Montag, 19. März 2018

EINIGE GEDANKEN ZU PERSONALIENVERWEIGERUNG IM KNAST


17.03.18
hambach„Das hier bei uns ist ein geben und nehmen. Du sagst uns deinen Namen und dann bekommst du einen Stift.“
Mit solchen Worten wurde ich begrüßt in der JVA Köln Ossendorf. Einige der Wachteln schienen sich von Personalienverweigerung persönlich angegriffen zu fühlen und versuchten uns das Leben so schwer wie möglich zu machen. Warum also sollte mensch sich all diesem Ärger „freiwillig“ aussetzen? Eine häufig traumatische Knasterfahrung riskieren und Strukturen außerhalb belasten, wo doch schon die Haftrichterin uns angeboten hatte uns gegen Angabe unserer Personalien zu entlassen?
Es gibt auf jeden Fall berechtigte Einwände gegen Personalienverweigerung, doch ich denke man sollte sich auch die Frage stellen, was die Richter*in mit Menschen ohne festen Wohnsitz oder deutschen Pass tun würde? Auch dies sind häufige Argumente für Fluchtgefahr, welche die Untersuchungshaft legitimieren sollen. Das bedeutet demnach, dass die Möglichkeit einer U-Haft zu entgehen durch Angabe der Personalien ein Privileg weniger Menschen ist und die Verweigerung auch ein Zeichen von Solidarität sein kann.
Kollektive Personalienverweigerung hat als Strategie in den letzten Jahren sehr vielen Menschen im Rheinland ermöglicht Aktionen zu machen, welche meiner Meinung nach nicht nur legitim, sondern dringend notwendig sind. Niemand sollte dafür unter Repression leiden müssen, weder unmittelbar in der Gesa, noch langfristig durch anstrengende Gerichtsprozesse. Doch unsere Welt sieht leider anders aus. Wie sollten wir also damit umgehen?
Es scheint so, dass Polizei und Politik zunehmend nervös oder zumindest genervt sind von dem vielfältigen Widerstand gegen Braunkohle im Rheinland. Vielleicht wird sich die zunehmende Repression eines Tages auch als Teil eines historischen Wendepunkts hin zu einer autoritär faschistischen Gesellschaft heraus stellen. Wir können es nicht wissen, doch es ist meine Überzeugung, dass es beim Kampf für eine befreite Gesellschaft zwangsläufig zu Konflikten mit der herrschenden Klasse kommt und sie nichts unversucht lassen wird, ihre Macht zu bewahren.
Deswegen ist für mich die Vorstellung von einer „gewaltfreien“ Revolution eine (in gewisser Weise System erhaltende) Illusion. Gewalt umgibt uns immer und überall und Knäste sind nur ein Ort an dem die Gewalt besonders offensichtlich in Erscheinung tritt. Die Entscheidung neun Menschen mit komplett lächerlichen Tatvorwürfen in U-Haft zu stecken, wäre, meiner Auffassung nach, vor ein paar Jahren oder anderenorts als vollkommen unverhältnismäßig angesehen worden. Daher sehe ich es als eine politische Entscheidung der zunehmenden Repression nicht nachzugeben. Besonders als kollektiver Entschluss gewinnt diese Strategie an Bedeutung.
Damit möchte ich auf keinen Fall Gefängnissen ihre Grausamkeit absprechen oder behaupten es gäbe keine sinnvollen Aktionsformen, welche aktuell als „legal“ angesehen werden. Ich möchte nur deutlich machen, dass wenn man so radikale Änderungen der Gesellschaft fordert, man sich nicht darauf verlassen sollte immer unter Angabe von Personalien entlassen zu werden.

Dabei ist es natürlich wichtig, dass sich niemand verpflichtet oder gezwungen fühlt, diese direkte Repression auf sich zu nehmen. Ich glaube, dass es kaum möglich ist längere Zeit seiner Freiheit auf so unmittelbarer Weise beraubt zu sein ohne Ängste und Traumata zu entwickeln. Ich hatte auch den Eindruck, dass die Schließer uns „namenlose“ Gefangene nochmal schlechter behandelt haben, als andere Mitinsass*innen.
So berücksichtigten sie kaum einen unserer Anträge (Antrage sind die einzige Möglichkeit im Knast irgendwie Bedürfnisse zu kommunizieren wie z.B Arztbesuche oder Bücher aus der Bibliothek). Doch unterliegen, meine Meinung nach, solche Sachen im Knast immer fast ausschließlich der Willkür der Schließer*innen und mit denen kann mensch es sich auf unterschiedlichste Art verscherzen.
Die Situation aktuell ist ziemlich verwirrend und ich bin unsicher, was für Schlüsse sich auf dem Vorgehen der Justiz gerade ziehen lassen: Fünf von uns wurden nach 11 Tagen ohne Personalien und mit wenig Auflagen (nur über die Anwält*in erreichbar zu sein) entlassen, während vier Menschen jetzt bereits seit über sechs Wochen in U-Haft sind. Dies zeigt deutlicher als alles andere die Willkür unseres „Rechts-“Systems. Es ist wichtig, Menschen darauf aufmerksam zu machen, dass so etwas im „eigenen“ Land mit einer angeblich so perfekten Demokratie geschieht.
Für mich handelt es sich darüber hinaus um eine persönliche Entscheidung meine Personalien zu verweigern. Denn mit Namen bei den Bullen bekannt zu sein, kann auch langfristig die Möglichkeit Aktivismus zu betreiben einschränken (wie natürlich auch traumatische Erlebnisse dies tun können).
Insgesamt sollte jede*r für sich entscheiden können, was sie*er ertragen kann oder möchte und sollte weitestgehend dabei von Genoss*innen und Antirepressionsstrukturen unterstützt werden.
Eine* der UP der Hambi5
https://abcrhineland.blackblogs.org/2018/03/13/einige-gedanken-zu-personalienverweigerung-im-knast/

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