Beim freiraumkonvoi am 31.10.2015 in München wurde ein Redebeitrag
zum Breite-Straße-Prozess gehalten und anschließend ein Lied dazu
abgespielt. Wir freuen uns sehr über diese Bezugnahme und auch darüber,
dass wir den Text zur Verfügung gestellt bekommen haben. Informiert uns
gerne über weitere Soliaktionen und Bezugnahmen in anderen Städten.
Hier Flyer, Redebeitrag und Lied vom freiraumkonvoi:
Redebeitrag zum Prozess um die Besetzung Breite Straße 114 in Hamburg auf dem Freiraumkonvoi in München am 31.10.2015
In Hamburg beginnt demnächst der zweite Anlauf eines Prozesses gegen sechs Beschuldigte einer Hausbesetzung.
Im
August 2014 fanden in Hamburg die „Squatting Days“ statt. Viele
Menschen kamen in die Stadt um über die Umwandlung von Mietwohnungen in
Eigentumswohnungen, um über die Verdrängung von Menschen mit geringem
oder ohne Einkommen an den Stadtrand und über Leerstand von Häusern zu
diskutieren. Es wurde über Ideen von gemeinschaftlichem Zusammenleben
nachgedacht, es wurde gemeinsam gekocht und gefeiert und es wurden
Aktionen überall in der Stadt organisiert, um auf Leerstand hinzuweisen.
Während
der Squatting Days wurde auch das leerstehende Haus in der Breite
Straße 114 besetzt. Es liegt nicht sehr weit von den
Hafenstraßen-Häusern entfernt, die in den 80er Jahren des letzten
Jahrhunderts besetzt wurden.
Zwar sind Hausbesetzungen in Hamburg inzwischen auch nicht mehr etwas
Alltägliches. Im Gegensatz zu den aber gelegentlich immer noch
stattfindenden Besetzungen entschied die Hamburger Polizeiführung in der
Breite Straße, sofort und ohne den Versuch einer Kontaktaufnahme mit
den Besetzer*innen anzugreifen. Dieser Versuch das Haus mit Gewalt zu
räumen wurde mit Widerstand beantwortet.
Nach der Erstürmung durch
schwerbewaffnete Polizist*innen wurden außerhalb des Hauses fünf
Personen festgenommen. Während der Anhörung der Beschuldigten durch eine
Haftrichterin fanden zeitgleich Hausdurchsuchungen bei den
Beschuldigten statt. Die Anwält*innen hatten also die Wahl, entweder bei
den Mandant*innen den Haftprüfungstermin wahrzunehmen, oder sie dort
alleine zu lassen, um bei der Hausdurchsuchung zugegen zu sein. Schöner
Rechtsstaat. Der Tatvorwurf: Versuchter Totschlag und gefährliche
Körperverletzung, Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion, schwerer
Hausfriedensbruch und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Gegen zwei
Beschuldigte wurde Untersuchungshaft verhängt. Drei Monate später wurde
nach Observationen und Telefonüberwachung im Umfeld der Beschuldigten
eine sechste Person festgenommen und ebenfalls in Untersuchungshaft
genommen. Eine siebte Person soll im Zuge der Ermittlungen zur Abgabe
ihrer DNA gezwungen werden.
Unter dem Vorwand von polizeilichen
Ermittlungen soll damit vor allem der Eindruck geschaffen werden, dass
wir es bei Hausbesetzungen sehr schnell mit einer terroristischen
Bedrohung zu tun haben.
Seit Ende August diesen Jahres läuft nun der Prozess gegen die sechs
Beschuldigten. Ein selbstherrlicher Richter präsidiert im Hamburger
Staatsschutzsaal, Prozessbesucher*innen müssen ihre Personalien abgeben,
langwierige Einlasskontrollen über sich ergehen lassen, um dann hinter
einer Panzerglassscheibe im Verhandlungsraum zu sitzen. Mittlerweile ist
der erste Prozessanlauf geplatzt, in einigen Tagen beginnt
wahrscheinlich das Verfahren neu.
Der Bedarf nach bezahlbarem
Wohnraum wächst in Hamburg seit Jahren. Städtischer Sozialwohnungsbau
hat jahrelang überhaupt nicht stattgefunden. Stattdessen wurden und
werden Mietshäuser in Luxusquartiere für Reiche umgewandelt. Dafür steht
auch das Haus in der Breite Straße exemplarisch. Der Besitzer hat das
Haus entmietet und dann jahrelang leerstehen lassen. Um eine
Abrissgenehmigung zu bekommen, ließ er im Winter Dachluken offen stehen,
damit das Haus schneller verrottet. Der Architekt, der vom Vermieter
für die Planung des Neubaus angeheuert wurde, saß als Abgeordneter der
Grünen im Bauausschuss des Stadtbezirks, als dort beschlossen wurde,
dass eine Denkmalschutzwürdigkeit des Hauses nicht gegeben sei. Seit dem
Frühjahr 2015 ist nun die Abrissgenehmigung da und der Weg für den
Neubau von Luxuswohnungen frei.
Die sechs Beschuldigten stehen
vordergründig für Widerstandshandlungen gegen die polizeiliche Räumung
vor Gericht. Juristisch geschützt werden soll mit ihrer Verurteilung
aber vor allem das Recht auf Privatbesitz und das Recht auf persönliche
Bereicherung durch die Vernichtung von bezahlbarem Wohnraum. Was
kriminell ist, bestimmen eben diejenigen, die die Gesetze machen.
Interessanterweise
hat vor kurzem der Hamburger Senat beschlossen, leerstehenden Wohnraum
auch zwangsenteignen zu können um ihn wohnungslosen Menschen zur
Verfügung zu stellen. Hintergrund dieses Beschlusses ist, dass mehrere
Tausend Geflüchtete in Hamburg in Zelten und provisorischen
Notunterkünften leben und der Winter vor der Tür steht. Dieser
Senats-Beschluss ist aber leider reine Symbolik. Er hat keine
Konsequenzen für Immobilienbesitzer, denn es passiert nichts. Bisher ist
noch kein einziges leerstehendes Haus enteignet worden. Das Haus in der
Breite Straße steht bis heute leer, enteignet wird es nicht. Der
Besitzer, der das Haus gezielt entmietet und unbewohnbar gemacht hat,
bekommt seine Abrissgenehmigung. Dafür stehen aber jetzt Menschen vor
Gericht, denen die Besetzung im letzten Jahr vorgeworfen wird.
Wir sind solidarisch mit denjenigen, die sich gegen Entmietung,
Leerstand und Umwandlung von Wohnraum in Luxusquartiere und
Renditeobjekte wehren und fordern die Einstellung des Verfahrens!
Wohnen
ist ein Grundrecht, das jedem Menschen garantiert werden muss. Absurd
ist das Recht, durch Spekulation mit leerstehenden oder bewohnten
Häusern Profit zu machen, während tausende Menschen auf der Suche nach
einem Dach überm Kopf sind.
Wir haben viele Ideen, was aus
leerstehendem Wohnraum gemacht werden kann. Wir haben viel bessere
Ideen, wie Wohnraum sinnvoll genutzt und selbst gestaltet werden kann,
als korrupte Kommunalpolitiker*innen, feiste
Luxusquartier-Architekt*innen und renditefixierte Eigentümer*innen.
Wohnen ist Grundrecht!
Leerstand zu Freiräumen!
Miethaie zu Fischstäbchen!
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen