Montag, 5. März 2018

Die Götter helfen nicht  (Monika Köhler)


Auf Kampnagel in Hamburg: Tanztheater von Akram Khan, einem in London geborenen Choreografen, dessen Eltern aus Bengalen stammen. Für sein Stück »Until the Lions – Echoes from the Mahabharata« nimmt er Themen aus dem altindischen Heldenepos und reduziert die Fülle an Personen auf drei Tänzer beziehungsweise Tänzerinnen. Die Figur der Shikhandi kann weiblich sein und männlich. Sie ist die Inkarnation der Königstochter Amba, die an ihrem Hochzeitstag geraubt wird und dadurch ihre Ehre verliert. Alle verachten sie, auch ihr Verlobter. Ihr Entführer, der Krieger Bhishma, will sie seinem Bruder als Braut übergeben. Bhishma, der sich ihr – im Stück – auch annähert, er hatte einst den Schwur der Ehelosigkeit getan, reißt sich immer wieder los. Eine ambivalente Beziehung. Wer sich in die Verästelungen des indischen Epos vertieft, wird verzweifeln.

Bhishma, auch der Furchtbare genannt, ist im Grunde edel. Sein Tänzer Rianto kann gewaltsam sein oder fürsorglich im schnellen Wechsel. Amba (Ching-Ying Chien) muss sich gegen die jahrhundertealten Regeln durchsetzen. Die angerufenen Götter werden nicht helfen, sie selbst muss handeln. Der Tod als Ausweg? Ihre Verwandlung in Shikandi (Joy Alpuerto Ritter) gibt ihr die Möglichkeit, sich zu rächen. Ritter tanzt die männliche Rolle zart und kraftvoll. Das Geschlecht erscheint unwichtig. Im Epos tötete sie Bhishma – im großen Krieg.

Angetrieben werden die Akteure durch Musiker, die um die erhöhte Bühne herum sitzen und die Szene aufheizen. Dann Töne, wie sie ein »Besessener« beim Exorzismus produziert, heiser krächzend. Schneller Kathak-Tanz, der sich steigert, die Bühne scheint zu vibrieren. Die Tänzer/innen vollbringen Wunder – ist das Tanz oder so etwas wie Magie? Wenn eine Tänzerin auf einem Bein, sich selbst behindert. Ein Bein als Partner? Über allem wacht ein – männlicher – Schädel, der zu Beginn auf eine Stange gespießt wurde. Immer wieder wird er leicht berührt. Die Kraftquelle? Die Macht der allgegenwärtigen Ahnen? Zum Schluss ein Herunterreißen des Kopfes, eher zögerlich. Bambusstangen (im Epos Pfeile) landen krachend auf der Bühne, das »Pfeilbett« des sterbenden Bhishma. Das Patriarchat, die Tradition in Gestalt des Schädels, bekommt Risse, beginnt zu bröckeln. Die Frauen begehren auf – jedenfalls bei Akram Khan.

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