OFFENE WUNDEN: WIE VIEL
GERECHTIGKEIT
VERTRÄGT FRIEDEN?
Es gilt als Durchbruch im
Friedensprozess
Kolumbiens: Mitte Dezember 2015 beschlossen Regierung und
die
Guerilla-Gruppe FARC den Rahmen für ein
Übergangsjustizsystem,
das künftig Menschenrechtsverbrechen aller Konfliktparteien
aufarbeiten soll. Das Übereinkommen regelt unter anderem, in
welcher
Form Rebellen und staatliche Sicherheitskräfte für ihre
Verbrechen bestraft werden. In der kolumbianischen
Zivilgesellschaft und
auch im Ausland stößt die Einigung auf breite Zustimmung.
Schließlich galt der juristische Umgang mit Straftaten
beider Seiten
als eine der größten Hürden der Friedensverhandlungen.
Klarer wird mit der Vereinbarung
aber auch: Die
Verhandlungsparteien geben sich auf ihrem Weg zu Frieden
einigen Spielraum,
viele ihrer Menschenrechtsverbrechen und deren Hintergründe
niemals
von einem Gericht untersuchen zu lassen. Die dafür
Verantwortlichen
und ihre Hinterleute könnten somit strafrechtlich nicht
belangt
werden.
Bisher kommen in Kolumbien in über
9 von 10
Fällen Täter*innen selbst bei schwersten Verbrechen straflos
davon. Bei geschlechtsspezifischer Gewalt liegt die Quote
noch höher.
Allgegenwärtig und strukturell verwurzelt trägt
Straflosigkeit
seit fast 70 Jahren wesentlich dazu bei, dass der bewaffnete
Konflikt im
Land bis heute andauert.
Die Einigung der
Verhandlungsparteien zu
Übergangsjustiz wirft nicht zuletzt deshalb viele Fragen
auf: Wie viel
Gerechtigkeit kann den Opfern eines Konfliktes wirklich
widerfahren, wenn
zahlreiche Menschenrechtsverletzungen nicht gerichtlich
aufgeklärt
werden? Können Wahrheitskommissionen oder andere
außergerichtliche Instrumente der Wahrheitsfindung
juristische
Aufklärung und Strafverfolgung wirksam ersetzen und
langfristig als
Garanten für Frieden wirken? Ist es vertretbar, staatliche
Sicherheitskräfte in einem Übergangsjustizprozess wie alle
übrigen Konfliktparteien zu behandeln, möglicherweise gar zu
bevorzugen? Und welche Mindestanforderungen muss ein Staat
eigentlich bei
der gerichtlichen Strafverfolgung in einem solchen Prozess
erfüllen,
um nicht seine internationalen Menschenrechtsverpflichtungen
als Mitglied
des Internationalen Strafgerichtshofes und Unterzeichner
aller neun
Kernverträge des UN-Menschenrechtssystems zu brüskieren?
Kurzum: Wie viel Gerechtigkeit
verträgt, wie
viel Gerechtigkeit braucht Frieden?
Kolumbien wird bald Antworten auf
diese Frage
finden müssen. Wertvolle Orientierung dabei bietet auch der
Erfahrungsschatz anderer Gesellschaften mit transitional
justice und der
Aufarbeitung ihrer gewaltvollen Vergangenheit – zum Beispiel
der
Länder des ehemaligen Jugoslawien. Wie diese Gratwanderung
dort
bewältigt wurde und wie sie Kolumbien meistern kann, darüber
diskutieren:
• Padre DARÍO ECHEVERRI │
Generalsekretär der Nationalen Versöhnungskommission
Kolumbiens
• MdB TOM KOENIGS │
Sonderbeauftragter des
Bundesministers des Auswärtigen zur Unterstützung des
Friedensprozesses in Kolumbien
• NATASCHA ZUPAN │ Leiterin der
Arbeitsgemeinschaft Frieden und Entwicklung, FriEnt
• SOLOMON SACCO │ Leiter des
Programms
gegen Straflosigkeit im Internationalen Sekretariat von
Amnesty
International
Moderation: Christiane Schwarz
(kolko e.V.)
Einführung zu transitional
justice-Instrumenten: Natascha Zupan
WANN? Mittwoch, 1. Juni 2016,
19.30 – 21.30
Uhr
WO? Haus der Deutschen Caritas,
Reinhardtstraße 13, 10117 Berlin (U Oranienburger Tor: U6,
Tram M1
und 12)
Um Anmeldung wird gebeten an
mail@kolko.net
(Betreff: „Offene Wunden“) bis Freitag, 27. Mai 2016.
Empfang im Anschluss. │ Für
deutsch-spanisch-englische Simultanübersetzung ist gesorgt.
│ Der
Eintritt ist frei.
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