Immer noch aktuell: Diese über 100 Jahre alte Ausgabe der russischen
Zeitung „Prawda“ fand ein Leser in Litauen (Foto: J.Dunajski)
Dies ist nun wieder ein etwas
ausführlicherer Beitrag, um klarzustellen, welches die Ziele der
Marxisten sind. Oft wird von der herrschenden Klasse in herablassendem
Ton von den kommunistischen „Idealen“ gesprochen, womit eigentlich
gesagt werden soll, dies seien doch alles nur Luftschlösser, die
Wirklichkeit sei anders. Und überhaupt: Man könne sich der Entwicklung
(des Kapitalismus) doch nicht verschließen. Immerhin seien doch im
letzten Jahrhundert gewaltige Fortschritte erzielt worden. Ja, richtig.
Doch zugleich wurden in den letzten hundert Jahren die grausamsten
Kriege der Weltgeschichte angezettelt. Die Umwelt wurde in einem bisher ungekanntem Ausmaß verseucht. Und ein Ende der Verbrechen ist nicht abzusehen. Das
Ergebis: die Reichen, die Besitzer der Produktionsmittel, konnten
unermeßliche Reichtümer anhäufen, während Milliarden Menschen auf der
Welt in unsägliche Armut gestürzt wurden. Möglicherweise wird das
Erwachen und der Aufstand der Entrechteten keineswegs ein friedlicher,
sondern ein sehr blutiger Neuanfang sein. Doch der Sozialismus, eine von
Ausbeutung freie Gesellschaft, ist der einzige Weg, der die Menschheit
aus diesem kapitalistischen Desaster herausführt. Bereits im Jahre 1912
wies Stalin den Weg.
J.W. Stalin
UNSERE ZIELE
Wer die „Swesda“ liest und ihre
Mitarbeiter kennt, die auch die Mitarbeiter der „Prawda“ [1] sind, der
begreift unschwer, in welcher Richtung die „Prawda“ arbeiten wird. Den
Weg der russischen Arbeiterbewegung mit dem Lichte der internationalen
Sozialdemokratie erleuchten, unter den Arbeitern die Wahrheit über Freunde und Feinde der Arbeiterklasse verbreiten und die Interessen der Arbeitersache treu hüten diese Ziele wird die „Prawda“ verfolgen.
Unversöhnlich gegen die Feinde, nachsichtig untereinander!
Indem wir uns solche Ziele setzen,
beabsichtigen wir durchaus nicht, die Meinungsverschiedenheiten zu
vertuschen, die es unter den sozialdemokratischen Arbeitern gibt. Noch
mehr: Wir glauben, daß eine mächtige und lebensvolle Bewegung ohne
Meinungsverschiedenheiten undenkbar ist, – nur auf dem Friedhof ist die
„völlige Identität der Ansichten“ zu verwirklichen! Aber dies bedeutet
noch nicht, daß es mehr Differenzpunkte als Punkte der Übereinstimmung
gibt. Bei weitem nicht! Wie sehr die fortgeschrittenen Arbeiter auch
auseinandergehen mögen, sie können nicht vergessen, daß sie alle, ohne
Unterschied der Fraktionen, in gleicher Weise ausgebeutet werden, daß
sie alle, ohne Unterschied der Fraktionen, in gleicher Weise rechtlos
sind. Deshalb wird die „Prawda“ vor allem und hauptsächlich zur Einheit
des Klassenkampfs des Proletariats, zur Einheit unter allen Umständen,
aufrufen. In dem Maße, wie wir gegen die Feinde unversöhnlich sein
müssen, müssen wir untereinander nachgiebig sein. Krieg gegen die Feinde
der Arbeiterbewegung, Frieden und einmütige Arbeit innerhalb der
Bewegung – davon wird sich die „Prawda“ in ihrer tagtäglichen Arbeit
leiten lassen.
Warum ist die Einigkeit so wichtig?
Das zu betonen ist jetzt besonders
notwendig, wo die Lena-Ereignisse [2] und die bevorstehenden Wahlen zur
IV. Duma vor den Arbeitern mit außerordentlicher Nachdrücklichkeit die
Frage der Notwendigkeit aufwerfen, sich zu einer einheitlichen
Klassenorganisation zusammenzuschließen. Indem wir an die Arbeit gehen,
sind wir uns bewußt, daß unser Weg voller Dornen ist. Es genügt, sich an
die „Swesda“ zu erinnern, die unzählige Male konfisziert und „belangt“
worden ist. Doch vor Dornen haben wir keine Angst, wenn die Sympathie
der Arbeiter, die jetzt die „Prawda“ umgibt, auch künftig anhält. Aus
dieser Sympathie wird sie die Energie für den Kampf schöpfen! Wir
möchten, daß diese Sympathie wächst.
Ein Aufruf zur Mitarbeit!
Wir möchten außerdem, daß sich die
Arbeiter nicht auf die Sympathie beschränken, sondern an der Leitung
unserer Zeitung aktiv mitarbeiten. Mögen die Arbeiter nicht sagen,
Schriftstellerei sei für sie eine „ungewohnte“ Arbeit: Die
Arbeiterjournalisten fallen nicht fertig vom Himmel, sie werden nur nach
und nach, im Laufe der literarischen Arbeit herangebildet. Man muß nur
mutig ans Werk gehen: ein paarmal wird man stolpern, und dann lernt man
schreiben …
Also einmütig ans Werk!
„Prawda“ Nr.1, 22. April 1912.
Artikel ohne Unterschrift.
Nach dem russischen Zeitungstext.
Quelle: J.Stalin, Unsere Ziele. In.: Werke, Dietz Verlag Berlin, 1950, Bd.2, S.226f. (Zwischenüberschriften eingefügt, N.G.)
Foto: Juri Dunajski (aus: Grani/Litauen)
Anmerkungen:
[1] „Prawda“ (Die Wahrheit) – bolschewistische Arbeitertageszeitung, die
vom 22. April 1912 bis zum 8. Juli 1914 in Petersburg erschien. Die
„Prawda“ wurde auf Weisung W.I. Lenins und auf Initiative J.W. Stalins
gegründet. Als Mitglied des Zentralkomitees der Partei leitete J.W.
Stalin die Ausarbeitung der Plattform der „Prawda“ und arbeitete an der
Zusammenstellung der ersten Nummer der Zeitung mit. Am 22. April, am
Tage des Erscheinens der ersten Nummer der „Prawda“, wurde J.W. Stalin
verhaftet. Erst im Herbst 1912 konnte er seine Arbeit in der „Prawda“
wieder aufnehmen, nachdem er aus der Narymer Verbannung geflohen war.
Von Oktober 1912 bis Februar 1913 erschienen in der „Prawda“ eine Anzahl
richtungweisender Artikel J.W. Stalins, die im vorliegenden Band
Aufnahme gefunden haben. Redaktionsmitglieder und engste Mitarbeiter der
„Prawda“ waren W.M. Molotow, M.S. Olminski, N.N. Baturin, J.M.
Swerdlow, A.M. Gorki, K.N. Samoilowa u.a. Im Laufe von zweieinhalb
Jahren verbot die Zarenregierung die „Prawda“ achtmal, aber dank der
Unterstützung der Arbeiter begann sie unter neuen Namen wieder zu
erscheinen („Rabotschaja Prawda“ [Arbeiter-Prawda], „Sewernaja Prawda“
[Nord-Prawda], „Prawda Truda“ [Prawda der Arbeit], „Sa Prawdu“ [Für die
Prawda] u. a.) (Über die Bedeutung und die Rolle der „Prawda“ siehe die
„Geschichte der KPdSU(B), Kurzer Lehrgang“, Moskau 1945, S. 143 bis 148,
russ. [deutsche Ausgabe, Berlin 1950, S. 187-194].)
(Quelle: Stalin, Werke, Bd.2, S.359f.)
[2] Lena-Ereignisse: Der Fluß Lena
(Länge. 4264 km) war die wichtigste Verkehrsader der Jakutischen
Autonomen Sowjetreublik. Das Gemetzel an der Lena und der Beginn des
erneuten Anwachsens der revolutionären Bewegung. Ein Gemetzel, das unter
den Arbeitern auf den Goldfeldern an der Lena angerichtet wurde, war
das Signal für das Wiederaufleben der revolutionären Bewegung, deren
Vorbereitung die Bolschewiki propagierten. Die Goldfelder an der Lena
gehörten cler englisch-russischen Aktiengesellschaft „Lena-Goldfields“
und wurden von englischen Banken kontrolliert. Die Verwaltung der
Gesellschaft hatte ihren Sitz ebenfalls in London.
Die zaristische Regierung, an der Arbeit
auf den Lena-Goldfeldern interessiert, ließ der Verwaltung und dem
Direktor der Goldfelder jede nur mögliche Unterstützung zuteil werden.
Mit Hilfe von Polizei und Militär war im Bezirk der Goldfelder, der weit
draußen in der sibirischen Taiga lag, ein Regime grausamer und
erbarmungsloser Ausbeutung der Arbeiter und ihrer Familien eingeführt
worden, die sich völlig in Abhängigkeit von den Direktoren befanden. Im
März 1912 begann auf dem Andreas-Goldfeld ein Proteststreik gegen die
Versorgung der Arbeiter mit minderwertigen Lebensmitteln; der Streik
fand eine solche Resonanz, daß sich ihm fast sämtliche anderen
Goldfelder anschlossen. Seine lange Dauer wirkte sich auch auf den Kurs
der Aktien der „Lena Goldfields“ aus. Auf Verlangen der Verwaltung der
Gesellschaft erteilte das Polizeidepartement den Befehl zur Verhaftung
des Streikkomitees. Der nach den Gruben entsandte
Gendarmerie-Rittmeister Trestschenko nahm die Verhaftungen vor. Am 4.
April begaben sich dreitausend streikende Arbeiter zum Staatsanwalt und
forderten die Freilassung ihrer Kameraden; auf Befehl von Trestschenko
wurden sie mit Schüssen empfangen. 270 Arbeiter wurden getötet, 250
verwundet. Auf die Interpellation der sozialdemokratischen Fraktion der
Reichsduma aus Anlaß des Gemetzels an der Lena erklärte der
Innenminister Makarow: „So war es, und dabei bleibt es!“
Als Antwort auf dieses Gemetzel traten
über drei hunderttausend Personen in den Streik. Die Regierung sah sich
gezwungen, eine Senatskommission, an deren Spitze der Senator Manuchin
stand, nach den Lena-Goldfeldem zu entsenden, um die näheren Umstände zu
untersuchen, unter denen das Gemetzel unter den Arbeitern erfolgt war.
Aber auch die Reise dieser Kommission nach der Lena vermochte kein
Nachlassen der Demonstrationen, Versammlungen und Streiks zu bewirken.
„Die Schüsse an der Lena haben das Eis des Schweigens gebrochen, und der
Strom der Volksbewegung ist in Gang gekommen!“ schrieb Genosse Stalin
über die politische Bedeutung der Ereignisse an der Lena (Werke, Bd.2, S.238; deutsch: ebenda, Berlin 1950, S.217).
An den Streiks am 1. Mai nahmen bereits
über vierhunderttausend Arbeiter teil. In ihrem Ausmaß und Charakter
unterschied sich diese Streikbewegung sehr von derjenigen des Jahres
1905. Schon die Streiks im April und Mai 1912 hatten bedeutend größere
Massen erlaßt als die zu Beginn des Jahres 1905 durchgeführten Streiks.
Die Arbeiterklasse kämpfte jetzt nicht um die Durchsetzung von
Teilfordemngen, nicht um die Durchführung von Reformen, sondern um den
Sturz des Zarismus. In den revolutionären Kampf wurden jetzt die
Volksmassen von der Arbeiterklasse hineingezogen.
Infolge der Massenstreiks und ihres
Anwachsens erhob sich erneut die Frage des Generalstreiks und des
bewaffneten Aufstandes. Geführt von den Bolschewiki, wurde die
Arbeiterklasse Rußlands zum wahren Führer im revolutionären Kampf gegen
die Zarenregierung und scharte alle demokratischen Elemente des Landes
um sich. (Quelle: Große Sowjetenzyklopädie, Verlag Kultur und Fortschritt Berlin, 1952, S.636f.)
https://sascha313.wordpress.com/2016/05/26/stalin-unsere-ziele/
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