Alle
reden davon, und jeder versteht etwas anderes darunter. Jetzt steht das
Schlagwort vom Zusammenhalt auch im Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU
und SPD, der einen »neuen Zusammenhalt für unser Land« verspricht. Ist
das Land in Gefahr, auseinanderzufallen? Wollen die Bewohner der
ostfriesischen Inseln nichts mehr mit den Leuten im Bayerischen Wald zu
tun haben? Sind der Zusammenhalt des Landes und der gesellschaftliche
Zusammenhalt ein und dasselbe?
Die liberale Demokratie stehe unter Druck wie seit der Zeit zwischen beiden Weltkriegen nicht mehr, schreibt Norbert Frei in der Süddeutschen Zeitung. Es fehle der soziale Zusammenhalt. Später spricht er vom gesellschaftlichen Zusammenhalt. Ist das etwas anderes? Die Frage des gesellschaftlichen Zusammenhalts ist seiner Meinung nach für die Zukunft der Demokratie von größter Bedeutung. Frei zitiert einen Ausspruch von Margaret Thatcher, die auf die Kritik an ihrer radikalen neoliberalen Politik und den daraus resultierenden gesellschaftlichen Folgen mit ihrem berüchtigten Diktum geantwortet habe, Gesellschaft gebe es gar nicht. »There’s no such thing as society.«
Mich erinnert das Gerede vom gesellschaftlichen Zusammenhalt an die Volksgemeinschaft unseligen Angedenkens, als Unternehmer und Arbeiter gemeinsam mit der Sammelbüchse des Winterhilfswerks in der Hand Spenden für die Kriegskasse der Nazis sammelten. Eine Gesellschaft funktioniere nur gut, wenn ihre Bürgerinnen und Bürger friedlich und respektvoll zusammenlebten, heißt es in einem Werbetext des Bundesinnenministeriums. Der gesellschaftliche Zusammenhalt sei der Kitt unserer Gesellschaft. Aber wenn es um Profit geht, wird auf das friedliche Zusammenleben gepfiffen, dann werden Menschen gnadenlos auf die Straße gesetzt, und es kümmert niemanden, wie die dann zurechtkommen.
Schon bei kleinsten sozialen Verbesserungen setzt bei den Unternehmern das große Wehklagen ein. Der Koalitionsvertrag sei »noch scheußlicher als erwartet«, jammerte der Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, Oliver Zander, dieser Tage. Das sei »ein trauriger Tag für dieses Land«. Das klingt nicht nach einem neuen Zusammenhalt. Wer mehr Zusammenhalt wolle, müsse die »Gemeinsamkeit der Verschiedenen« stärken, gab der neue Vorsitzende der Bündnisgrünen, Robert Habeck, auf der jüngsten Bundesdelegiertenversammlung seiner Partei zu bedenken. Wo sei denn die Gemeinsamkeit zwischen denen, »die Toiletten putzen, und denen, die hier auf der Bundesdelegiertenkonferenz sind«, fragte er. Genau darum geht es. Wer soll mit wem zusammenhalten? Soll der Mann oder die Frau in der Montagehalle bei Mercedes mit Herrn Zetsche zusammenhalten, wenn es um bessere Arbeitsbedingungen geht?
Wer hat nicht schon beobachtet, wie schwierig es sein kann, eine Familie zusammenzuhalten. Bei einem Verein wird es dann noch schwieriger, obwohl sich dort Menschen mit gleichen Interessen zusammenfinden. Die Bewohner einer Straße unter einen Hut zu bringen, wenn die Straße umbenannt werden soll, erweist sich immer wieder als fast unmöglich. Wie soll dann der Zusammenhalt einer ganzen Gesellschaft oder eines ganzen Landes bewerkstelligt werden.
Der grundlegende Widerspruch zwischen den wenigen, die die Produktionsmittel besitzen und den vielen, die nichts zu verkaufen haben außer ihrer Arbeitskraft, lässt sich nicht wegschwadronieren. Er kann allenfalls gemildert, unter den gegebenen Verhältnissen aber nicht aufgehoben werden. Wer den einen etwas geben will, muss den anderen etwas nehmen. Um das zu verkleistern, wird seit jeher mit viel Geld versucht, die bestehenden Verhältnisse als Endstufe der menschlichen Entwicklung hinzustellen, obwohl sie angesichts der immer tiefer werdenden Kluft zwischen Arm und Reich nach Veränderung schreien. Millionen Menschen werden demnächst durch die fortschreitende Digitalisierung und die Globalisierung ihren Arbeitsplatz verlieren. Wer sagt ihnen, was sich ändern muss, damit sie nicht verelenden? Im Koalitionsvertrag steht dazu nichts »Der Kapitalismus kann nicht human sein«, meinte einst Maxim Gorki. »Alles Menschliche – außer dem Viehischen im Menschen – ist ihm fremd.« Wohl war. Aber davon soll bitte möglichst nicht geredet werden. Es gibt schließlich Wichtigeres. Die Schimäre vom Zusammenhalt der Gesellschaft muss am Leben gehalten werden.
Die liberale Demokratie stehe unter Druck wie seit der Zeit zwischen beiden Weltkriegen nicht mehr, schreibt Norbert Frei in der Süddeutschen Zeitung. Es fehle der soziale Zusammenhalt. Später spricht er vom gesellschaftlichen Zusammenhalt. Ist das etwas anderes? Die Frage des gesellschaftlichen Zusammenhalts ist seiner Meinung nach für die Zukunft der Demokratie von größter Bedeutung. Frei zitiert einen Ausspruch von Margaret Thatcher, die auf die Kritik an ihrer radikalen neoliberalen Politik und den daraus resultierenden gesellschaftlichen Folgen mit ihrem berüchtigten Diktum geantwortet habe, Gesellschaft gebe es gar nicht. »There’s no such thing as society.«
Mich erinnert das Gerede vom gesellschaftlichen Zusammenhalt an die Volksgemeinschaft unseligen Angedenkens, als Unternehmer und Arbeiter gemeinsam mit der Sammelbüchse des Winterhilfswerks in der Hand Spenden für die Kriegskasse der Nazis sammelten. Eine Gesellschaft funktioniere nur gut, wenn ihre Bürgerinnen und Bürger friedlich und respektvoll zusammenlebten, heißt es in einem Werbetext des Bundesinnenministeriums. Der gesellschaftliche Zusammenhalt sei der Kitt unserer Gesellschaft. Aber wenn es um Profit geht, wird auf das friedliche Zusammenleben gepfiffen, dann werden Menschen gnadenlos auf die Straße gesetzt, und es kümmert niemanden, wie die dann zurechtkommen.
Schon bei kleinsten sozialen Verbesserungen setzt bei den Unternehmern das große Wehklagen ein. Der Koalitionsvertrag sei »noch scheußlicher als erwartet«, jammerte der Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, Oliver Zander, dieser Tage. Das sei »ein trauriger Tag für dieses Land«. Das klingt nicht nach einem neuen Zusammenhalt. Wer mehr Zusammenhalt wolle, müsse die »Gemeinsamkeit der Verschiedenen« stärken, gab der neue Vorsitzende der Bündnisgrünen, Robert Habeck, auf der jüngsten Bundesdelegiertenversammlung seiner Partei zu bedenken. Wo sei denn die Gemeinsamkeit zwischen denen, »die Toiletten putzen, und denen, die hier auf der Bundesdelegiertenkonferenz sind«, fragte er. Genau darum geht es. Wer soll mit wem zusammenhalten? Soll der Mann oder die Frau in der Montagehalle bei Mercedes mit Herrn Zetsche zusammenhalten, wenn es um bessere Arbeitsbedingungen geht?
Wer hat nicht schon beobachtet, wie schwierig es sein kann, eine Familie zusammenzuhalten. Bei einem Verein wird es dann noch schwieriger, obwohl sich dort Menschen mit gleichen Interessen zusammenfinden. Die Bewohner einer Straße unter einen Hut zu bringen, wenn die Straße umbenannt werden soll, erweist sich immer wieder als fast unmöglich. Wie soll dann der Zusammenhalt einer ganzen Gesellschaft oder eines ganzen Landes bewerkstelligt werden.
Der grundlegende Widerspruch zwischen den wenigen, die die Produktionsmittel besitzen und den vielen, die nichts zu verkaufen haben außer ihrer Arbeitskraft, lässt sich nicht wegschwadronieren. Er kann allenfalls gemildert, unter den gegebenen Verhältnissen aber nicht aufgehoben werden. Wer den einen etwas geben will, muss den anderen etwas nehmen. Um das zu verkleistern, wird seit jeher mit viel Geld versucht, die bestehenden Verhältnisse als Endstufe der menschlichen Entwicklung hinzustellen, obwohl sie angesichts der immer tiefer werdenden Kluft zwischen Arm und Reich nach Veränderung schreien. Millionen Menschen werden demnächst durch die fortschreitende Digitalisierung und die Globalisierung ihren Arbeitsplatz verlieren. Wer sagt ihnen, was sich ändern muss, damit sie nicht verelenden? Im Koalitionsvertrag steht dazu nichts »Der Kapitalismus kann nicht human sein«, meinte einst Maxim Gorki. »Alles Menschliche – außer dem Viehischen im Menschen – ist ihm fremd.« Wohl war. Aber davon soll bitte möglichst nicht geredet werden. Es gibt schließlich Wichtigeres. Die Schimäre vom Zusammenhalt der Gesellschaft muss am Leben gehalten werden.
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