Samstag, 28. Mai 2016

Review: Brachiales Industrial-Gewitter über Dresden. Laibach auf „The Sound of Music“ Tour (16.04.2016, Dresden)

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Laibach (Foto: Kristin Hofmann)
Zugegeben ich bin jetzt nicht der größte Laibach-Fan bzw. kenne mich ganz genau mit den Werken der Band aus. Der Name ist natürlich bekannt, wie auch der ein oder andere Track bzw. die markante Kopfbedeckung des Sängers – aber so richtig auf meinem musikalischen Schirm sind die Slowenen bei mir erst seit den letzten beiden Veröffentlichungen „Spectre“ und „Volk“ bzw. dem Soundtrack zum Film „Iron Sky“ gelandet. Dass Mute Records schon seit Ende der 80er die Alben rausbringt, spricht ja definitiv für sich. Habe mir aber von wirklichen Laibach(aus)kennern sagen lassen, dass ich das Gesamtkunstwerk der Band sowieso erst richtig verstehen würde, wenn ich sie mal live und in Farbe gesehen habe. Am besagten Samstag bot sich nun also für mich diese Gelegenheit…
Laibach (Foto: Kristin Hofmann)
Laibach (Foto: Kristin Hofmann)
Alter Schlachthof, einer der ersten sonnigen Frühlingstage. Fußball ist in der Luft und Laibach hatten bereits tags zuvor ein Konzert in Leipzig gespielt. Soviel zu den Eckdaten. Der kleine Saal vom Dresdener Schlachthof war jedenfalls mit einem schwarzbunten und teilweise durchaus älteren Publikum gut gefüllt, aber auch nicht rappelvoll. Viel Zeit zum Sinnieren darüber war jedenfalls nicht. Kurzer Blick Richtung Bühne, vor einer ziemlich großen Leinwand waren passend zur aktuellen Besetzung ein Schlagzeug, drei Keyboards/Synthesizer bzw. ein einzelnes Standmikro aufgebaut, was darauf schließen ließ, dass es keine Vorband geben würde, und dann ging es auch schon pünktlich zur achten Stunde los.
Laibach (Foto: Kristin Hofmann)
Laibach (Foto: Kristin Hofmann)
Ein brachiales Industrial-Gewitter leitet den ersten Track oder besser gesagt die ersten drei EBM-Stampfer ein, welche auf slowenisch intoniert und fast im Dunkeln gespielt wurden. Einen Wiedererkennungseffekt – nicht nur visuell – hatte ich erst bei „Eurovision“, wo die typischen Sterne sogar durch die Beleuchtung auf die Bühne übertragen wurden. Danach folgten u.a. „Walk With Me“ und „No History“ vom immer noch aktuellen Longplayer „Spectre“, bei Denen auch schön das gesangliche Wechselspiel zwischen der hohen, klaren Stimme von Mina Spiler und der eintönig Tiefen von Milan Fras zum Vorschein kam.
Pause?!?
Pause, auf U-Musik-Konzerten eher unüblich, hat das schon mehr Theater-Stil! Ein 15min-Countdown lief runter und gab somit allen Anwesenden Zeit das so eben Erlebte noch einmal Revue passieren zu lassen bzw. für Nachschub in Sachen Genussmittelverzehrung zu sorgen. Ich nahm den Merch-Stand unter die Lupe und kann diesen wirklich weiterempfehlen, auch online. Denn neben den üblichen Shirts- & Tonträger-Kram, konnte man dort u.a. Laibach-Briefmarken, Hygieneartikel und auch ein Party-Buch erwerben. Was mich schon sehr an Sachen von der Satire-Partei „Die Partei“ erinnert hat.
3-2-1
Laibach (Foto: Kristin Hofmann)
Laibach (Foto: Kristin Hofmann)
Pause vorbei – auf der Videowand wurde es ziemlich bunt, teilweise schon mangamäßig bunt und farblich ein ziemlicher Gegensatz zum restlichen Schwarz auf, an und neben der Bühne. Es folgen jetzt die Stücke zum gleichnamigen Tournamen aus dem Musical „The Sound of Music“, welches die Band zwar ins laibachische Korsett gepresst hat, trotzdem ein wenig eingängiger klang (um mal das Wort popig zu vermeiden), als die Tracks aus dem ersten Teil der Show. Da ich persönlich kein großer Freund dieser Form der Unherhaltungskunst aus Tanz, Gesang bzw. Schauspiel bin, kannte ich die Stücke aus dem Original nicht, aber die Versionen der slowenischen Band haben durchaus das gewisse Etwas und Songs neu zu interpretieren ist für Laibach auch nicht mehr wirklich unbekanntes Terrain.
Laibach (Foto: Kristin Hofmann)
Laibach (Foto: Kristin Hofmann)
Was mir während das ganzen Konzertes aufgefallen war, dass die Band nicht direkt mit dem Publikum kommunizierte, sondern entweder durch Botschaften auf der Leinwand oder Sprecheransagen vom Band, so auch beim Zugabenteil, wo sich mein persönlicher Wiedererkennungswert von Laibach-Stücken wieder erhöhte. Denn es folgte mit „B Maschina“ ein Song aus „Iron Sky Soundtrack“(den sie auch produziert hat) und auf der Leinwand waren ebenso Ausschnitte aus besagtem Film zu sehen. Anschließend „Live is Life“ – einer der bekanntesten Tracks und das Opus Cover war wahrscheinlich mit der Höhepunkt des Abends. Meiner Meinung nach eine der wenigen Neuinterpretationen von Songs, die wirklich besser klingen als das Original. Das Publikum sah es offensichtlich ähnlich, der Refrain wurde lauthals mitgebrüllt und eben wegen diesen frenetischen Konzertbesuchern gab es noch eine weitere Zugabe. Abschließend erschien auf der Videowand noch ein Trailer zu einer Dokumentation „Laibach The Movie“ über den umstrittenen Auftritt der Band zum 70. Jahrestag des Bestehen von Nordkorea – das war das erste Konzert einer westlichen Band überhaupt in dem Land – der bei den dort anwesenden Einheimischen allerdings ein wenig andere Reaktionen auslöste, als beispielsweise der Stones-Auftritt letztens auf Kuba.
Laibach (Foto: Kristin Hofmann)
Laibach (Foto: Kristin Hofmann)
Fazit:
Laibach sind als quasi als lebendes Gesamtkunstwerk zu verstehen, hatten u.a. ja auch schon einen Auftritt in der Londoner Gallery of Modern Art und haben mich mit ihrer Performance sehr an Konzerte von Kraftwerk, Einstürzende Neubauten bzw. Rammstein erinnert. Wo es auch gewisse Gemeinsamkeiten gibt, wenn man mal die tiefe prägnante Stimme samt sofortigem Wiedererkennungswert zwischen Milan Fras und der von Lindemann vergleicht und Letztere haben in Interviews auch schon erzählt von Laibach beeinflusst zu sein. Dafür haben sich die Slowenen dann wiederum mit dem Remix zu „Ohne Dich“ revanchiert. Mit den Neubauten haben Laibach sicherlich nicht nur das Gründungsjahr 1980 gemein, sondern auch den sehr industrial-lastischen kompromisslosen Sound der ersten Alben – höchstwahrscheinlich anfänglich ohne von einander zu wissen, schließlich gab’s in der 80er noch kein Internet, außerdem existierte auch noch der sogenannte Eiserne Vorhang – welcher dann über die Jahre mehr und mehr eingängiger bzw. melodischer wurde. Von Kraftwerk sind Laibach sicherlich audiovisuell mit beeinflusst, denn wie es bei den Pionieren der elektronischen Musik üblich ist, dass die Musiker auf der Bühne in den Hintergrund treten, um mehr Raum der Musik zur Verfügung zu stellen, welche zusätzlich von Videoprojektionen unterstützt wird, so war dies auch bei dem Konzert von Laibach der Fall. Wer also demnächst die Chance hat ein Konzert der slowenischen Band zusehen (und Diese noch nicht live erlebt hat), unbedingt hingehen. Es ist zwar ganz hilfreich, den doppelten bzw. dreifachen Boden zu verstehen und einordnen zu können, wenn man wie ich noch ein paar Jahre im Sozialismus hinter der Mauer aufgewachsen ist, ist aber für den mitdenken Konzertbesucher nicht zwingend erforderlich.
Unsere Galerie vom Abend:
Laibach (16.04.2016, Dresden) [22]

Laibach (Foto: Kristin Hofmann)
Laibach (Foto: Kristin Hofmann)
Setlist:
    1. Olav Trygvason (Edvard Grieg cover)
    2. Smrt za smrt
    3. Brat Moj
    4. Now You Will Pay 
The Great Divide
    5. 
Eurovision
    6. Walk with Me
    7. 
No History
    8. Resistance Is Futile
    9. Do-Re-Mi (Rodgers & Hammerstein cover)
    10. Edelweiss (Rodgers & Hammerstein cover)
    11. The Sound of Music (Rodgers & Hammerstein cover)
    12. My Favorite Things (Rodgers & Hammerstein cover)
    13. We Are Millions and Millions Are One
    14. Ballad of a Thin Man (Bob Dylan cover)
    15. Bossanova
      Encore:
    16. B Mashina (Siddharta cover)
    17. Opus Dei (Opus cover)
    18. Each Man Kills the Thing He Loves (Jeanne Moreau cover)
Links:
www.laibach.org
Anschauen: Laibach The Movie“; „The Videos“
Reinhören: „An Introdiction To… Laibach“; „Anthems“
Weiterhören:
„Spectre“; „Volk“; „WAT“; „Jesus Christ Superstar“; „NATO“; „Kapital“; „Sympathy For The Devil“; „Let It Be“; „Opus Die“; „Nova Akropola“; „Laibach“

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