Nicht
nur die SPD-Spitze, auch die GroKo-Partner*innen loben ihre
Verhandlungsergebnisse. Die Kanzlerin hatte im Wahlkampf die Situation
in der Pflege zur Chefsache erklärt. Würde es also – sollte die GroKo
gebildet werden – tatsächlich hier zu einer Verbesserung kommen? Die
veröffentliche Meinung äußert Skepsis. Ein Tropfen auf den heißen Stein
seien die in Aussicht gestellten 8000 Fachkräfte in der Altenpflege –
etwa eine halbe Stelle pro Einrichtung, bezahlt von den Krankenkassen.
Denn diese sind für die sogenannte Behandlungspflege (Medikamentengabe,
Verbände, Spritzen et cetera) zuständig. Doch wird das die Probleme in
der Altenpflege wirklich lösen? Wohl kaum. Befürchtungen, das Vorhaben
führe zu weiteren Zusatzbeiträgen, werden mit dem Versprechen
besänftigt, dass die künftig paritätisch finanziert werden sollen.
So viel zur Altenpflege. Doch wie sehen die GroKo-Pläne für die Krankenhäuser aus? Lange wurde moniert, dass die Fallpauschalen den Pflegeaufwand nicht einrechnen. Der Anreiz zur Einsparung von Pflegepersonal, der von diesem Verfahren ausging, war gewollt. Nun soll nach über 15 Jahren Kahlschlag gegengesteuert werden. Die Kostenträger und die Krankenhausbetreiber würden künftig gesondert über diese Beschäftigtengruppe auf der Basis einer Mindestbesetzung, über die man sich allerdings einigen muss, verhandeln. Da sich die Entlohnung und Arbeitsbedingungen (Arbeitszeit, körperlicher und mentaler Verschleiß) voraussichtlich nicht so bald wirklich verbessern werden, wird auch das Problem des Fachkräftemangels bleiben. In der Vergangenheit wurde genug ausgebildet. Das Problem war und ist die kurze Verweildauer der Pflegenden im Beruf.
Gedanken machten sich die Verhandler*innen auch über die Folgen des Kliniksterbens: die nicht mehr zu übersehende Unterversorgung (nicht nur) im ländlichen Raum. Diese Entwicklung war ebenfalls von Union und SPD seit den neunziger Jahren in schwarz-gelben und Großen Koalitionen bewusst herbeigeführt worden. Seit einiger Zeit soll mit steuerfinanzierten Strukturfonds der Länder gegengesteuert werden. Diese Fonds sollen verhindern, dass durch die Schließung nicht konkurrenzfähiger kleiner Häuser die öffentliche Hand ihren gesetzlichen Versorgungsauftrag verfehlt. Von Abwrack-Prämie ist in diesem Zusammenhang die Rede. Am Beispiel der angekündigten Schließung der Helios-Klinik in Bad Schwalbach im Taunus lässt sich beobachten, nach welchem Prinzip seit der ersten Privatisierungswelle und der darauf folgenden »Konsolidierungsphase« verfahren wird. Da sie für den Konzern nicht rentabel, für die Versorgung aber aus Sicht der Bürger*innen vor Ort notwendig ist, sieht sich das Land Hessen nach Protesten in der Region genötigt, entweder dem Konzern unter die Arme zu greifen – etwa für eine Umwandlung des alten Krankenhauses in ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) – oder aber eine Rekommunalisierung zu unterstützen beziehungsweise Verbundlösungen in der Region zu bezuschussen. Sollte Helios das unrentable Haus schließen, käme es nach der Privatisierung der Gewinne zu einer Sozialisierung der Verluste nach altbekanntem Muster. Unter einer Großen Koalition würde sich daran nichts ändern. Die Verhandler*innen stellen nur wolkig in Aussicht, etwas gegen die Ungleichheit der Versorgung unternehmen zu wollen.
Sollte die GroKo tatsächlich zustande kommen, wird das Gesundheitsministerium bei der CDU bleiben. Diese hat bereits unter Hermann Gröhe nicht nur die Konzernmedizin gewähren lassen, sondern auch Digitalisierung, Telematik und Telemedizin als Teil der Industrieförderung betrieben: elektronische Chipkarte als virtuelle Patientenakte, Telesprechstunde per Skype und Gesundheitsapps werden als Medizin der Zukunft gefördert. Bürgerversicherung hingegen darf nicht sein, die gesetzlichen Krankenkassen sollen mit privaten Versicherungen weiterhin konkurrieren, »der Markt« soll der Hauptakteur bleiben, nur bei »Marktversagen« wird abfedernd und je nach Kassenlage eingriffen.
Angela Merkel und der SPD wird jetzt vorgeworfen, es fehle ihnen an einer Vision für Deutschland, für »unser Land«, dem Andrea Nahles ebenso wie Merkel »dienen« wollen. »Zukunftsfähig« ist das Zauberwort. Das heißt: Exportweltmeister bleiben und diesem Ziel alles unterzuordnen. Dass für diese Art Zukunftsfähigkeit angesichts des Wettrüstens der Militäretat das Seine fordert, spielt in der Debatte um die »Sachfragen« keine Rolle. Auch die europapolitische »Vision« des zurückgetretenen Martin Schulz würde Finanzmittel binden. Und dies wohl nicht in erster Linie für die mittellosen und armen Bevölkerungsschichten der Peripherie.
Will man schon eine »Vision« für »das Land«, dann sollten wir offensiv jene zurückweisen, die Besteuerung der wirklich großen Vermögen, Umverteilung von oben nach unten, soziale Gerechtigkeit sowie die Forderung nach Senkung des Rüstungsetats als Nostalgie der ewig Gestrigen diffamieren. Dann wäre auch eine flächendeckende öffentliche Gesundheitsversorgung finanzierbar.
Die deutsche Wirtschafts- und Finanzpolitik hat seit den 1990er Jahren den Kurs geändert. Das in diesem Zusammenhang entstandene Gemisch aus privater Gesundheits- und Pflegeindustrie und öffentlichem Versorgungsauftrag bei gedeckelten Budgets funktioniert wie ein riesiger Tanker, dessen Kurs ohnehin nur schwer zu ändern ist. Aber niemand hat ja die Absicht, ihn umzusteuern. Der Gesundheitsversorgung und Pflege wäre nur zu helfen, wenn der Profitmacherei in diesem Sektor ein Riegel vorgeschoben würde. Damit haben die Versprechungen der GroKo-Befürworter allerdings nichts zu tun.
Womit wir wieder am Ausgangspunkt wären: Der angestrebten GroKo war nie das Ziel gesetzt, die proklamierte Zukunftsfähigkeit ernsthaft an der Lebenslage derer zu messen, die nicht über Vermögen oder ein hohes Einkommen verfügen. Sie sieht auch nicht vor, ein für alle zugängliches Gesundheitssystem zu schaffen, das der Profitmacherei zu Lasten von Kranken und Pflegebedürftigen ein Ende bereiten und die Arbeit für ausgebildete und ihrem Beruf aus Neigung verbundene Pflegende wieder attraktiv machen würde. Nahles, Merkel, Seehofer und tutti quanti versuchen, einige Minimalzugeständnisse und luftige Ankündigungen als eine Politik zu verkaufen, die den »kleinen Leuten« etwas bringt: Grundrente, eine nur zaghafte Eindämmung sachgrundloser Befristung von Arbeitsverhältnissen, immerhin Wiederherstellung der paritätischen Finanzierung auch der Krankenzusatzversicherung und eine äußerst kärgliche Berücksichtigung des Pflegebedarfs; alles so formuliert, dass es sich in der Realität leicht als Luftnummer erweisen kann. Das sind nicht etwa Schritte in eine grundsätzlich neue und bessere Richtung, sondern Reparaturen (und teilweise nur kosmetische) an einer seit Jahrzehnten fehlgesteuerten Gesundheitspolitik.
So viel zur Altenpflege. Doch wie sehen die GroKo-Pläne für die Krankenhäuser aus? Lange wurde moniert, dass die Fallpauschalen den Pflegeaufwand nicht einrechnen. Der Anreiz zur Einsparung von Pflegepersonal, der von diesem Verfahren ausging, war gewollt. Nun soll nach über 15 Jahren Kahlschlag gegengesteuert werden. Die Kostenträger und die Krankenhausbetreiber würden künftig gesondert über diese Beschäftigtengruppe auf der Basis einer Mindestbesetzung, über die man sich allerdings einigen muss, verhandeln. Da sich die Entlohnung und Arbeitsbedingungen (Arbeitszeit, körperlicher und mentaler Verschleiß) voraussichtlich nicht so bald wirklich verbessern werden, wird auch das Problem des Fachkräftemangels bleiben. In der Vergangenheit wurde genug ausgebildet. Das Problem war und ist die kurze Verweildauer der Pflegenden im Beruf.
Gedanken machten sich die Verhandler*innen auch über die Folgen des Kliniksterbens: die nicht mehr zu übersehende Unterversorgung (nicht nur) im ländlichen Raum. Diese Entwicklung war ebenfalls von Union und SPD seit den neunziger Jahren in schwarz-gelben und Großen Koalitionen bewusst herbeigeführt worden. Seit einiger Zeit soll mit steuerfinanzierten Strukturfonds der Länder gegengesteuert werden. Diese Fonds sollen verhindern, dass durch die Schließung nicht konkurrenzfähiger kleiner Häuser die öffentliche Hand ihren gesetzlichen Versorgungsauftrag verfehlt. Von Abwrack-Prämie ist in diesem Zusammenhang die Rede. Am Beispiel der angekündigten Schließung der Helios-Klinik in Bad Schwalbach im Taunus lässt sich beobachten, nach welchem Prinzip seit der ersten Privatisierungswelle und der darauf folgenden »Konsolidierungsphase« verfahren wird. Da sie für den Konzern nicht rentabel, für die Versorgung aber aus Sicht der Bürger*innen vor Ort notwendig ist, sieht sich das Land Hessen nach Protesten in der Region genötigt, entweder dem Konzern unter die Arme zu greifen – etwa für eine Umwandlung des alten Krankenhauses in ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) – oder aber eine Rekommunalisierung zu unterstützen beziehungsweise Verbundlösungen in der Region zu bezuschussen. Sollte Helios das unrentable Haus schließen, käme es nach der Privatisierung der Gewinne zu einer Sozialisierung der Verluste nach altbekanntem Muster. Unter einer Großen Koalition würde sich daran nichts ändern. Die Verhandler*innen stellen nur wolkig in Aussicht, etwas gegen die Ungleichheit der Versorgung unternehmen zu wollen.
Sollte die GroKo tatsächlich zustande kommen, wird das Gesundheitsministerium bei der CDU bleiben. Diese hat bereits unter Hermann Gröhe nicht nur die Konzernmedizin gewähren lassen, sondern auch Digitalisierung, Telematik und Telemedizin als Teil der Industrieförderung betrieben: elektronische Chipkarte als virtuelle Patientenakte, Telesprechstunde per Skype und Gesundheitsapps werden als Medizin der Zukunft gefördert. Bürgerversicherung hingegen darf nicht sein, die gesetzlichen Krankenkassen sollen mit privaten Versicherungen weiterhin konkurrieren, »der Markt« soll der Hauptakteur bleiben, nur bei »Marktversagen« wird abfedernd und je nach Kassenlage eingriffen.
Angela Merkel und der SPD wird jetzt vorgeworfen, es fehle ihnen an einer Vision für Deutschland, für »unser Land«, dem Andrea Nahles ebenso wie Merkel »dienen« wollen. »Zukunftsfähig« ist das Zauberwort. Das heißt: Exportweltmeister bleiben und diesem Ziel alles unterzuordnen. Dass für diese Art Zukunftsfähigkeit angesichts des Wettrüstens der Militäretat das Seine fordert, spielt in der Debatte um die »Sachfragen« keine Rolle. Auch die europapolitische »Vision« des zurückgetretenen Martin Schulz würde Finanzmittel binden. Und dies wohl nicht in erster Linie für die mittellosen und armen Bevölkerungsschichten der Peripherie.
Will man schon eine »Vision« für »das Land«, dann sollten wir offensiv jene zurückweisen, die Besteuerung der wirklich großen Vermögen, Umverteilung von oben nach unten, soziale Gerechtigkeit sowie die Forderung nach Senkung des Rüstungsetats als Nostalgie der ewig Gestrigen diffamieren. Dann wäre auch eine flächendeckende öffentliche Gesundheitsversorgung finanzierbar.
Die deutsche Wirtschafts- und Finanzpolitik hat seit den 1990er Jahren den Kurs geändert. Das in diesem Zusammenhang entstandene Gemisch aus privater Gesundheits- und Pflegeindustrie und öffentlichem Versorgungsauftrag bei gedeckelten Budgets funktioniert wie ein riesiger Tanker, dessen Kurs ohnehin nur schwer zu ändern ist. Aber niemand hat ja die Absicht, ihn umzusteuern. Der Gesundheitsversorgung und Pflege wäre nur zu helfen, wenn der Profitmacherei in diesem Sektor ein Riegel vorgeschoben würde. Damit haben die Versprechungen der GroKo-Befürworter allerdings nichts zu tun.
Womit wir wieder am Ausgangspunkt wären: Der angestrebten GroKo war nie das Ziel gesetzt, die proklamierte Zukunftsfähigkeit ernsthaft an der Lebenslage derer zu messen, die nicht über Vermögen oder ein hohes Einkommen verfügen. Sie sieht auch nicht vor, ein für alle zugängliches Gesundheitssystem zu schaffen, das der Profitmacherei zu Lasten von Kranken und Pflegebedürftigen ein Ende bereiten und die Arbeit für ausgebildete und ihrem Beruf aus Neigung verbundene Pflegende wieder attraktiv machen würde. Nahles, Merkel, Seehofer und tutti quanti versuchen, einige Minimalzugeständnisse und luftige Ankündigungen als eine Politik zu verkaufen, die den »kleinen Leuten« etwas bringt: Grundrente, eine nur zaghafte Eindämmung sachgrundloser Befristung von Arbeitsverhältnissen, immerhin Wiederherstellung der paritätischen Finanzierung auch der Krankenzusatzversicherung und eine äußerst kärgliche Berücksichtigung des Pflegebedarfs; alles so formuliert, dass es sich in der Realität leicht als Luftnummer erweisen kann. Das sind nicht etwa Schritte in eine grundsätzlich neue und bessere Richtung, sondern Reparaturen (und teilweise nur kosmetische) an einer seit Jahrzehnten fehlgesteuerten Gesundheitspolitik.
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