Offener Brief der Deutschen Menschenrechtskoordination Mexiko an Bundesaußenminister Steinmeier und die Abgeordneten Fabritius, Annen, Roth und Hänsel anlässlich ihrer Reise nach Mexiko
Stuttgart/ Berlin, 31. Mai 2016
Ihr Besuch in Mexiko: Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit als Gesprächsthemen
Sehr geehrter Herr Außenminister Steinmeier,
sehr geehrte Abgeordnete Frau Hänsel, Frau Roth, Herr Fabritius und Herr Annen,
sehr geehrte Abgeordnete Frau Hänsel, Frau Roth, Herr Fabritius und Herr Annen,
am 6. Juni werden Sie, Herr Außenminister, in Mexiko das Deutschland-Jahr eröffnen. Das
Binationale Jahr ist gesprägt von den guten Handels- und Wirtschaftsbeziehungen zwischen
Deutschland und Mexiko sowie der strategischen Partnerschaft beider Länder.
In Mexiko selbst mangelt es jedoch in erheblichem Maße an Rechtsstaatlichkeit. Menschenrechte
werden durch die staatlichen Sicherheitskräfte verletzt. Folter, Verschwindenlassen und
außergerichtliche Hinrichtungen sind an der Tagesordnung. Zur effektiven Bekämpfung der
Straflosigkeit von über 98% fehlt der politische Wille. So werden Straftaten seitens der
Sicherheitskräfte und Behörden häufig als Schlag im Kampf gegen die Organisierte Kriminalität
gerechtfertigt. Durch die Anwendung von Folter sollen Geständnisse erpresst und auf diese Weise
schnelle Ermittlungserfolge vorgewiesen werden. Während den Sicherheitskräften in den meisten
Fällen keine Strafverfolgung droht, befinden sich viele Opfer trotz eines Mangels an Beweisen in
Haft. Darüber hinaus werden die unter Folter erzielten Geständnisse häufig im Strafprozess
verwendet, was internationalen rechtsstaatlichen Standards widerspricht.
Wir möchten Sie daher alle bitten, darauf hinzuwirken, dass das Binationale Jahr dazu genutzt wird,
klare Worte zur desaströsen Menschenrechtslage in Mexiko zu finden und konkrete Maßnahmen zur
Verbesserung einzufordern. Folgende Themen sollten dabei diskutiert werden:
Das Verschwindenlassen unter Mitwirkung und Duldung staatlicher Sicherheitskräfte: Der
Verbleib von rund 27.000 Menschen in Mexiko ist unbekannt. Die Behörden unternehmen nur in
Einzelfällen Anstrengungen, um die Verbrechen aufzuklären.
Im April veröffentlichte die internationale Expertenkommission „GIEI“ (Grupo Interdisciplinario
de Expertos Independientes), die das Verschwinden der 43 Studenten von Ayotzinapa untersucht,
ihren 2. Bericht zu dem Fall. In ihren Ergebnissen weist die Expertenkommission die großen
Ermittlungsdefizite hinsichtlich der Aufklärung des Verbrechens nach. Die Untersuchungsergebnisse
gehen zudem darauf ein, weshalb das mexikanische Justizsystem aktuell nicht dazu beiträgt,
Verbrechen strafrechtlich zu verfolgen. Die Kommission gab konkrete Empfehlungen für ein nach
internationalen Maßstäben erarbeitetes Gesetz gegen das Verschwindenlassen.
Bitte weisen Sie in Ihren Gesprächen darauf hin, dass das im Gesetzgebungsprozess befindliche
Gesetz gegen das Verschwindenlassen internationalen Standards entsprechen muss, um Wirkung zu
erzielen und eine allgemeine und internationale Akzeptanz zu erreichen. Darüber hinaus müssen
effektive Beteiligungs- bzw. Monitoringmechanismen der Zivilgesellschaft, insbesondere der
Opferverbände, im Gesetzgebungsprozess vorgesehen sein. Um die Umsetzung der von der GIEIerarbeiteten Ergebnisse zu garantieren, ist die Einrichtung eines unter Beteiligung der
Familienangehörigen und der Zivilgesellschaft entwickelten Folgemechanismus erforderlich.
Die mexikanische Regierung weist seit mehr als 1,5 Jahren Ermittlungsergebnisse und
Empfehlungen internationaler Menschenrechtsorganisationen und UN-Gremien zurück. Immer
wieder nutzt die Regierung Diffamierungskampagnen, um die Arbeit internationaler Experten wie
die der GIEI sowie mittlerweile auch engagierter Rechtsanwälte und NGOs in der Öffentlichkeit
herabzuwürdigen.
Bitte weisen Sie die mexikanische Regierung darauf hin, dass diese Diffamierungskampagnen im
Ausland Beachtung finden und sehr kritisch gesehen werden. Die Erkenntnisse internationaler
Gremien dienen nicht dazu, Mexiko in ein schlechtes Licht zu rücken, sondern elementare
rechtsstaatliche Defizite und Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen.
Aktuell sind insbesondere die lateinamerikanischen Staaten dabei, der Interamerikanischen
Menschenrechtskommission (CIDH) die finanzielle Basis zu entziehen.
Bitte überzeugen Sie die mexikanische Regierung von der Notwendigkeit, die finanzielle Unterstützung der Kommission dringend wiederaufzunehmen, und sich auch gegenüber den anderen Mitgliedstaaten der OAS für den Erhalt der finanziellen Ausstattung der CIDH einzusetzen. Andernfalls könnte deren Arbeitsfähigkeit sowie ihr wichtiger Beitrag zur Etablierung rechtsstaatlicher Verhältnisse und zum Schutz der Menschenrechte in der Region stark beeinträchtigt werden.
Bitte überzeugen Sie die mexikanische Regierung von der Notwendigkeit, die finanzielle Unterstützung der Kommission dringend wiederaufzunehmen, und sich auch gegenüber den anderen Mitgliedstaaten der OAS für den Erhalt der finanziellen Ausstattung der CIDH einzusetzen. Andernfalls könnte deren Arbeitsfähigkeit sowie ihr wichtiger Beitrag zur Etablierung rechtsstaatlicher Verhältnisse und zum Schutz der Menschenrechte in der Region stark beeinträchtigt werden.
Wir wünschen Ihnen allen erfolgreiche Gespräche auf Ihrer Reise und würden es sehr begrüßen,
wenn die genannten Punkte Berücksichtigung finden.
Mit freundlichen Grüßen,
im Namen der Mitgliedsorganisationen der Deutschen Menschenrechtskoordination Mexiko
im Namen der Mitgliedsorganisationen der Deutschen Menschenrechtskoordination Mexiko
(Dr. Carola Hausotter, Koordinatorin)
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