Sparpolitik regiert auch in der Museumspolitik, deren großartige Oberfläche stellenweise nur aus ganz dünnem Eis besteht.
Klimt und Schiele satt – das dürfen Wiens Besucher im 100. Todesjahr der beiden Malergiganten erwarten. Das Obere Belvedere bot schon etliche Highlights, darunter Klimts »Kuss«. Aufregender war es im Unteren Belvedere, wo die Ausstellung »Wien – Zagreb« furiosen Jugendstil aus der um 1900 nach Selbständigkeit strebenden k. u. k. Provinz Kroatien präsentierte.
Das in einem modernen weißen Quader untergebrachte Leopold-Museum zeigte im unteren Stockwerk »Wien um 1900«: neben Klimt auch Werke unter anderem von Koloman Moser, Oskar Kokoschka und Richard Gerstl. Aber wirklich atemberaubend war in der oberen Etage die exklusive Begegnung mit Schiele, dessen größte Sammlung im Besitz der Leopold Museum-Privatstiftung ist. Dieses Genie, das mit 28 Jahren an der Spanischen Grippe zugrunde ging, war mit seinem zitternden Strich dem Jugendstil kaum noch verhaftet, hatte sich von allem von dessen dekorativen Bestrebungen entfernt und gilt daher als Expressionist. Unerbittlich ist Schiele in der Darstellung materieller und psychischer Verelendung sowie der Unbedingtheit der Sexualität.
Die ermüdete Touristin beschloss, ihr Abendbrot gleich im Café Leopold einzunehmen, das in einer Zwischenetage liegt. Weil man es nur nach Vorlage der Eintrittskarte betreten darf, kam es ihr gar nicht in den Sinn, dass sie zehn Minuten nach achtzehn Uhr nicht mehr in die Garderobe des Museums gelangen könnte, wo sie ihren Mantel einem Schließfach anvertraut hatte. Aber der Übergang war jetzt verrammelt und verriegelt. Die Angestellten der Lokalität wiesen den Öffnungswunsch erschrockenen Blicks zurück und erklärten, dass ihr Café unabhängig vom Museum sei und nach dessen Schließung keine Möglichkeit bestünde, dorthin zurückzukommen. Jetzt fiel der Touristin auf, dass andere Besucher ihre Mäntel im Café aufgehängt hatten! Sie aber wurde auf Außentreppen verwiesen, um über den Haupteingang des Museums an ihren Mantel zu kommen.
Auf diesen Außentreppen bekam sie schon einen Vorgeschmack auf das, was ihr bevorstand, wenn das jetzt nicht klappte. Zum Glück war die Winterluft mild, wind- und regenfrei. Aber es war eben doch Winterluft.
Haupteingang – schon geschlossen! Niemand von der Belegschaft wuselte mehr hinter der großen Glaswand. Aber links gab es einen Alarmknopf des Sicherheitsdienstes. Den durfte sie in ihrer Not wohl mal drücken!
Lichtsignale. Aber es kommt niemand.
Zurück – die Stiegen empor zum Café. Die Touristin kommuniziert stärkere Panik. Ein asiatischer Angestellter begleitet sie nun zu einem Außenfahrstuhl und erklärt, wie sie direkt zum Sicherheitsdienst kommt. Dort ebenfalls eine Glaswand. Dahinter ein eleganter älterer Herr, schon im Mantel, sowie ein Uniformierter. Sie pocht heftig, die Männer treten heraus. Der Touristin wird schnöde mitgeteilt, dass es keine Möglichkeit gäbe, die Sicherheitssysteme außer Kraft zu setzen. Auch stünde in der Nähe der Schließfächer die Warnung, dass man sie vor 18 Uhr leeren müsse. Das war ihr nicht ins Auge gefallen.
»Aber Sie können mich doch nicht so ohne Mantel hier stehen lassen?« flehte die Touristin. Schulterzucken. Dann eine Erklärung, dass der Zugang zu den Schließfächern erst morgen um 10 Uhr möglich sei, nach der regulären Öffnung. Der Arbeitstag der Männer war vorbei, sie entschwanden in der milden Winterluft. Der fassungslosen Touristin war plötzlich schleierhaft, wieso sie die Männer nicht verpflichtet hatte, sie in ihr Hotel zu fahren oder ihr wenigstens ein Taxi zu bestellen.
Allein und in ihrer leichten Kleidung fielen ihr dramatische Geschichten um prekären Mantelbesitz ein: der heilige Martin, der einem Armen die Hälfte seines Umhangs gab; Gogols Beamter, der sein einziges Gut – einen warmen Mantel – bis in den Tod verteidigte, und schließlich Brechts Kampf um seinen alten, schäbigen amerikanischen Mantel, den Helene Weigel ersetzen und deshalb in den Ofen stecken wollte.
Glück im Unglück: Das Hotel lag nur zwanzig Minuten entfernt. Am Sonntagabend war es nicht möglich, in irgendein Geschäft zu stürmen und etwas Wärmendes zu ergattern. Die Touristin lief also mantelfrei über den Naschmarkt. Mit schnellem Schritt könnte sie eine vollständige Unterkühlung vielleicht vermeiden. Aber da ihr Flugzeug am nächsten Morgen um 10.40 Uhr startete, müsste sie wohl ohne den geliebten Mantel, das Tuch, das Hütchen heimkehren.
Würde sich der Rezeptionist wundern, wenn sie mantellos den Zimmerschlüssel verlangte? Er wunderte sich nicht.
Im Zimmer kam sie nicht ganz, aber ein wenig zur Besinnung. Sie rief den Freund an, der sie zum Flugplatz fahren wollte. Ob man nicht gegen 8.30 Uhr versuchen könne, eine mitleidige Seele hinter der Glaswand des Eingangsbereichs zu finden? Dort müssten doch schon Reinigungskräfte zu Gange sein.
Und so war es dann auch. Zwei Putzfrauen sahen die mit dem Schließfachschlüssel gestikulierende Touristin, traten an die Glaswand, verstanden, und eine von beiden rief so laut, dass man es durch die Glaswand hörte: Das Öffnen war auch jetzt dem Sicherheitsdienst vorbehalten. Dort traf die Touristin nun auf einen verständnisvollen Herrn, der sie sofort durch die Verliese des Museums führte und eigenhändig ihr Schließfach öffnete. Auch äußerte er Bedauern, dass im Funktionsgefüge des Hauses etwas nicht in Ordnung sei.
Was – ist schwer zu sagen. Aber das radikale E
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