kritische Journalisten einfordern.
Pressefreiheit in Deutschland
Verglichen mit der Türkei können wir in Deutschland in Sachen Pressefreiheit eigentlich nicht klagen. Eigentlich. Denn auch bei uns gibt es beunruhigende Entwicklungen. Und es ist wichtig, diese frühzeitig zu thematisieren: Wer in der Demokratie schläft, wird in der Diktatur erwachen. Und eine freie, unabhängige Presse ist unverzichtbar, um rechtzeitig Missstände zu thematisieren, den Abbau von Grundrechten anzuprangern und die Lügen der Herrschenden aufzudecken.
Ein Tiefpunkt für die demokratischen Grundrechte in Deutschland einschließlich der Pressefreiheit stellte der G20-Gipfel im Juli in Hamburg da. Schon Monate vorher hatten die Regierenden das Feindbild »Linksextremismus« beschworen. Es folgten weitflächige Versammlungsverbote, Schikanen und Verbote gegen Protestcamps. Die Auftaktdemonstration wurde gleich zu Beginn von der Polizei mit massiver Gewalt aufgelöst. Journalisten, die deutlich gekennzeichnet waren, wurden immer wieder von der Polizei attackiert. Es gibt darüber zahlreiche Berichte. So twitterte Bild-Chefreporter Frank Schneider – keineswegs ein Linksradikaler also – am 6. Juli: »Polizei geht bei Ausschreitungen der Welcome to Hell [Demo] auch aggressiv gegen Journalisten vor, völlige Eskalation.« Am folgenden Tag twitterte er weiter: »Bayerische Einsatzkräfte drehen am Rande der Schanzen-Räumung komplett durch, greifen Unbeteiligte und Reporter gezielt an!« Andere Journalisten berichteten von Beleidigungen, Bedrohungen und gezielten Pfefferspray-Angriffen durch die Polizei.
32 Medienvertretern, die sich teilweise schon lange vor dem Gipfel offiziell akkreditiert hatten, wurden während des Gipfels ihre Akkreditierungen wieder entzogen. Ein Großteil von ihnen war gar nicht im Pressezentrum erschienen. Doch neun Journalisten erfuhren vom Entzug ihrer Akkreditierung, als sie am zweiten Gipfeltag erneut das Pressezentrum betreten wollten. Dazu hatten Polizeibeamte am Eingang eine auch für Dritte einsehbare schwarze Liste in der Hand. Betroffen waren insbesondere Journalisten und Fotografen, die für linke Medien wie junge Welt und neues deutschland tätig waren, aber auch einige bürgerliche Kollegen.
Regierungssprecher Steffen Seibert sprach von gravierenden Sicherheitswarnungen durch das Bundekriminalamt (BKA). Diese habe sich bei einer erneuten Überprüfung der nun Gesperrten ergeben. Unter den Ausgeschlossenen seien »Straftäter« gewesen, die »etwas auf dem Kerbholz« hätten, hieß es aus dem Bundesinnenministerium. Was konkret gegen sie vorlag, erfuhren die Betroffenen, von denen einige bislang problemlos von ähnlichen Großereignissen berichten konnten, erst Wochen später auf wiederholtes Nachfragen. Im Fall eines NDR-Journalisten lag eine Verwechslung mit einem namensgleichen »Reichsbürger« vor. Schlamperei des BKA war auch in weiteren Fällen der Grund, warum Journalisten von der Berichterstattung ausgeschlossen wurden.
Doch in fünf weiteren Fällen wurden die Betroffenen in der Polizeidatei »Gewalttäter-links« geführt. Eine solche Eintragung erfolgt nicht etwa aufgrund eines Gerichtsurteils, sondern nach Gutdünken der Polizeibehörden. Gerade für Journalisten kann so eine willkürliche Eintragung ein erhebliches Hindernis bei der Ausübung ihres Berufes darstellen. Einer war – in Ausübung seines Berufes – am Rande einer linken Demo am 1. Mai kontrolliert worden. Das BKA übernahm ungeprüft die falsche Darstellung des Verfassungsschutzes, der Journalist sei selbst Mitglied einer »gewaltbereiten Bewegung«. Ein anderer Journalist hatte als Jugendlicher an einer Plakataktion der Umweltschutzorganisation Robin Wood teilgenommen. Und ein Journalist war von einer Polizistin wegen Widerstands angezeigt worden. Das Verfahren hatte zwar mit einem Freispruch erster Klasse geendet. Doch seine Daten blieben in der Polizeidatei gespeichert.
Viele dieser Daten hätten nach dem BKA-Gesetz längst gelöscht sein müssen. Journalistenverbände aber auch der frühere Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar sprachen daher von einem eklatanten Verstoß gegen den Datenschutz.
Brisant ist zudem, dass zwei Betroffene vor zwei Jahren in der Stadt Diyarbakır im Osten der Türkei festgenommen wurden, als sie gewaltsames Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen kurdische Demonstranten dokumentiert hatten. Das BKA stufte einen dieser Journalisten erst aufgrund der Vorwürfe der türkischen Behörden als »Gewalttäter-links« ein. Zwei weitere gesperrte Journalisten hatten sich ebenfalls als Erdoğan-Kritiker hervorgetan beziehungsweise intensiv mit der Kurdenthematik befasst. Die Bundesregierung konnte nicht abschließend entkräften, dass türkische Sicherheitskräfte – zumindest in Form von Datenweitergabe – Einfluss auf die schwarzen Listen genommen hatte.
Nach dem G20-Gipfel kündigte die Bundesregierung an, verstärkt gegen gewalttätigen Linksextremismus und seine Infrastruktur vorzugehen. Was folgte, war ein Schlag gegen die Pressefreiheit. Im August verfügte der Bundesinnenminister das Verbot der antifaschistischen und antikapitalistischen Internetplattform Linksunten.Indymedia. Das Portal sei »die einflussreichste Internetplattform gewaltbereiter Linksextremisten in Deutschland«, wurde das Verbot bergründet. So seien auf der Website wiederholt Aufrufe zu Gewalt und Bekennerschreiben zu militanten Aktionen aufgetaucht. Allerdings konnte im Kommentarbereich jeder unzensiert schreiben – das ist das Prinzip des weltweiten Indymedia-Netzwerkes.
Das Verbot erfolgte nach dem Vereinsgesetz. Doch während es nach bürgerlichem Recht zur Vereinsgründung mindestens sieben Personen bedarf, wurden hier zwei vermeintliche Betreiber der Seite vom Innenministerium mal eben zu einer Vereinigung erklärt. Um die Linksunten-Betreiber gefährlich erscheinen zu lassen, präsentierte die Polizei ein Waffenarsenal und suggerierte, diese seien bei Hausdurchsuchungen gefunden worden. Erst nach mehrfachem Nachfragen von Journalisten gab das Innenministerium am folgenden Tag zu, dass die Waffen nicht bei den Linksunten-Betreibern, sondern in einem ebenfalls durchsuchten autonomen Jugendzentrum sichergestellt wurden. Es handelte sich im Übrigen um legal erhältliche Kampfsportstöcke und Pfefferspray – doch das fand dann in kaum einer Zeitung mehr Erwähnung.
Wie viele Gewaltaufrufe auf Linksunten tatsächlich von radikalen Linken stammten – und wie viele das Werk von Trollen oder Geheimdienst-V-Leuten waren – bleibt Spekulation. Auf jeden Fall hätte es andere rechtliche Mittel als ein Verbot geben können, um gegen strafbare Inhalte auf der Seite vorzugehen. Linksunten.Indymedia wurde von vielen Journalisten als wichtige Recherchequelle zu rechtsextremen Netzwerken geschätzt. Denn dort wurden immer wieder interne Dokumente von militanten Nazis, aber auch verräterische Whatsapp-Chats aus der AfD geleakt. So erfüllte Bundesinnenminister de Maizière mit dem Verbot der Seite wenige Wochen vor der Bundestagswahl eine seit langem erhobene Forderung der AfD.
Nicht nur vor Polizeiknüppeln droht Journalisten – wie bei G20 – Gefahr. »Lügenpresse auf die Fresse« wird regelmäßig bei Demonstrationen der rassistischen Pegida oder der AfD skandiert. Und es bleibt nicht beim Rufen. Die Vereinigung Reporter ohne Grenzen hat 18 gewaltsame Übergriffe auf Journalisten im Jahr 2016 dokumentiert. Fast alle davon ereigneten sich auf Pegida- und AfD-Aufzügen. Die Rede ist von Faustschlägen, Böller-, Flaschen- und Steinwürfen auf Medienvertreter. Die Leipziger Internet-Zeitung stellte daraufhin ihre Live-Berichterstattung von der dortigen Legida-Demonstration ein, um ihre Reporter nicht weiter zu gefährden. Aber auch Drohungen auf der Straße, ein Steckbrief oder eine fingierte Todesanzeige, Boykott- oder Gewaltaufrufe auf Facebook gehören zum Repertoire der rechtspopulistischen Wutbürger gegen unliebsame Journalisten.
Verklagt, überwacht, durchsucht
Investigativer Journalismus steht auch in Deutschland unter dem Damoklesschwert gerichtlicher Klagen. Ein bekannter Fall war im vergangenen Jahr das Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Veröffentlichung von Gerichtsakten gegen den Filmemacher Daniel Harrich und weitere Mitarbeiter einer mit dem Grimme-Preis prämierten ARD-Dokumentation über nicht genehmigte Waffenexporte des Gewehrherstellers Heckler&Koch nach Mexiko. Das Münchner Amtsgericht wies die Klage der Frankfurter Staatsanwaltschaft allerdings ab. Dass sich Personen oder Firmen gegen vermeintliche Falschdarstellungen in der Presse juristisch wehren können, gehört zum Wesen des Rechtsstaates. Schlimmer wiegt es, wenn staatliche Stellen, Polizei und Geheimdienste direkt gegen Journalisten und ihre Arbeit vorgehen. Auch das geschieht in Deutschland immer wieder. Im Sommer 2016 musste das Hamburger Landeskriminalamt eingestehen, dass eine zwischen 2003 und 2006 in die linksradikale Szene um die Rote Flora eingeschleuste Polizeispitzelin in rechtswidriger Weise beim Freien Sender Kombinat Hamburg mitgearbeitet hatte. Die Polizeiagentin hatte wohl auch auf die inhaltliche Arbeit des unabhängigen Senders Einfluss genommen, da sie bei Redaktionssitzungen anwesend war.
Immer wieder werden zudem Wohnungen von Fotojournalisten durchsucht und Datenträger beschlagnahmt. Im Februar 2013 wurden so auf Anordnung der Staatsanwaltschaft Frankfurt gleich acht Wohnungen von Fotoreportern in fünf Bundesländern durchsucht. So hoffte die Polizei an Bildmaterial von Demonstrationen zu gelangen, bei denen es zu Gewalttaten kam. Auch in Sachsen mussten Journalisten als unfreiwillige Quellen für Ermittlungen herhalten.
Die Generalstaatsanwaltschaft ließ im Zuge eines Ermittlungsverfahrens gegen eine vermeintlich in der linken Szene und unter Fans des Fußballvereins BSG Chemie Leipzig gebildete »kriminellen Vereinigung« drei Jahre lang Gespräche von vier Journalisten aufzeichnen lassen, weil diese mit Beschuldigten in Verbindung standen. Das Verfahren war 2016 ergebnislos eingestellt worden.
Was der Polizei recht ist, ist den Geheimdiensten nur billig. Auch hier werden immer wieder Überwachungen kritischer Journalisten bekannt. So wurde die Rechtsextremismusspezialistin Andrea Röpke bis 2012 sechs Jahre lang vom niedersächsischen Verfassungsschutz überwacht. Auch sechs weitere Journalisten waren von der Observation betroffen. Der Landtag in Hannover beschloss daraufhin, regelmäßig zu überprüfen, ob laufende Beobachtungen noch gerechtfertigt sind – ein generelles Verbot der Überwachung von Journalisten wurde dagegen nicht beschlossen. Derweil sammelt der Auslandsgeheimdienst BND im Zuge seiner strategischen Fernmeldeüberwachung fleißig Metadaten aus Telefongesprächen und E-Mails mit Auslandsbezug. Diese lassen sich auf Knopfdruck mit Standortdaten und an anderer Stelle aufgezeichneten Telefonmitschnitten verknüpfen. Eine rechtliche Grundlage dafür fehlte bislang, wie der BND in einem Rechtsgutachten aus dem NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages eingestand. Dieses Gutachten wurde von Wikileaks veröffentlicht. Betroffen von der Überwachung sind auch ausländische Journalisten. Vor dem Bundesverfassungsgericht läuft noch eine Klage von Reporter ohne Grenzen gegen das Metadaten-Analysesystem »VerAS«. Eine Klage gegen die E-Mail-Verkehrs-Überwachung hatte das Gericht dagegen Ende 2016 nicht angenommen. Ganz gezielt überwachte der BND zudem seit 1999 mindestens 50 Telefon- und Faxanschlüsse von Journalisten in Afghanistan, Pakistan, Nigeria und weiteren Ländern. Diese arbeiteten unter anderem für die BBC, die New York Times und die Agentur Reuters. 2016 verabschiedete der Bundestag eine Reform des BND-Gesetzes. Trotz Kritik des UN-Sonderberichterstatters und aus Verbänden wurde die Überwachung von Journalisten aus Nicht-EU-Ländern damit weiterhin legalisiert.
Straftatbestand Datenhehlerei
Eine rechtliche Gefahr für die Pressefreiheit stellt zudem der Ende 2015 in Kraft getretene Straftatbestand der Datenhehlerei da. Gemeint ist die Beschaffung, Überlassung oder Verbreitung nicht allgemein zugänglicher Daten. Damit wurde zudem das Beschlagnahmeverbot im Zusammenhang mit dem journalistischen Zeugnisverweigerungsrecht aufgehoben. Dies könnte zur Hintertür für Redaktionsdurchsuchungen werden. Für Informanten im Bereich des investigativen Journalismus stellte bereits die Ende 2015 erfolgte Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung mit der verpflichtenden anlasslosen Speicherung der Verbindungsdaten aller Kunden für zehn Wochen eine Abschreckung da.
Medienkonzentration
Bedroht ist die Pressefreiheit nicht zuletzt durch die dem Kapitalismus innewohnende Logik. Diese äußert sich beispielsweise in schrumpfender Pressevielfalt durch die Schließung von Lokalredaktionen sowie die Zusammenlegung von ehemals eigenständigen Vollredaktionen zu Zentral- oder Gemeinschaftsredaktionen. Dieser Prozess findet vor dem Hintergrund enormer Konzentration der Medien in wenigen Händen statt. Zu nennen sind hier etwa Springer, Bertelsmann, Holtzbrinck, Burda, Schaub sowie mehrere regionale Medienmonopole.
Die meisten Journalisten in Deutschland müssen anders als in der Türkei nicht unbedingt befürchten, einen Polizeiknüppel ins Gesicht zu bekommen oder von staatlichen Stellen vor Gericht gezerrt zu werden. Freier ist ihre Arbeit damit nicht unbedingt. Nur sind es hier die Eigentümer der großen Medienmonopole, die kritische Redakteure und aufmüpfige Journalisten mit Rücksicht auf ihre Anzeigenkunden oder politischen Freunde disziplinieren. Hier sei abschließend an Karl Marx Aussage zur Pressefreiheit erinnert: »Die erste Freiheit der Presse ist es, kein Gewerbe zu sein.« Und diese erste Freiheit genießt die Presse in Deutschland keineswegs.
Umso wichtiger ist es, eigene linke Medien als Korrektiv zur Monopolpresse zu schaffen, zu erhalten und auszubauen.
Leicht gekürzte Fassung der Rede »Pressefreiheit verteidigen – in der Türkei, aber auch in der Bundesrepublik« von Ulla Jelpke anlässlich der Ossietzky-Matinee »Kritische Öffentlichkeit: Medien unter Druck« am 3. Oktober.
So wurden allein nach dem Putschversuch im Juli letzten Jahres unter dem Ausnahmezustand über 100 oppositionelle Zeitungen und Sender per Dekret geschlossen. In erster Linie sind davon Medien betroffen, die der konservativ-religiösen Gülen-Bewegung nahestehen. Denn die türkische Regierung hält ihre früheren Verbündeten für Drahtzieherin des Putschversuchs. Doch auch kurdische und linke Medien, die bereits lange vor dem Putschversuch scharfer Verfolgung ausgesetzt waren, wurden nun geschlossen.
Zu nennen ist etwa die einzige kurdischsprachige Tageszeitung der Türkei, Azadiya Welat oder der regelmäßig aus den kurdischen Kriegsgebieten berichtende Sender IMC TV. Verboten wurde auch die nur von Frauen betriebene kurdisch-feministische Nachrichtenagentur JINHA. Selbst ein Kindersender, der die Schlümpfe und Biene Maja in kurdischer Sprache sendete, wurde geschlossen.
Über 165 Journalisten und Medienmitarbeiter befinden sich heute in der Türkei in Haft. Führende Journalisten der liberalen Tageszeitung Cumhuriyet – des ältesten und renommiertesten Blattes – sind in einem laufenden Verfahren wegen Terrorpropaganda angeklagt. Sie sollen gleichzeitig die kurdische PKK, eine linksradikale kommunistische Guerilla und die Gülenbewegung unterstützt haben, so der absurde Vorwurf. Der frühere Cumhuriyet-Chefredakteur Can Dündar lebt heute im Berliner Exil. In der Türkei wurde Dündar zu einer mehr als sechs jährigen Haftstrafe verurteilt. Weitere Verurteilungen stehen noch aus. Sein »Verbrechen«: Er hatte über illegale Waffenlieferungen des türkischen Geheimdienstes an syrische Dschihadisten berichtet. Von Berlin aus kämpft Dündar heute mit einer Online-Zeitung weiterhin für Demokratie in der Türkei.
Seit Februar 2017 ist auch der Korrespondent der Tageszeitung Die Welt, Deniz Yücel, inhaftiert. Und im Mai wurde die linke Journalistin Meşale Tolu verhaftet. Ihnen wird aufgrund ihrer journalistischen Arbeit Terrorpropaganda vorgeworfen. Doch die beiden Journalisten dienen Erdoğan ebenso wie der inhaftierte Menschenrechtsaktivist Peter Steudtner als Geiseln. Zudem werden immer wieder ausländische Journalisten an der Einreise gehindert oder sogar vorübergehend festgenommen. Mehrere deutsche Zeitungen haben inzwischen aus Sicherheitsgründen ihre Türkei-Korrespondenten abgezogen. Eine freie Berichterstattung ist so nicht mehr möglich.
Dass es überhaupt so weit kommen konnte, daran trägt auch die Bundesregierung eine Mitschuld. Denn viel zu lang hat sie geschwiegen, als Erdoğan Schritt für Schritt seine Diktatur ausbaute. Bis heute ist die Bundesregierung nicht bereit, ernste Konsequenzen zu ziehen. Abgesehen von einigen kritischen Tönen der Bundeskanzlerin und ihres Außenministers im Wahlkampf geht die wirtschaftliche, militärische und geheimdienstliche Zusammenarbeit mit der Türkei weitgehend ungehindert weiter. Doch genau ein solches klares Signal ist es, was Erdoğan -kritische Journalisten einfordern.
Pressefreiheit in Deutschland
Verglichen mit der Türkei können wir in Deutschland in Sachen Pressefreiheit eigentlich nicht klagen. Eigentlich. Denn auch bei uns gibt es beunruhigende Entwicklungen. Und es ist wichtig, diese frühzeitig zu thematisieren: Wer in der Demokratie schläft, wird in der Diktatur erwachen. Und eine freie, unabhängige Presse ist unverzichtbar, um rechtzeitig Missstände zu thematisieren, den Abbau von Grundrechten anzuprangern und die Lügen der Herrschenden aufzudecken.
Ein Tiefpunkt für die demokratischen Grundrechte in Deutschland einschließlich der Pressefreiheit stellte der G20-Gipfel im Juli in Hamburg da. Schon Monate vorher hatten die Regierenden das Feindbild »Linksextremismus« beschworen. Es folgten weitflächige Versammlungsverbote, Schikanen und Verbote gegen Protestcamps. Die Auftaktdemonstration wurde gleich zu Beginn von der Polizei mit massiver Gewalt aufgelöst. Journalisten, die deutlich gekennzeichnet waren, wurden immer wieder von der Polizei attackiert. Es gibt darüber zahlreiche Berichte. So twitterte Bild-Chefreporter Frank Schneider – keineswegs ein Linksradikaler also – am 6. Juli: »Polizei geht bei Ausschreitungen der Welcome to Hell [Demo] auch aggressiv gegen Journalisten vor, völlige Eskalation.« Am folgenden Tag twitterte er weiter: »Bayerische Einsatzkräfte drehen am Rande der Schanzen-Räumung komplett durch, greifen Unbeteiligte und Reporter gezielt an!« Andere Journalisten berichteten von Beleidigungen, Bedrohungen und gezielten Pfefferspray-Angriffen durch die Polizei.
32 Medienvertretern, die sich teilweise schon lange vor dem Gipfel offiziell akkreditiert hatten, wurden während des Gipfels ihre Akkreditierungen wieder entzogen. Ein Großteil von ihnen war gar nicht im Pressezentrum erschienen. Doch neun Journalisten erfuhren vom Entzug ihrer Akkreditierung, als sie am zweiten Gipfeltag erneut das Pressezentrum betreten wollten. Dazu hatten Polizeibeamte am Eingang eine auch für Dritte einsehbare schwarze Liste in der Hand. Betroffen waren insbesondere Journalisten und Fotografen, die für linke Medien wie junge Welt und neues deutschland tätig waren, aber auch einige bürgerliche Kollegen.
Regierungssprecher Steffen Seibert sprach von gravierenden Sicherheitswarnungen durch das Bundekriminalamt (BKA). Diese habe sich bei einer erneuten Überprüfung der nun Gesperrten ergeben. Unter den Ausgeschlossenen seien »Straftäter« gewesen, die »etwas auf dem Kerbholz« hätten, hieß es aus dem Bundesinnenministerium. Was konkret gegen sie vorlag, erfuhren die Betroffenen, von denen einige bislang problemlos von ähnlichen Großereignissen berichten konnten, erst Wochen später auf wiederholtes Nachfragen. Im Fall eines NDR-Journalisten lag eine Verwechslung mit einem namensgleichen »Reichsbürger« vor. Schlamperei des BKA war auch in weiteren Fällen der Grund, warum Journalisten von der Berichterstattung ausgeschlossen wurden.
Doch in fünf weiteren Fällen wurden die Betroffenen in der Polizeidatei »Gewalttäter-links« geführt. Eine solche Eintragung erfolgt nicht etwa aufgrund eines Gerichtsurteils, sondern nach Gutdünken der Polizeibehörden. Gerade für Journalisten kann so eine willkürliche Eintragung ein erhebliches Hindernis bei der Ausübung ihres Berufes darstellen. Einer war – in Ausübung seines Berufes – am Rande einer linken Demo am 1. Mai kontrolliert worden. Das BKA übernahm ungeprüft die falsche Darstellung des Verfassungsschutzes, der Journalist sei selbst Mitglied einer »gewaltbereiten Bewegung«. Ein anderer Journalist hatte als Jugendlicher an einer Plakataktion der Umweltschutzorganisation Robin Wood teilgenommen. Und ein Journalist war von einer Polizistin wegen Widerstands angezeigt worden. Das Verfahren hatte zwar mit einem Freispruch erster Klasse geendet. Doch seine Daten blieben in der Polizeidatei gespeichert.
Viele dieser Daten hätten nach dem BKA-Gesetz längst gelöscht sein müssen. Journalistenverbände aber auch der frühere Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar sprachen daher von einem eklatanten Verstoß gegen den Datenschutz.
Brisant ist zudem, dass zwei Betroffene vor zwei Jahren in der Stadt Diyarbakır im Osten der Türkei festgenommen wurden, als sie gewaltsames Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen kurdische Demonstranten dokumentiert hatten. Das BKA stufte einen dieser Journalisten erst aufgrund der Vorwürfe der türkischen Behörden als »Gewalttäter-links« ein. Zwei weitere gesperrte Journalisten hatten sich ebenfalls als Erdoğan-Kritiker hervorgetan beziehungsweise intensiv mit der Kurdenthematik befasst. Die Bundesregierung konnte nicht abschließend entkräften, dass türkische Sicherheitskräfte – zumindest in Form von Datenweitergabe – Einfluss auf die schwarzen Listen genommen hatte.
Nach dem G20-Gipfel kündigte die Bundesregierung an, verstärkt gegen gewalttätigen Linksextremismus und seine Infrastruktur vorzugehen. Was folgte, war ein Schlag gegen die Pressefreiheit. Im August verfügte der Bundesinnenminister das Verbot der antifaschistischen und antikapitalistischen Internetplattform Linksunten.Indymedia. Das Portal sei »die einflussreichste Internetplattform gewaltbereiter Linksextremisten in Deutschland«, wurde das Verbot bergründet. So seien auf der Website wiederholt Aufrufe zu Gewalt und Bekennerschreiben zu militanten Aktionen aufgetaucht. Allerdings konnte im Kommentarbereich jeder unzensiert schreiben – das ist das Prinzip des weltweiten Indymedia-Netzwerkes.
Das Verbot erfolgte nach dem Vereinsgesetz. Doch während es nach bürgerlichem Recht zur Vereinsgründung mindestens sieben Personen bedarf, wurden hier zwei vermeintliche Betreiber der Seite vom Innenministerium mal eben zu einer Vereinigung erklärt. Um die Linksunten-Betreiber gefährlich erscheinen zu lassen, präsentierte die Polizei ein Waffenarsenal und suggerierte, diese seien bei Hausdurchsuchungen gefunden worden. Erst nach mehrfachem Nachfragen von Journalisten gab das Innenministerium am folgenden Tag zu, dass die Waffen nicht bei den Linksunten-Betreibern, sondern in einem ebenfalls durchsuchten autonomen Jugendzentrum sichergestellt wurden. Es handelte sich im Übrigen um legal erhältliche Kampfsportstöcke und Pfefferspray – doch das fand dann in kaum einer Zeitung mehr Erwähnung.
Wie viele Gewaltaufrufe auf Linksunten tatsächlich von radikalen Linken stammten – und wie viele das Werk von Trollen oder Geheimdienst-V-Leuten waren – bleibt Spekulation. Auf jeden Fall hätte es andere rechtliche Mittel als ein Verbot geben können, um gegen strafbare Inhalte auf der Seite vorzugehen. Linksunten.Indymedia wurde von vielen Journalisten als wichtige Recherchequelle zu rechtsextremen Netzwerken geschätzt. Denn dort wurden immer wieder interne Dokumente von militanten Nazis, aber auch verräterische Whatsapp-Chats aus der AfD geleakt. So erfüllte Bundesinnenminister de Maizière mit dem Verbot der Seite wenige Wochen vor der Bundestagswahl eine seit langem erhobene Forderung der AfD.
Nicht nur vor Polizeiknüppeln droht Journalisten – wie bei G20 – Gefahr. »Lügenpresse auf die Fresse« wird regelmäßig bei Demonstrationen der rassistischen Pegida oder der AfD skandiert. Und es bleibt nicht beim Rufen. Die Vereinigung Reporter ohne Grenzen hat 18 gewaltsame Übergriffe auf Journalisten im Jahr 2016 dokumentiert. Fast alle davon ereigneten sich auf Pegida- und AfD-Aufzügen. Die Rede ist von Faustschlägen, Böller-, Flaschen- und Steinwürfen auf Medienvertreter. Die Leipziger Internet-Zeitung stellte daraufhin ihre Live-Berichterstattung von der dortigen Legida-Demonstration ein, um ihre Reporter nicht weiter zu gefährden. Aber auch Drohungen auf der Straße, ein Steckbrief oder eine fingierte Todesanzeige, Boykott- oder Gewaltaufrufe auf Facebook gehören zum Repertoire der rechtspopulistischen Wutbürger gegen unliebsame Journalisten.
Verklagt, überwacht, durchsucht
Investigativer Journalismus steht auch in Deutschland unter dem Damoklesschwert gerichtlicher Klagen. Ein bekannter Fall war im vergangenen Jahr das Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Veröffentlichung von Gerichtsakten gegen den Filmemacher Daniel Harrich und weitere Mitarbeiter einer mit dem Grimme-Preis prämierten ARD-Dokumentation über nicht genehmigte Waffenexporte des Gewehrherstellers Heckler&Koch nach Mexiko. Das Münchner Amtsgericht wies die Klage der Frankfurter Staatsanwaltschaft allerdings ab. Dass sich Personen oder Firmen gegen vermeintliche Falschdarstellungen in der Presse juristisch wehren können, gehört zum Wesen des Rechtsstaates. Schlimmer wiegt es, wenn staatliche Stellen, Polizei und Geheimdienste direkt gegen Journalisten und ihre Arbeit vorgehen. Auch das geschieht in Deutschland immer wieder. Im Sommer 2016 musste das Hamburger Landeskriminalamt eingestehen, dass eine zwischen 2003 und 2006 in die linksradikale Szene um die Rote Flora eingeschleuste Polizeispitzelin in rechtswidriger Weise beim Freien Sender Kombinat Hamburg mitgearbeitet hatte. Die Polizeiagentin hatte wohl auch auf die inhaltliche Arbeit des unabhängigen Senders Einfluss genommen, da sie bei Redaktionssitzungen anwesend war.
Immer wieder werden zudem Wohnungen von Fotojournalisten durchsucht und Datenträger beschlagnahmt. Im Februar 2013 wurden so auf Anordnung der Staatsanwaltschaft Frankfurt gleich acht Wohnungen von Fotoreportern in fünf Bundesländern durchsucht. So hoffte die Polizei an Bildmaterial von Demonstrationen zu gelangen, bei denen es zu Gewalttaten kam. Auch in Sachsen mussten Journalisten als unfreiwillige Quellen für Ermittlungen herhalten.
Die Generalstaatsanwaltschaft ließ im Zuge eines Ermittlungsverfahrens gegen eine vermeintlich in der linken Szene und unter Fans des Fußballvereins BSG Chemie Leipzig gebildete »kriminellen Vereinigung« drei Jahre lang Gespräche von vier Journalisten aufzeichnen lassen, weil diese mit Beschuldigten in Verbindung standen. Das Verfahren war 2016 ergebnislos eingestellt worden.
Was der Polizei recht ist, ist den Geheimdiensten nur billig. Auch hier werden immer wieder Überwachungen kritischer Journalisten bekannt. So wurde die Rechtsextremismusspezialistin Andrea Röpke bis 2012 sechs Jahre lang vom niedersächsischen Verfassungsschutz überwacht. Auch sechs weitere Journalisten waren von der Observation betroffen. Der Landtag in Hannover beschloss daraufhin, regelmäßig zu überprüfen, ob laufende Beobachtungen noch gerechtfertigt sind – ein generelles Verbot der Überwachung von Journalisten wurde dagegen nicht beschlossen. Derweil sammelt der Auslandsgeheimdienst BND im Zuge seiner strategischen Fernmeldeüberwachung fleißig Metadaten aus Telefongesprächen und E-Mails mit Auslandsbezug. Diese lassen sich auf Knopfdruck mit Standortdaten und an anderer Stelle aufgezeichneten Telefonmitschnitten verknüpfen. Eine rechtliche Grundlage dafür fehlte bislang, wie der BND in einem Rechtsgutachten aus dem NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages eingestand. Dieses Gutachten wurde von Wikileaks veröffentlicht. Betroffen von der Überwachung sind auch ausländische Journalisten. Vor dem Bundesverfassungsgericht läuft noch eine Klage von Reporter ohne Grenzen gegen das Metadaten-Analysesystem »VerAS«. Eine Klage gegen die E-Mail-Verkehrs-Überwachung hatte das Gericht dagegen Ende 2016 nicht angenommen. Ganz gezielt überwachte der BND zudem seit 1999 mindestens 50 Telefon- und Faxanschlüsse von Journalisten in Afghanistan, Pakistan, Nigeria und weiteren Ländern. Diese arbeiteten unter anderem für die BBC, die New York Times und die Agentur Reuters. 2016 verabschiedete der Bundestag eine Reform des BND-Gesetzes. Trotz Kritik des UN-Sonderberichterstatters und aus Verbänden wurde die Überwachung von Journalisten aus Nicht-EU-Ländern damit weiterhin legalisiert.
Straftatbestand Datenhehlerei
Eine rechtliche Gefahr für die Pressefreiheit stellt zudem der Ende 2015 in Kraft getretene Straftatbestand der Datenhehlerei da. Gemeint ist die Beschaffung, Überlassung oder Verbreitung nicht allgemein zugänglicher Daten. Damit wurde zudem das Beschlagnahmeverbot im Zusammenhang mit dem journalistischen Zeugnisverweigerungsrecht aufgehoben. Dies könnte zur Hintertür für Redaktionsdurchsuchungen werden. Für Informanten im Bereich des investigativen Journalismus stellte bereits die Ende 2015 erfolgte Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung mit der verpflichtenden anlasslosen Speicherung der Verbindungsdaten aller Kunden für zehn Wochen eine Abschreckung da.
Medienkonzentration
Bedroht ist die Pressefreiheit nicht zuletzt durch die dem Kapitalismus innewohnende Logik. Diese äußert sich beispielsweise in schrumpfender Pressevielfalt durch die Schließung von Lokalredaktionen sowie die Zusammenlegung von ehemals eigenständigen Vollredaktionen zu Zentral- oder Gemeinschaftsredaktionen. Dieser Prozess findet vor dem Hintergrund enormer Konzentration der Medien in wenigen Händen statt. Zu nennen sind hier etwa Springer, Bertelsmann, Holtzbrinck, Burda, Schaub sowie mehrere regionale Medienmonopole.
Die meisten Journalisten in Deutschland müssen anders als in der Türkei nicht unbedingt befürchten, einen Polizeiknüppel ins Gesicht zu bekommen oder von staatlichen Stellen vor Gericht gezerrt zu werden. Freier ist ihre Arbeit damit nicht unbedingt. Nur sind es hier die Eigentümer der großen Medienmonopole, die kritische Redakteure und aufmüpfige Journalisten mit Rücksicht auf ihre Anzeigenkunden oder politischen Freunde disziplinieren. Hier sei abschließend an Karl Marx Aussage zur Pressefreiheit erinnert: »Die erste Freiheit der Presse ist es, kein Gewerbe zu sein.« Und diese erste Freiheit genießt die Presse in Deutschland keineswegs.
Umso wichtiger ist es, eigene linke Medien als Korrektiv zur Monopolpresse zu schaffen, zu erhalten und auszubauen.
Leicht gekürzte Fassung der Rede »Pressefreiheit verteidigen – in der Türkei, aber auch in der Bundesrepublik« von Ulla Jelpke anlässlich der Ossietzky-Matinee »Kritische Öffentlichkeit: Medien unter Druck« am 3. Oktober.
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