Sechstägige Reise nach
Argentinien und Mexiko beendet. Wirtschaftliche
Kontakte im Fokus. Debatten um Menschenrechte und
Geschichte der westdeutschen Diplomatie
Von
Harald
Neuber [1]
amerika21
Buenos Aires/Mexiko-Stadt. Bundesaußenminister
Frank-Walter Steinmeier hat mit einer sechstägigen Reise
nach Argentinien und Mexiko die Allianz mit den neoliberalen
Regierungen beider Länder bekräftigt. Begleitet wurde der
Sozialdemokrat bei den Staatsbesuchen, die am gestrigen
Dienstag zu Ende gingen, von Abgeordneten der vier
Bundestagsfraktionen, zwei Dutzend Vertretern deutscher
Großunternehmen und kultureller Institutionen des Bundes,
darunter das Goethe-Institut und der Auslandssender Deutsche
Welle.
Bei seiner ersten Station in Argentinien war das Programm
stark von wirtschaftspolitischen Themen geprägt. Nach den
üblichen Treffen mit Amtskollegin Susana Malcorra Ende
vergangener Woche kam Steinmeier mit dem neuen
argentinischen Präsidenten Mauricio Macri zusammen. Es
folgten Gespräche mit mehreren Ministern und führenden
Repräsentanten deutscher Großkonzerne aus
Automobilindustrie, Luftfahrt, chemischer Industrie und
Maschinenbau. In Buenos Aires stand zudem ein Treffen mit
Agrarunternehmern auf der Tagesordnung. Während das
Auswärtige Amt das "neue Momentum in der Beziehung" beider
Länder hervorhob
[3], sprach Steinmeier
in Bezug auf die Wahl des Neoliberalen Macri von der
Rückkehr des Landes auf die internationale Ebene.
Allerdings bekam die deutsche Delegation auch die Folgen
der neuen Politik in dem südamerikanischen Land zu spüren.
Während der SPD-Minister und seine Begleiter in Buenos Aires
mit Wirtschaftsvertretern zusammenkamen, folgten tausende
Menschen einem Aufruf der Gewerkschaft CTA, um gegen die
neoliberalen Maßnahmen und Massenentlassungen zu protestieren
[4]. Steinmeier empfahl
[5] Präsident Macri,
beim Politikwechsel die soziale Balance zu wahren. Das Thema
wird voraussichtlich auch beim Gegenbesuch des
rechtsliberalen Staatschefs Anfang Juli in Berlin eine Rolle
spielen.
Für Debatten sorgte die Geschichte der westdeutschen
Diplomatie in Argentinien. Am Freitag besuchte Steinmeier
den sogenannten Park der Erinnerung für die Opfer der
Militärdiktatur in Argentinien (1976-1983). In Buenos Aires
kam er zudem mit Familien von Opfern zusammen. Unter den bis
zu 30.000 Menschen, die unter der Herrschaft der Militärs
verschleppt und getötet wurden, befanden sich auch bis zu 70
Deutsche und deutschstämmige Argentinier. Wie auch im Fall
der Militärdiktatur in Chile (1973-1990) blieb die Botschaft
der Bundesrepublik damals untätig oder gefährdete die
Verfolgten sogar. Bekannt wurden vor allem die deutschen
Opfer Klaus
Zieschank [6]
(1976), Nora Marx (1976) und Elisabeth
Käsemann [7]
(1977). Angehörige der damals jungen Diktaturopfer erhoben
später schwere Vorwürfe gegen Botschafter Jörg Kastl
(1922-2014) und Außenminister Hans-Dietrich Genscher
(1927-2016).
Für Unmut sorgte in diesem Zusammenhang während der Reise
die Vize-Vorsitzende der Linksfraktion, Heike Hänsel, die
dem Außenamt (AA) "unterlassene Hilfeleistung" vorhielt.
"Das AA trägt eine Mitschuld am Tod von Elisabeth Käsemann
und an der Ermordung vieler anderer", sagte Hänsel, die
Steinmeier begleitete. Dem widersprach die
Grünen-Politikerin Claudia-Roth, die von der Deutschen
Presse-Agentur (dpa) zitiert wird: "Es kann das Auswärtige
Amt ja nur stärken, wenn es zu seiner eigenen Geschichte
steht." Der deutsche Rechtsanwalt Wolfgang Kaleck, der
mehrere Opferfamilien vertritt, bekräftigte im Gespräch mit
amerika21 indes, dass die Verantwortung der ehemaligen
Bundesrepublik in den Fällen Zieschank, Marx und Käsemann
"sehr deutlich" sei. "Deswegen wäre eine unabhängige
Untersuchung wichtig", so Kaleck, der vor allem auf die
Rolle des argentinischen Geheimdienstmannes alias Mayor
Peirano verwies, der damals in der westdeutschen Botschaft
die Möglichkeit erhielt, Angehörige der Opfer auszuhorchen.
Auch Steinmeiers zweite Station in Mexiko war von
Wirtschaftsgesprächen geprägt und Menschenrechtsfragen
überschattet. Der SPD-Politiker kam dort mit mexikanischen
Unternehmen und dem Wirtschaftsminister zusammen. Im
Gespräch mit seiner mexikanischen Amtskollegin Claudia Ruiz
Massieu drängte Steinmeier zugleich auf weitere Ermittlungen
im Fall der
43 Studenten [8],
die im September 2014 verschleppt und offenbar ermordet
wurden. "Die Untersuchungen müssen weitergehen", zitiert die
dpa den SPD-Politiker, der in Mexiko-Stadt zudem das
sogenannte Deutschland-Jahr eröffnete. Parallel dazu findet
in Deutschland ein "Mexiko-Jahr" statt. Das Thema der
Menschenrechte spielt dabei aber keine Rolle. "Das Thema
Rechtsstaat bzw. Menschenrechte ist kein unmittelbarer
thematischer Schwerpunkt", hieß es auf eine Kleine
Anfrage [9] der
Linksfraktion.
Seit 2006 wurden in Mexiko bei bewaffneten
Auseinandersetzungen rund 150.000 Menschen getötet
[10] und 280.000
vertrieben. Alleine im Jahr 2011 fand
[11] man 453 enthauptete
Leichen. Bei seiner Rede zur Eröffnung des Partnerjahres in
Mexiko ging Steinmeier auf diese Bilanz nicht ein. "Dieses
Jahr wird das Deutschlandbild in Mexiko erneuern", sagte
[12] er.
Links:
[1] https://amerika21.de/autor/harald-neuber
[2] https://twitter.com/mauriciomacri/status/738424715379937280
[3] http://www.auswaertiges-amt.de/DE/AAmt/BM-Reisen/2016/160601_ARG_MEX/160602_ARG.html
[4] http://www.oem.com.mx/laprensa/notas/n4185967.htm
[5] http://prensa-latina.cu/index.php?option=com_content&task=view&idioma=1&id=4941011&Itemid=1
[6] https://de.wikipedia.org/wiki/Klaus_Zieschank
[7] https://de.wikipedia.org/wiki/Elisabeth_K%C3%A4semann%22%20%5Cl%20%22cite_ref-22
[8] https://amerika21.de/tag/ayotzinapa
[9] http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/083/1808303.pdf
[10] http://www.sinembargo.mx/19-04-2016/1650116
[11] http://www.monde-diplomatique.de/pm/2012/07/13.mondeText.artikel,a0038.idx,9
[12] http://www.auswaertiges-amt.de/DE/AAmt/BM-Reisen/2016/160601_ARG_MEX/160607_Deutschlandjahr.html
[13] https://flattr.com/submit/auto?user_id=amerika21&url=https%3A%2F%2Famerika21.de%2F2016%2F06%2F153852%2Fsteinmeier-lateinamerika-reise&title=Au%C3%9Fenminister%20Steinmeier%20bekr%C3%A4ftigt%20Allianz%20mit%20Neoliberalen%20in%20Lateinamerika&description=Buenos%20Aires%2FMexiko-Stadt.%20Bundesau%C3%9Fenminister%20Frank-Walter%20Steinmeier%20hat%20mit%20einer%20sechst%C3%A4gigen%20Reise%20nach%20Argentinien%20und%20Mexiko%20die%20Allianz%20mit%20den%20neoliberalen%20Regierungen%20beider%20L%C3%A4nder%20bekr%C3%A4ftigt.&language=de_DE&category=text
[1] https://amerika21.de/autor/harald-neuber
[2] https://twitter.com/mauriciomacri/status/738424715379937280
[3] http://www.auswaertiges-amt.de/DE/AAmt/BM-Reisen/2016/160601_ARG_MEX/160602_ARG.html
[4] http://www.oem.com.mx/laprensa/notas/n4185967.htm
[5] http://prensa-latina.cu/index.php?option=com_content&task=view&idioma=1&id=4941011&Itemid=1
[6] https://de.wikipedia.org/wiki/Klaus_Zieschank
[7] https://de.wikipedia.org/wiki/Elisabeth_K%C3%A4semann%22%20%5Cl%20%22cite_ref-22
[8] https://amerika21.de/tag/ayotzinapa
[9] http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/083/1808303.pdf
[10] http://www.sinembargo.mx/19-04-2016/1650116
[11] http://www.monde-diplomatique.de/pm/2012/07/13.mondeText.artikel,a0038.idx,9
[12] http://www.auswaertiges-amt.de/DE/AAmt/BM-Reisen/2016/160601_ARG_MEX/160607_Deutschlandjahr.html
[13] https://flattr.com/submit/auto?user_id=amerika21&url=https%3A%2F%2Famerika21.de%2F2016%2F06%2F153852%2Fsteinmeier-lateinamerika-reise&title=Au%C3%9Fenminister%20Steinmeier%20bekr%C3%A4ftigt%20Allianz%20mit%20Neoliberalen%20in%20Lateinamerika&description=Buenos%20Aires%2FMexiko-Stadt.%20Bundesau%C3%9Fenminister%20Frank-Walter%20Steinmeier%20hat%20mit%20einer%20sechst%C3%A4gigen%20Reise%20nach%20Argentinien%20und%20Mexiko%20die%20Allianz%20mit%20den%20neoliberalen%20Regierungen%20beider%20L%C3%A4nder%20bekr%C3%A4ftigt.&language=de_DE&category=text
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