Samstag, 28. Mai 2016

Pufferzone für Kurden


Multiethnische Milizen kämpfen unter dem Feuerschutz der USA im Norden Syriens gegen Islamisten

Von Karin Leukefeld
RTX27SL9.jpg
Auf dem Vormarsch: Kämpfer der »Syrisch-Demokratischen Kräfte« in der Nähe von Hasaka (19.2.2016)
Der Vertreter der Partei der Demokratischen Union (PYD), Gharib Hassou, gab sich am Donnerstag gegenüber der russischen Nachrichtenagentur Ria Nowosti optimistisch: »Rakka wird eines Tages Teil des demokratischen, föderalen Systems werden, das wir im Norden Syriens geschaffen haben«. Das sei die logische Folge, wenn die Stadt erobert werde. Wie beim völkerrechtswidrigen Einmarsch der US-Armee im Irak 2003 sind die kurdischen Kräfte anscheinend auch in Syrien die Türöffner für eine Intervention, die im UN-Sicherheitsrat bislang keine Mehrheit fand.
Gleichzeitig verhindern die USA und ihre Verbündeten, dass die PYD als Vertreter der syrischen Kurden auf seiten der »Opposition« an den Genfer Gesprächen teilnehmt. Doch ist ihr bewaffneter Arm, die kampferprobten Männer und Frauen der Volksverteidigungseinheiten YPG, gut genug dafür, den Angriff gegen den »Islamischen Staat« (IS) durchzuführen. Ursprünglich waren die YPG 2011 gebildet worden, um die Bevölkerung gegen Angriffe zu verteidigen. Nun sind sie Teil einer Angriffsarmee.
Mit anderen Verbänden wollen sie unter dem Namen »Syrisch-Demokratische Kräfte« (SDF) zunächst Rakka, dann Manbidsch und den syrisch-türkischen Grenzübergang Dscharabulus einnehmen. Das so befreite Gebiet soll in die am 17. März 2016 ausgerufene »Föderale Region Rojava« eingegliedert werden – als »Pufferzone zwischen der Türkei und dem IS«, wie der unter Pseudonym auftretende kurdische Journalist Amed Dicle erklärte. Es handele sich um eine »neue strategische Phase«, die »viele Hürden überwinden und neue Entwicklungen mit sich bringen« solle.
Die Offensive wird mit Milizen der syrischen Opposition und arabischer Stämme durchgeführt. Einige von ihnen stammen aus Rakka und Umgebung. Sie entstanden nach 2011 und waren zunächst mit der »Freien Syrischen Armee«, dann mit der Al-Nusra-Front und anderen Gruppen verbündet, bevor sie sich mit den kurdischen Kräften zusammenschlossen. 2015 bildeten sie die SDF, die vom US-Militär unterstützt werden.
jW Mobil
Die US-Armee hat laut Dicle ihre Ausbildungsmission für »moderate Rebellen« aus der Türkei nach Rojava verlagert. Die ursprünglich 50 US-Militärberater seien seit dem 23. Mai auf 300 aufgestockt worden. Russland, das die syrische Armee unterstützt, signalisierte seinerseits Kooperationsbereitschaft, wird aber offenbar von den USA außen vor gehalten.
Die Operation richte sich auch gegen den Einfluss der Türkei in der Region und stehe in Verbindung mit dem »Krieg in Nordkurdistan« im Südosten der Türkei sowie der »kurdischen Frage«, so Dicle. Gleichzeit geht der Journalist davon aus, dass das kurdische Modell einer Föderation das »einzige für ein demokratisches Syrien« sei. Die »Reinigung Nordsyriens vom IS« sei eine »Notwendigkeit«, um dem »multiethnischen und multireligiösen« Projekt Rojava zu einer »Machtposition« zu verhelfen, die unanfechtbar sein werde.
In Berlin traf sich am Freitag eine »AG Stabilisierung der internationalen Anti-ISIS-Koalition«. Unter dem Vorsitz Deutschlands und der Vereinigten Arabischen Emirate wurde im Auswärtigen Amt darüber beraten, wie in den »von ISIS befreiten Gebieten möglichst schnell öffentliche Infrastruktur wie Wasserversorgung, Krankenhäuser und Schulen« wiederhergestellt und »tragfähige Verwaltungsstrukturen« geschaffen werden könnten. Die Anwesenheit des US-Sonderbeauftragte für die Koalition gegen den »Islamischen Staat«, Brett McGurk, legt nahe, dass es auch um die beabsichtigte Pufferzone in Nordsyrien ging. McGurk hatte General Joseph Votel, den Oberbefehlshaber des US-Zentralkommandos, in der vergangenen Woche zu Gesprächen in Nordsyrien begleitet.
Die in Istanbul ansässige oppositionelle syrische »Nationale Koalition« (Etilaf) hat unterdessen am Donnerstag in einem Interview mit der Zeitung Wall Street Journal vorgeschlagen, dass Deutschland gleichberechtigt mit Russland und den USA die Verhandlungen über die Zukunft Syriens führen sollte. »Sie haben gute Beziehungen zu den Russen und den Amerikanern. Und sie waren so großzügig in der Aufnahme unserer Flüchtlinge. Sie haben die moralische Autorität, diesen Prozess voranzubringen.«

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen