Samstag, 7. Mai 2016

Streit zwischen Forensikern und Regierung in Mexiko im Fall Iguala, Augenzeuge belastet Polizei


Von
Vertreter der Expertenkommission der CIDH bei der Präsentation des ersten berichten im Oktober
Mexiko-Stadt. Gut eine Woche vor der Präsentation des inzwischen zweiten Expertenberichtes über 43 verschwundenen Lehramtsstudenten in Mexiko ist das Verhältnis der Autoren zur mexikanischen Regierung zerrüttet. Mehrere Regierungsvertreter haben trotz gegenteiliger Forderungen von Familienangehörigen der Opfer, Menschenrechtsorganisationen sowie Abgeordneter und Senator eine weitere Mandatsverlängerung für die fünfköpfige Interdisziplinäre Gruppe Unabhängiger Experten (GIEI) der Interamerikanischen Menschenrechtskommission (CIDH) abgelehnt. Das aktuelle zweite Mandat endet am 30. April.
Eine lückenlose Aufklärung der Attacken von lokaler Polizei und Mitgliedern des organisierten Verbrechens gegen die Studenten in der Nacht vom 26. auf den 27. September 2014 in der Stadt Iguala scheint damit unwahrscheinlicher denn je. Zu deutlich war in den vergangenen Monaten das Bemühen der Autoritäten, den Ermittlungen keine neuen Impulse zu geben und stattdessen mit ihrem Vorgehen für weitere Verwirrung zu sorgen. Der noch amtierende CIDH-Direktor Emilio Álvarez Icaza, selbst Mexikaner und wie die GIEI Zielscheibe von Diffamierungen [4], hinter denen böswillig Denkende Regierungshardliner vermuten, warnte am vergangenen Wochenende vor einer Rückkehr zum "autoritären Mexiko”. Vor wenigen Wochen war es bereits zu heftigen Meinungsverschiedenheiten über einen Kommissionsbericht zur allgemeinen Menschenrechtslage in Mexiko gekommen. Die Regierung hatte den kritischen CIDH-Bericht vehement zurückgewiesen.
Erst am vergangenen Freitag war ein neues Zwischengutachten der internationalen Forensiker der Universität Innsbruck bekannt geworden. Die Gutachter hatten unter anderem Knochenreste auf der Müllhalde von Cocula mit Haarproben aus den Bussen verglichen, mit denen die verschwundenen Studenten vor den Attacken gefahren waren. Die Proben erbrachten jedoch wegen nicht zu erstellender genetischer Profile keine Belege für die Regierungsversion, dass die Studenten alle noch in der Tatnacht auf der Müllhalde verbrannt wurden. Diese von dem ehemaligen Generalbundesstaatsanwalt Jesús Murillo Karam der Öffentlichkeit als "historische Wahrheit" präsentierte Version wird letztendlich auch von seiner Amtsnachfolgerin Aracely Gómez nicht aufgegeben, obwohl die GIEI in ihrem ersten Mandatsbericht zahlreiche wissenschaftliche Argumente dagegen aufführte.
Die Nachrichtenagentur AFP berichtet indes unter Berufung auf nationale Medien, dass die Nationale Menschenrechtskommission in Mexiko erstmals eine Verwicklung von zwei Bundespolizisten in den Fall öffentlich gemacht hat. Der Augenzeuge habe die beiden Bundespolizisten im südmexikanischen Iguala beobachtet, als Polizisten auf die Reifen von einem der fünf Busse der Lehramtsstudenten geschossen hätten, wird die Kommission zitiert. "Daraufhin seien die 15 bis 20 Studenten aus dem Bus geholt und in mehrere Einsatzwagen nicht nur der örtlichen Polizei gezerrt worden, sondern auch aus der Stadt Huitzuco, die bislang in dem Zusammenhang noch nicht erwähnt wurde", heißt es in der  AFP-Meldung.
Die Verwicklung der Bundespolizei ist auch für die deutschen Bundesregierung unangenehm, weil sie gegen die Kritik der Opposition ein Polizeiabkommen mit Mexiko verteidigt.
Unterstützen Sie amerika21 mit einer Spende via              Flattr [7]

Veröffentlicht auf amerika21 (https://amerika21.de)

_______________________________________________
Chiapas98 Mailingliste
JPBerlin - Mailbox und Politischer Provider
Chiapas98@listi.jpberlin.de
https://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/chiapas98

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen