Montag, 19. März 2018

Gelebte Solidarität – Die Geschehnisse des 31. Mai erzählt von unten


17.03.18
mai31Skandal nach brutaler Polizeigewalt bei Abschiebeblockade – Gerichtsprozesse gegen Aktivist*innen – oder wie sich Teile der Justiz zum verlängerten Arm des bayerischen Innenministeriums machen lassen
Der 31. Mai in Nürnberg hat deutschland- und weltweit große Beachtung gefunden. An diesem Tag sollte Asif N. aus seiner Berufsschule nach Afghanistan abgeschoben werden, in ein Land, in dem Krieg herrscht und am selben Tag eine Bombe in der deutschen Botschaft explodierte, die 90 Menschen tötete bzw. verletzte. Rund 300 solidarische Menschen wollten dies nicht hinnehmen, und blockierten in einem Akt großartiger Zivilcourage die Einsatzkräfte, welche mit äußerster Gewalt reagierten.

Neben dem entschlossenen Handeln der Protestierenden an diesem Tag, hat vor allem die Gewaltorgie der Polizei – insbesondere des hinzugerufenen berüchtigen Unterstützungssonderkommandos (USK) – für Aufsehen gesorgt. Bilder von prügelnden Beamt*innen, die mit Schlagstöcken, Pfefferspray und Hunden auf die Aktivist*innen losgingen, verbreiteten sich schnell um den halben Globus und schockierte die Menschen: „Was ich heute am Berliner Platz in Nürnberg gesehen habe, spottet jeder Beschreibung. Es erschüttert mein Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit und ist einfach nur beschämend für unser Innenministerium und seine eingesetzte Polizei“, schilderte die Augenzeugin und Nürnberger Nachrichten-Redakteurin Johanna Husarek ihre Eindrücke vom 31. Mai 2017.
Doch gerade das bayerische Innenministerium sieht Protest, der ganz offen seine Machtbefugnisse in Frage stellt, nicht gerne und so brachte die CSU den Landtag nahezu ausnahmslos auf Linie und deutete die Geschichte des 31. Mai schlichtweg um: Die Eskalation sei ausschließlich von den Protestierenden ausgegangen und die Beamt*innen hätten vorbildlich gehandelt. Um diese Sichtweise zur Staatsdoktrin zu machen, scheint ihnen jedes Mittel recht: Lehrer*innen wurden auf Geheiß von CSU-Politiker Klemens Gsell (3. Bürgermeister Nürnbergs zuständig für Schulangelegenheiten) Maulkörbe verpasst; auch bei einer Schulveranstaltung, bei der die Geschehnisse des 31. Mai aufgearbeitet werden sollten, wurde die Presse durch selbigen ausgeschlossen. Im Zuge des ungebremsten Ermittlungseifers gegen jede Person, die am 31. Mai einen Polizisten auch nur schief angeschaut haben könnte, werden alle Mittel aufgefahren. Jüngst machte der Skandal einer Öffentlichkeitsfahndung nach einer jungen Frau Schlagzeilen, der lediglich das Werfen einer 0,5l PET Weichplastikflasche zur Last gelegt werden soll.
Der erste Prozess gegen einen Demonstranten zeigte bereits: Die CSU-Propaganda fällt auf fruchtbaren Boden – zumindest bei Teilen der Justiz. Der Angeklagte war in den Augen des Richters schuldig noch bevor er den Saal überhaupt betreten hatte. Und so umschiffte der Richter einen Prozess mit massiver politischer Sprengkraft, indem er schlichtweg ein Geständnis erpresste. Dadurch wurde eine Aufarbeitung der Geschehnisse des Tages in ihrem Kontext verhindert. Es gab weder eine Beweisaufnahme, noch missliebige Zeug*innen, keine Thematisierung der höchst zweifelhaften bis formal illegalen Abschiebung, kein Wort über die Missachtung des Versammlungsrechtes seitens der Polizei, geschweige denn zur Polizeigewalt. Zu befürchten ist, dass die anstehenden Prozesse unter ähnlichen Vorzeichen ablaufen werden.
Es gibt viel zu tun – unser Kampf ist noch lange nicht zu Ende
Doch wir, die Menschen, gegen die ermittelt wird, alle solidarischen Unterstützer*innen, Schüler*innen, Helfer*innenkreise und Angehörige, wir werden nicht schweigen. Diesen Gefallen tun wir ihnen nicht. Es wird gegen ca. 20 Menschen ermittelt, denen wir zur Seite stehen. Nicht nur
die Protestierenden sind im Visier der Ermittlungen, nein, auch Asif selbst. Er sieht sich vor allem mit dem Vorwurf des Widerstandes gegen seine eigene Abschiebung konfrontiert. Wer die Bilder des Tages gesehen hat, kann erkennen, wie Asif wie Vieh von einem zum anderen Polizeiwagen gezerrt und geschleift wird. Es scheint symptomatisch zu sein, dass brutale Polizeigewalt den Vorwurf des Widerstands der Betroffenen nach sich zieht. Bei Asif stellt sich jedoch zusätzlich die Frage: Wie kann es sein, dass ein Mensch angeklagt werden soll, weil er sich vielleicht nicht wie das berühmte Lamm zur Schlachtbank hat führen lassen?! Eine Abschiebung in ein Land, in dem tagtäglich Zivilist*innen angegriffen werden, NGOs sich nicht vor Attentaten schützen können und selbst die gut gesicherte deutsche Botschaft einem verheerenden Anschlag nicht Stand halten konnte, ist an sich menschenverachtend. Denjenigen, der sich nicht einfach brav in den Flieger zurück in diese für uns unvorstellbaren Zustände sitzen lässt, deswegen auch noch anzuklagen, lässt tief in die politische Motivation von Teilen der Justiz blicken.
Dass sich Asif selbst und Menschen, die sich couragiert und solidarisch dem bayerischen Abschieberegime in den Weg stellen, auf Gerichtsbänken wiederfinden, bestätigt die Notwendigkeit zum Widerstand nur einmal mehr. Denn was ist schon eine Blockade gegen, die Ausbeutung ganzer Landstriche, die Unterstützung von Kriegen, sei es aktiv oder durch Waffenexporte oder die Abschiebungen zurück in diese systematisch destabilisierten Länder selbst?
Wo Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht
Wenn Recht und Gesetz heißt, dass Menschen in Hunger, Elend, Folter, Krieg und Tod abgeschoben werden, sind sie nichts wert, sondern müssen bekämpft werden. Kein Gesetz wird uns davon abhalten das Richtige zu tun. Kein Polizist kann das, und auch nicht die x-tausendste Verschärfung von irgendwelchen Paragrafen. Gerade in Zeiten des verschärften Rechtsrucks ist es umso notwendiger, Widerstand zu leisten und Zivilcourage zu ergreifen. Denn auch das ist der Rechtsruck: Er bedeutet nicht nur eine AfD im Bundestag, sondern auch Gesetzesverschärfungen, prügelnde Polizist*innen, einen bayerischen Landtag, der die Geschichte des 31. Mai komplett auf den Kopf stellen will und Teile der Justiz, die ihm dabei tatkräftig zur Seite steht.
Doch wir lassen uns nicht unterkriegen. Wir stellen unsere Solidarität gegen ihre Repression, denn gemeint sind wir alle. Wir alle, die ihre Stimmen laut und deutlich gegen die rassistische Politik erheben, die sich gegen menschenverachtende Gesetze wehren, die sich für ein solidarisches Miteinander aussprechen und Widerstand leisten, sind Staat und Polizei ein Dorn im Auge. Solidarität ist eine Waffe – nutzen wir sie!
Wir fordern den sofortigen Stopp aller Ermittlungen und das Fallenlassen aller Anklagen!
Gegen jede Abschiebung – egal von wem, egal wohin!
Gegen jede Polizeigewalt – weg mit den Paragraphen 113, 114 StGB!
Seid solidarisch, informiert euch über Aktionen auf https://de-de.facebook.com/NuernbergIstUeberall/ oder www.redside.tk und spendet für die Kosten der Repression:
Empfänger: Rote Hilfe RG Nürnberg
GLS Bank
IBAN: DE85 4306 0967 4007 2383 59
BIC: GENODEM1GLS
Kennwort: 31.Mai
Das Bündnis „Widerstand Mai 31 – Solidarität ist kein Verbrechen“ hat sich nach den Geschehnissen rund um den 31. Mai gegründet, um die von Repression Betroffenen solidarisch zu unterstützen. Das Bündnis setzt sich aus Betroffenen, Familienangehörigen, Schüler*Innen und linken Gruppen zusammen.
Veranstalungsankündigung: Öffentliche Veranstaltung 20.03.2018 17.15 Uhr großer Saal im Nachbarschaftshaus Gostenhof: “Gelebte Solidarität – Die Geschehnisse des 31. Mai erzählt von unten”
http://www.redside.tk/cms/2018/03/08/gelebte-solidaritaet-die-geschehnisse-des-31-mai-erzaehlt-von-unten/

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