Von Sonja Gerth,
Cimacnoticias
(Morelia, 13. Maerz 2018)
Sport, Kultur und Debatten
standen im
Mittelpunkt des dreitaegigen Treffens, zu dem die Zapatistinnen
Besucherinnen
aus aller Welt in ihr autonomes Territorium in den Bergen von
Chiapas
eingeladen hatten. “Wenn du keine Angst vor dem schlechten
System hast, das uns
ausbeutet, unterdrueckt, beraubt und verachtet, oder wenn du
Angst hast, sie
aber kontrollierst, dann laden wir dich herzlich ein”, hiess es
in der
Einladung. Und die Besucherinnen aus vielen Staaten Mexikos, aus
Guatemala und
Argentinien, aber auch den USA und Europa, stellten die
Organisatorinnen vor
eine grosse Herausforderung: Es kamen rund 5000 Frauen, knapp
zehn Mal so
viele, wie sich angemeldet hatten.
Die Schlange vor dem Tor, ab
dem Maennern
der Eintritt auf das Gelaende des Caracol Morelia verboten war,
wurde immer
laenger. All die Besucherinnen, die ohne Zelte gekommen waren,
mussten ihre
Schlafsaecke auf den Buehnen, in den Seminarraeumen, und unter
eilig
aufgespannten Plastikplanen im Gras ausrollen.
Geweckt wurden alle um sechs
Uhr morgens
vom Bass der Band aus dem Caracol Oventic. Zu den Klaengen der
“Mañanistas”
krochen die uebernaechtigten Feministinnen aus der Stadt aus
ihren Zelten, um
sich auf dem Fussballplatz einzufinden und den Grussworten der
compañeras aus
den verschiedenen Bezirken zuzuhoeren.
In der Eroeffnungsrede wies
Capitana Erika
darauf hin, dass das Treffen vor allem als Unterstuetzung fuer
Maria de Jesús
Patricio, genannt Marichuy entstanden sei. Im Februar war die
Kandidatur von
Marichuy, der ersten indigenen Praesidentschaftskandidatin
Mexikos, an der
fehlenden Zahl der Unterstuetzerstimmen gescheitert. Dennoch
seien die
Kandidatur und auch das Treffen eine Ermunterung, den Kampf um
gleiche Rechte
nicht aufzugeben.
Marichuy und viele
concejalas vom
Nationalen Kongress der Indigenen (CIG) waren als Ehrengaeste
anwesend,
ergriffen allerdings nicht das Wort sondern nahmen nur an den
Workshops teil.
Rund 180 Veranstaltungen wurden waehrend des dreitaegigen
Treffens angeboten,
darunter Tanz, Koerpererfahrung, Medizin und auch Musik. In
jedem Workshop
sassen mindestens zehn Zapatistinnen, die teilweise fleissig
mitschrieben, um
in ihren Gemeinden von all den “seltsamen Dingen” berichten zu
koennen, mit
denen sich die Feministinnen aus der Stadt so befassen.
Denn ohne die Gemeinschaft,
die Frauen und
Maenner, die zu Hause auf das Feld, das Haus und die Kinder
aufpassten, waere
den 2000 Zapatistinnen eine Teilnahme nicht moeglich gewesen.
Waehrend
innerhalb der Tore alle Organisation- von der Reinigung der Klos
ueber die
Essstaende bis zu Licht und Sound auf der Buehne- in den Haenden
der Frauen
lag, koordinierten einige compañeros ausserhalb den Parkplatz
und kochten fuer
die Zapatistinnen. Die Soldaten der EZLN hatten sich auf einem
Huegel
positioniert, um darueber zu wachen, dass es “keine
Zwischenfaelle” gab.
Auch die Politik war auf dem
Treffen immer
wieder Thema. So informierten die Muetter von Verschwundenen und
Opfern von
Feminizid ueber ihren Kampf gegen die Straflosigkeit. Hilda
Hernández, die
Mutter eines der Verschwundenen von Ayotzinapa, beklagte dass
die
Staatsanwaltschaft die Akte in diesem Jahr schliessen wolle,
obwohl bisher noch
keiner der 43 gefunden worden sei. Die mexikanischen Behoerden
beharren immer
noch auf der Version, dass die Studenten auf einer Muellhalde
von Kriminellen
verbrannt worden seien. Argentinische Forensiker haben aber
nachgewiesen, dass
das nicht stimmen kann. Die Gewalt, vor allem gegen Frauen, ist
ein Thema,
unter dem alle Frauen gleichermassen leiden, egal ob indigen,
mestiza oder
weiss, reich oder arm, aus dem Norden oder dem Sueden, das
hatten die
Zapatistas schon in der Eroeffnung anklingen lassen. In Mexiko
werden laut UN
sieben Frauen am Tag ermordet, nur weil sie Frauen sind.
Am Ende der drei Tage setzte
sich aber bei
vielen der Besucherinnen die Erkenntnis durch, dass eben auch
Kunst, Sport, und
Zusammensein den Kampf ausmachen. Egal ob es auf dem
Basketballplatz war,
tanzend zu den Rhythmen der lesbisch-feministischen Band aus
Kolumbien, oder
durch ein Augenzwinkern unter der Sturmhaube am
Quesadilla-Stand: etwas hatten
die Zapatistinnen in uns bewegt, etwas, das wir mitnehmen
wollten nach Hause.
Dazu passten die Worte der
compañeras in
der Abschlussveranstaltung, vorgetragen von Alejandra, einer
jungen Frau aus
dem autonomen Bezirk Realidad. Die Rede war in bester
zapatistischer Tradition
verfasst: mit Witz, Ironie, ein wenig Selbstkritik und
Bescheidenheit.
Alejandra forderte die Besucherinnen auf, ein Licht in die Welt
hinauszutragen:
“Tragt es zu den Verschwundenen, den Ermordeten, den Gefangenen,
den
Vergewaltigten, den Migrantinnen, und sagt ihnen, dass sie nicht
alleine sind,
sondern dass ihr fuer sie kaempft. Weicht nicht zurueck,
verkauft euch nicht,
gebt nicht auf!” Da lief den meisten Zuhoererinnen am Ende noch
einmal mehr als
eine Traene ueber die Wange.
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