Montag, 12. März 2018

Faria fariaho? (Renate Hennecke)


»Lustig ist das Zigeunerleheben, faria, fariaho, brauchen dem Kaiser kein Zins zu geheben, faria fariaho ...« Das Lied vom lustigen Zigeunerleben gehört laut oberbayerischem Volksmusikarchiv zu den zwölf bekanntesten deutschen Liedern. Unterhaltungskünstler, die die Gäste fröhlicher Geburtstagspartys und sonstiger Familienfeiern bespaßen, führen es in ihrem Standardrepertoire. Die Gäste singen in der Regel lauthals mit, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden, was sie da von sich geben. Mal abgesehen von der diskriminierenden Bezeichnung »Zigeuner«: Wie lustig war denn das Leben »im grünen Wald«, ausgeschlossen von der Gesellschaft, immer wieder verjagt aus den Städten? Wie lustig ist die Erinnerung an die zahlreichen Familienangehörigen, die dem Völkermord der Nazis zum Opfer fielen? Wie lustig ist es, aus Angst vor Pöbeleien und Angriffen die eigene ethnische Zugehörigkeit zu verheimlichen? Wie viel Spaß macht es, immer wieder die teils herabwürdigenden, teils romantisierenden Klischees über die eigene Gruppe zu hören?

Trotz mancher Erfolge der Bürgerrechtsbewegung wird das Problem des Antiziganismus noch immer weitgehend ignoriert. Angriffe gegen Sinti und/oder Roma werden häufig gar nicht wahrgenommen. So fehlt beispielsweise in fast allen Berichten über den rassistischen Anschlag von München, bei dem am 22. Juli 2016 neun Personen getötet und zahlreiche weitere verletzt wurden, jeder Hinweis, dass unter den Getöteten zwei deutsche Sinti und ein Rom aus Kosovo waren. Auch erfuhr man weder aus der Tagesschau noch aus den überregionalen Zeitungen, dass kürzlich in der sächsischen Stadt Plauen innerhalb von fünf Wochen – am 29. Dezember 2017 und am 5. Februar 2018 – zwei Häuser brannten, in denen hauptsächlich Roma-Familien wohnten. Von dem zweiten Brand waren auch Familien betroffen, die nach dem ersten Brand eine Notunterkunft in dem anderen Haus gefunden hatten. Es gab zwei Tote und insgesamt dreiundzwanzig zum Teil schwer Verletzte, darunter etliche Kinder. Wie die antirassistische Plattform Belltower.News berichtete, halfen einige Plauener engagiert bei der Rettung der Bewohner und der Betreuung der obdachlos Gewordenen. Andere dagegen standen gaffend an der Straße, griffen die Helfer an. Manche riefen: »Lasst die doch verbrennen!« oder auch: »Sieg Heil!« Kein Thema für die Medien. In diesem Fall blieb es dem Zentralrat Deutscher Sinti und Roma vorbehalten, öffentlich zu reagieren. In einer Pressemitteilung forderte er die Ermittlungsbehörden und das Landeskriminalamt auf, umfassend zu ermitteln und vor allem den potentiell rassistischen Hintergrund der Brände nicht zu ignorieren: »Jene, die in menschenverachtender Manier skandierten, man möge die Menschen im Haus verbrennen lassen, müssen sich vor Gericht verantworten. Unser demokratischer Rechtsstaat muss seinen Feinden die Konsequenzen ihres Handelns aufzeigen. Dem Brandanschlag könnte auch ein rassistisches Motiv zugrunde liegen. Dies gilt es zu untersuchen.«

Fazit von Belltower.News: »Die Vorfälle in Plauen zeigen einmal mehr extrem, aber exemplarisch, die Herabwürdigung, mit der viele Roma auch heute immer noch in Deutschland behandelt werden.« Und: »Das Umfeld, das seine Nachbarn verbrennen sehen will, muss als das bezeichnet werden, was es ist: antiziganistisch und rassistisch.«

Vertreter der Bürgerrechtsbewegung der Sinti und Roma beklagen, dass auch in den Reden und Publikationen von Antifaschisten neben dem notwendigen Kampf gegen Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit der Kampf gegen den Antiziganismus häufig nicht ausdrücklich als notwendige Aufgabe benannt wird.


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