Montag, 12. März 2018

Analyse der Restauration des Kapitalismus in der sozialistischen Sowjetunion

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Vorbemerkung
Wir führen seit längerer Zeit eine intensive Auseinandersetzung mit Bolşevik Partizan über die Ursachen der Restauration des Kapitalismus in den ehemals sozialistischen Ländern. Im Rahmen einer ersten intensiven Schulung haben wir gemeinsam den Abschnitt „Die sozialistische Produktionsweise“ des Lehrbuchs „Politische Ökonomie“ debattiert. Wir veröffentlichen hier die Ergebnisse. Ein/e GenossIn referierte anhand des jeweiligen Kapitels des Lehrbuches, die in den bisherigen Diskussionen in unseren Organisationen festgestellten Probleme, Kritiken und Fragestellungen. Zu diesen Vorträgen wurden weitergehende Fragen aufgeworfen und Diskussionsbeiträge gemacht. Im folgenden Text beziehen sich die Jahresangaben zu den unterschiedlichen Ausgaben des Lehrbuchs der Politischen Ökonomie auf das russische Original.

  Teil XII Analyse der Restauration des Kapitalismus in der sozialistischen Sowjetunion - Was tun im Sozialismus?


Lehrbuch:
Dritter Abschnitt –
Die sozialistische
Produktionsweise



Schlussfolgerungen



Referent

Am Ende des Lehrbuches der Politischen Ökonomie wird in dem Kapitel Schlussfolgerungen die Entwicklung der Wissenschaft der politischen Ökonomie und insbesondere der marxistischen politischen Ökonomie referiert. Dieser Darlegung werden zunächst die Verdienste von Marx und Engels vorangestellt:
„Marx und Engels analysierten wissenschaftlich die Grundlagen des Kapitalismus als historische vergängliche Produktionsweise und enthüllten die ökonomischen Gesetze seiner Entstehung, Entwicklung und seines Untergangs.“ (S. 699)
Anhand bedeutender Werke von Marx und Engels werden ihre zentralen Schlussfolgerungen für die Analyse der kapitalistischen Gesellschaft sowie die Strategie und Taktik der ArbeiterInnenbewegung vorgestellt. Das ist zutreffend wiedergegeben. Allerdings fehlt der Hinweis, dass die marxistische Lehre von der politischen Ökonomie natürlich auch auf bisherigen Erkenntnissen dieser Wissenschaft beruht und sie in kritischer Auseinandersetzung an zentralen Punkten revidiert, bzw. weiterentwickelt. Z.B. die Lehre vom Mehrwert – die bereits vor dem Marxismus aufgestellt wurde.
Entscheidend bei der Analyse von Marx/Engels war, sie haben die klassenmäßige Herangehensweise der bisherigen bürgerlichen Wissenschaftler entlarvt. Jede soziale Wissenschaft geht von den Interessen einer bestimmten Schicht oder Klasse aus. Darüber werden Wissenschaftsinhalte definiert und entwickelt, die für diese Klasse von Vorteil sind. Damit werden im Prinzip die Interessen einer bestimmten Klasse als Wissenschaft formuliert.
Marx und Engels haben offensiv den Klassenstandpunkt ihrer Analyse, ihren Ausgangspunkt, die Interessen einer bestimmten Klasse – des modernen Proletariats – in den sozialen Wissenschaften deklariert. Was sie und die MarxistInnen-LeninistInnen von den bisherigen Wissenschaftlern grundlegend unterscheidet, ist die Erkenntnis, die wir offen aussprechen: In der modernen Gesellschaft ist das ureigene Interesse dieser Klasse tatsächlich die Aufhebung aller Klassen. Und damit wird sie sich selbst auch als Klasse aufheben.
Als erste Voraussetzung muss natürlich die herrschende Klasse und ihr Machtapparat zerschlagen werden. Die ganze menschliche Gesellschaft, deren Geschichte wir auf Grundlage schriftlicher Dokumente kennen, war eine Klassengesellschaft. 1 In dieser hat das Privateigentum – in welcher Form auch immer – an Produktionsmitteln geherrscht, und die Eigentümer dieser Produktionsmittel konnten die Masse der Bevölkerung ausbeuten – in welcher Form auch immer.
Diese Ausbeutungsverhältnisse haben sich in der modernen Gesellschaft so weit entwickelt, dass eine Klasse entstanden ist, die imstande ist, die Ausbeutungsgesellschaft überhaupt aus der Welt zu schaffen. Ihre Befreiung wird die Befreiung aller Gesellschaften, aller menschlichen Gesellschaft von der Ausbeutung überhaupt sein.
Insofern, wenn wir die Interessen dieser Klasse in den Mittelpunkt stellen und darauf die Sozialwissenschaft begründen, ist die Wissenschaft von Marx und Engels im Prinzip die einzige moderne und der Menschheit insgesamt dienende Wissenschaft.
Sozialwissenschaften, die nicht die Interessen einer Klasse in den Mittelpunkt und/oder zum Ausgangspunkt nehmen, gibt es nicht. In einer Klassengesellschaft sind die Sozialwissenschaften nicht neutral und können es auch nicht sein. Dieser Punkt wird klar im Lehrbuch hervorgehoben. Nicht neutral zu sein, heißt nicht, dass wir nicht von Tatsachen ausgehen bzw. einfach welche erfinden, die uns ins Konzept passen. Wissenschaft ist keine Propaganda.
Marxistische Wissenschaft geht tatsächlich strikt von der Wirklichkeit, der Realität, aus, so wie sie ist, um sie zu ergründen und tiefer zu erforschen. Nur so kann sie aus den Analysen die Wirkungsgesetzmäßigkeit aufspüren, Strategien und Lösungen ausarbeiten, um diese Wirklichkeit überhaupt zu verändern.
Die politische Ökonomie des Marxismus als Wissenschaft hat sich praktisch basierend auf den Gesetzmäßigkeiten und Fakten der Gesellschaft, die existiert haben, immer weiter entwickelt. Marx und Engels haben den Kapitalismus in seiner damaligen Form, der Epoche der freien Konkurrenz, untersucht. In dieser Epoche hatte der Kapitalismus bereits teilweise begonnen, Monopole heraus zu bilden.
Bereits damals haben Marx und Engels die Entwicklungstendenzen aufgezeigt, die der Kapitalismus nehmen wird – falls er nicht durch Revolutionen abgeschafft werden sollte. Sie haben sich zum Großteil bis heute auch so manifestiert, nicht mehr aber auch nicht weniger.
Mehr war für sie auch nicht möglich theoretisch zu erfassen. Das Zentralste in der Theorie und Praxis des Marxismus von Marx und Engels, wie es auch richtig in den Schlussfolgerungen heißt, ist:
„Das Wichtigste im Marxismus ist die Lehre von der Diktatur des Proletariats als Staat von neuem Typus, der bei der revolutionären Umgestaltung der Gesellschaft die entscheidende Rolle spielt. Marx und Engels entwarfen ein Programm der wichtigsten Maßnahmen, die die Diktatur des Proletariats zu verwirklichen hat (...)
Marx und Engels sahen voraus, daß in der sozialistischen Gesellschaft die Anarchie der Produktion durch eine planmäßige Entwicklung der gesellschaftlichen Wirtschaft abgelöst und das Prinzip der Verteilung nach Arbeitsleistung verwirklicht wird.
Nur mit der weiteren schnellen Entwicklung der Produktivkräfte, mit dem wachsenden Überfluß an Produkten, mit der Beseitigung der wesentlichen Unterschiede zwischen Stadt und Land sowie zwischen geistiger und körperlicher Arbeit und mit der Verwandlung der Arbeit in das erste Lebensbedürfnis des Menschen wird sich der Übergang von der niederen zur höheren Phase des Kommunismus vollziehen, in der das Prinzip herrscht:
‚Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen‘.“
(S. 699/700)
Das ist eine teilweise richtige, zutreffende Wiedergabe der Ideen von Marx und Engels. Allerdings mit Abstrichen. So wird beispielsweise ihre prinzipielle Einschränkung, dass im Sozialismus beim Prinzip der Verteilung nach Arbeitsleistung nach wie vor bürgerliches Recht herrscht, nicht berücksichtig und angeführt. Es ist noch nicht der vollendete Sozialismus oder Kommunismus – sondern es existieren noch bürgerliche Strukturen. Marx und Engels sahen diese niedere Form des Kommunismus noch stark behaftet mit den Muttermalen der alten Gesellschaft. Also, sie haben nicht nur das Prinzip der gerechten Verteilung nach Leistung als Fortschritt propagiert, sondern sie haben gleichzeitig das Bewusstsein dafür geschärft, dass auch dieses Prinzip noch entsprechend bürgerlicher Normen funktioniert. Diese Widersprüche und ihre dialektische Entwicklung werden bei den Schlussfolgerungen einfach umgangen, bzw. unter den Teppich gekehrt. Damit wird letztlich die Möglichkeit jeglicher Rückentwicklung und Restauration des Kapitalismus im Bewusstsein der werktätigen Massen ausgeschlossen und sie werden eingelullt. Zentral ist natürlich: Ohne die Diktatur des Proletariats in der Übergangsgesellschaft werden wir nie und nimmer zum Sozialismus und zum Kommunismus kommen. Das ist das Wesen der Lehre von Marx und Engels. Auch als Lenin diskutiert, was unterscheidet den Marxismus vom Nicht-Marxismus und Opportunismus, nennt er als zentrale Trennlinie die Diktatur des Proletariats und nichts anderes. Das ist für unsere Diskussion sehr wichtig. Die erste Frage, ob ein Land sozialistisch ist oder nicht, ist die Frage, wie ist die Macht aufgeteilt. Ist das eine Diktatur des Proletariats oder nicht. Ohne Diktatur des Proletariats vom Sozialismus zu reden, ist falsch. Im Lehrbuch wird wie folgt zu Lenin übergegangen:
„Lenin entwickelte die marxistische politische Ökonomie weiter und bereicherte sie durch die wissenschaftliche Erforschung des monopolistischen Stadiums des Kapitalismus – des Imperialismus und der allgemeinen Krise des Kapitalismus. Das wichtigste Ergebnis dieser Untersuchung war die neue, abgeschlossene Theorie der sozialistischen Revolution, die Theorie von der Möglichkeit des Sieges des Sozialismus in einem Lande.“ (S. 700)
Das ist wiederum sehr wichtig aber gleichzeitig auch sehr verkürzt. So z.B. die Frage der „allgemeinen Krise“. Was wird unter der allgemeinen Krise des Kapitalismus in den 1930er, 1940er Jahren verstanden?
Die allgemeine Krise, von der Lenin spricht, geht von der Erkenntnis aus, dass in der monopolistischen Phase des Kapitalismus – in der Phase des Imperialismus, in den Ländern, in denen der Kapitalismus sich entwickelt hat – dieser seine revolutionäre und revolutionierende Rolle verloren hat. Das ist die allgemeine Krise des Kapitalismus. Der monopolistische Kapitalismus, der Imperialismus ist der sterbende Kapitalismus. Die Produktionsverhältnisse führen dazu, dass die Produktion nicht unbegrenzt und immer weiter vorwärts getrieben werden kann. Das war zwar zu Beginn des Kapitalismus möglich, aber der monopolistische Kapitalismus, also die monopolistischen Produktionsverhältnisse bzw. die Eigentumsverhältnisse sind selbst ein Hindernis für die ungebremste Entwicklung der Produktivkräfte geworden. Das versteht Lenin unter der allgemeinen Krise. Das Lehrbuch der Politischen Ökonomie hat ein anderes Verständnis von der allgemeinen Krise des Kapitalismus und müsste dieses im Gegensatz zur Position von Lenin auch begründen, insbesondere wenn darin davon gesprochen wird, Lenin hätte diese Theorie entwickelt.
In der heutigen politischen Diskussion spielt das richtige bzw. falsche Verständnis der allgemeinen Krise des Kapitalismus eine herausragende Rolle.
Die Theorie der sozialistischen Revolution, die Theorie von der Möglichkeit des Sieges des Sozialismus in einem Lande ist bei Lenin keine abgeschlossene Theorie. Lenin sagt, das ist möglich. Aber die Theorie entwickelt sich ja. Es ist nicht so, die MarxistInnen-LeninistInnen setzen sich hin und schreiben die Theorie und messen dann die Wirklichkeit an dieser Theorie. Das ist keine wissenschaftliche Herangehensweise. Bei der Frage des Aufbaus des Sozialismus in einem Lande – ob dieser möglich war oder nicht – da hat Lenin gesagt, ja, die Entwicklungen zeigen, dass das möglich sein könnte und wir versuchen es. Er hat gleichzeitig festgestellt, wir werden es nicht schaffen, wenn in anderen Ländern die Revolution uns nicht zu Hilfe kommt, vor allem in Westeuropa. Das ist also die Leninsche Theorie vom Sieg des Sozialismus in einem Land.
In der Sowjetunion war die historische Situation da, und es kam aber keine Hilfe durch siegreiche Revolutionen in anderen Ländern. Was tun?
Da agieren KommunistInnen und tun das, was machbar ist – sie verharren nicht und warten ab, sondern sie wagen den Versuch. Auf der Grundlage dieses Versuchs werden die Erfahrungen verallgemeinert. So entwickelt sich die Theorie.
Es gibt keine fertige Theorie des Aufbaus des Sozialismus in einem Lande. Durch die Erfahrungen werden neue Erkenntnisse gewonnen, die Praxis zeigt neue, andere Wege auf, Fehler werden gemacht, alte Wege werden verworfen und neue gesucht. Dadurch wird die Theorie entwickelt. Es gibt auch keine fertige Theorie, kein Rezept für den Kommunismus, weil der Kommunismus bislang nirgendwo auf der Welt verwirklicht wurde. Daher kann es auch keine ausgearbeitete Theorie geben.
Natürlich haben die KommunistInnen Vorstellungen, prinzipielle Voraussetzungen und Aufgaben, langfristige Strategien aus den bisherigen Erfahrungen des Klassenkampfes gezogen. Allgemein können wir angeben, welche langfristige Entwicklungsrichtung der Aufbau annehmen wird. Dann im Klassenkampf kämpfen die Proletarier und Werktätige geleitet von der Kommunistischen Partei und machen wiederum neue Erfahrungen und so weiter ... Die ausgearbeitete Marxsche Theorie des nicht monopolistischen Kapitalismus ist auf der Grundlage des Studiums der ökonomischen und sozialen Gesetzmäßigkeiten seiner dreihundert- bis vierhundertjährigen Geschichte des Kapitalismus verfasst worden. Als er über den Kapitalismus etc. forschte, existierte er. Aber der Sozialismus existierte in keinem Land. Es gab eine einzige Erfahrung, welche Gestalt die Diktatur des Proletariats annehmen könnte, nur die 71 Tage Erfahrungen der Pariser Kommune – nichts anderes.
Insofern konnte es keine fertige Theorie geben. Auch 1921 nicht. „Wir formulieren, wie es sein soll“ und nicht wie es ist – das ist hingegen das Theorieverständnis im Lehrbuchs. Und das ist idealistisch.
Dann wird über Lenin behauptet: „Durch die Verallgemeinerung der Praxis des sozialistischen Aufbaus erarbeitete Lenin die Ausgangsthesen des ökonomischen Grundgesetzes des Sozialismus, des Gesetzes der planmäßigen Entwicklung der Volkswirtschaft und anderer Gesetze.
[Referent: Hier muss bewusst sein, die Praxis des sozialistischen Aufbaus war sehr eng begrenzt. 1917 siegte die Oktoberrevolution und Lenin starb bereits 1924. Aber das waren nur Erfahrungen über die Anfänge des Weges zum Sozialismus. Der Kriegskommunismus war eine notwendige erste Phase, die sie, um überhaupt an der Macht zu bleiben, durchsetzen mussten. Also, sie konnten nicht sofort mit dem sozialistischen Aufbau beginnen. Dann mussten sie vom Kriegskommunismus zurückgehen und einen Weg finden, um überhaupt vielleicht vorwärts zu kommen, um überhaupt zu überleben. Das war die Neue Ökonomische Politik (NÖP).
Und nach Lenin ist die NÖP weder Kapitalismus noch Sozialismus. Von beidem trägt sie Elemente in sich, wobei im Prinzip die Elemente des Kapitalismus überwiegen. Auch starke feudale Überreste existieren noch weiter. Und dann wird hier gesagt „durch die Verallgemeinerung der Praxis des sozialistischen Aufbaus erarbeitete Lenin die Ausgangsthesen...“. Das ist das komische Verständnis, wie die VerfasserInnen an Lenin und an die Theorie herangehen. Das ist aber nicht Lenin, das sind die VerfasserInnen dieses Lehrbuchs].
Er bestimmte die Grundprinzipien der sozialistischen Wirtschaftsführung, deckte die Bedeutung des Prinzips der materiellen Interessiertheit an der Steigerung der sozialistischen Produktion auf und entwickelte die marxistische These von der Verteilung nach Arbeitsleistung im Sozialismus, vom Arbeitslohn usw. schöpferisch weiter.“ (S. 701)
Das ist auch sehr verkürzt. Lenin hat zum Beispiel ganz klar festgestellt, das einzige, was wir in der Arbeitswelt haben, was wir kommunistisch nennen können und was wir entwickeln müssen, sind die Subbotniks. Freiwillige Arbeit für den Sozialismus – das ist das Kommunistische. Das ist das einzige, was es bei uns gibt, was wir kommunistisch nennen können. Ein Lehrbuch der politischen Ökonomie müsste gerade diesen Grundgedanken Lenins hervorheben und unterstreichen. Aber im Lehrbuch wird das Prinzip der materiellen Interessiertheit herausgestrichen. Natürlich hat Lenin das auch gesagt. Aber in welchem Zusammenhang? Nicht als ein Grundprinzip in der sozialistischen Produktion sondern als unausweichliche objektive Notwendigkeit: Wir können nicht anders vorgehen, als die materielle Interessiertheit der Werktätigen als Hebel zu benutzen. Was er wollte und als politisch-ideologisches Ziel anstrebte, das waren die Subbotniks.
Dann geht das Lehrbuch auf die Beiträge Stalins zur Lehre der Politischen Ökonomie wie folgt ein:
„Gestützt auf die Arbeiten der Schöpfer einer wahrhaft wissenschaftlichen politischen Ökonomie, auf die Werke von Marx, Engels und Lenin, stellte Stalin eine Reihe neuer Thesen der ökonomischen Wissenschaft auf und entwickelte sie. In den Arbeiten Stalins wird der moderne monopolistische Kapitalismus analysiert und die allgemeine Krise des kapitalistischen Systems behandelt, die eine allumfassende Krise des Kapitalismus darstellt, welche sowohl die Wirtschaft als auch die Politik ergreift.“
(...) „formulierte Stalin das ökonomische Grundgesetz des Sozialismus und das Gesetz der planmäßigen, proportionalen Entwicklung der Volkswirtschaft. (...) Stalin entwickelte die marxistisch-leninistischen Leitsätze vom Übergang vom Sozialismus zum Kommunismus weiter und konkretisierte sie: den Leitsatz vom Staat im Kommunismus, von der Aufhebung der wesentlichen Unterschiede zwischen Stadt und Land sowie zwischen körperlicher und geistiger Arbeit.“
(S. 702-703, Hervh. TA)
Welchen Kernpunkt führen die VerfasserInnen bei Stalin als zentral in der Ökonomie im Sozialismus an? Den angeblichen „Leitsatz vom Staat im Kommunismus“. Das ist ein Paradoxon an sich. In einer bestimmten Diskussion macht Stalin eine Bemerkung und diese wird fälschlicherweise zu einem Prinzip überhöht. Auf diesen Widerspruch machen manche KritikerInnen aufmerksam und stellen die Frage: Wir sagen, wir gehen zum Kommunismus über und gleichzeitig fordern wir aber der Staat muss verstärkt werden. Wie geht denn das? Das widerspricht sich selbst!
Darauf antwortet Stalin: GenossInnen, als Marx und Engels davon ausgegangen sind, dass der Staat abstirbt, wenn wir vom Sozialismus zum Kommunismus weitergehen, da sind sie von einer gleichzeitigen internationalen Revolution in den kapitalistisch ent­wickelten Ländern ausgegangen.
Da ist es ganz klar, je weiter wir gehen, desto mehr stirbt der Staat ab. So ist es aber nicht in Sowjetrussland gekommen.
Wir existieren als einziger sozialistischer Staat, wir bauen den Sozialismus auf und allmählich gehen wir jetzt zum Kommunismus über. Aber um unser Land herum sind wir von Feinden umzingelt, also können wir den Staat nicht absterben lassen.
Im Gegenteil, wir müssen diesen Staat gegen diese Feinde verteidigen und schützen. Das ist die Diskussion, die Stalin führt.
Was wird daraus gemacht? „Im Kommunismus stirbt der Saat nicht ab – Staat im Kommunismus das ist kein Paradox.“ Das heißt eine Diskussion, wo unserer Meinung nach eine richtige Sache dargelegt wird, die aber nicht ganz korrekt ist, wird zur Lehre der politischen Ökonomie des Sozialismus und des Marxismus erklärt. Das geht nicht. Da hätte von vorneherein gesagt werden müssen, „wir sind noch nicht kommunistisch und es ist nicht möglich den Kommunismus in einem Land“ aufzubauen.
Weiter heißt es im Lehrbuch: „Die marxistisch-leninistische politische Ökonomie wird durch die Verallgemeinerung der Praxis der kommunistischen Aufbaus in der UdSSR und des Aufbaus des Sozialismus in den volksdemokratischen Ländern weiterentwickelt.“ (S. 703)
Also, in der Sowjetunion wird der Kommunismus aufgebaut, und in den volksdemokratischen Ländern wird der Sozialismus aufgebaut, und die Lehren der politischen Ökonomie werden verallgemeinert. Die Erfahrungen werden verallgemeinert zu einer Wissenschaft. Wir haben in der ganzen bisherigen Diskussion gesagt, vom Aufbau des Kommunismus in der UdSSR 1937/1938 zu reden, war falsch. Ebenso war es in den osteuropäischen Ländern und der DDR falsch, 1953 vom Aufbau des Sozialismus unter der Diktatur der Volksdemokratie zu sprechen. Man kann natürlich sagen, es gibt sozialistische Elemente oder es gibt kommunistische Elemente wie Subbotniks etc., aber vom Aufbau des Sozialismus oder gar Aufbau des Kommunismus zu reden, ist falsch.
Insofern werden bestimmte konkrete Bedingungen verallgemeinert als Bestandteil der Lehre der marxistischen politischen Ökonomie, die fehlerhaft sind. Dann wird folgendes gesagt:
Die marxistisch-leninistische politische Ökonomie als überaus wichtiger Bestandteil des Marxismus-Leninismus ist eine mächtige ideologische Waffe des Proletariats in seinem Kampf gegen den Kapitalismus und für den Sozialismus.
Sie ist eine wahrhaft wissenschaftliche politische Ökonomie, weil sie die Interessen der Arbeiterklasse und aller fortschrittlichen Kräfte der Menschheit zum Ausdruck bringt, die an einer objektiven Erforschung der ökonomischen Entwicklungsgesetze der Gesellschaft interessiert sind, jeder Gesetze, die mit Notwendigkeit zum Untergang des Kapitalismus und zum Sieg des Kommunismus führen.“
(S. 703, Hervorh. TA) Da ist er wieder, der angeblich automatische „Sieg des Kommunismus“
.
In den Schlussfolgerungen wird gut dargelegt, dass diese Wissenschaft wirklich nicht neutral ist, sondern die Interessen einer Klasse wiedergibt. Hier muss man folgende Frage stellen: Kann es im Interesse der Arbeiterklasse liegen, mit welcher Intention auch immer, sich von der Wissenschaftlichkeit, Wahrhaftigkeit zu entfernen, Tatsachen zu verfälschen, Tatsachen zu verschweigen etc.? Die Antwort heißt eindeutig:
Nein.
Exakte Wissenschaftlichkeit, die Entwicklungen dialektisch materialistisch zu untersuchen und richtige Schlüsse daraus zu ziehen, liegt im Interesse der Arbeiterklasse. Leere, nicht wissenschaftliche Agitation ist, auch wenn dies mit gutem Willen gemacht wird, nicht im Interesse der Klasse.
Wenn wir dem Proletariat erzählen, egal was passiert, es kommt zum Kommunismus, das ist der Weg der Geschichte, dann ist das – wenn überhaupt – eine stumpfe Waffe, die zu nichts nutzt.
Wir müssen umgekehrt sagen: Leute, die ganze Geschichte ist die Geschichte der Klassenkämpfe. Und an dem Punkt, an dem wir angekommen sind, ist die unterdrückte, ausgebeutete Klasse im-stande, die ganze bisherige Gesellschaftsordnung, die auf Ausbeutung der Menschen durch den Menschen aufgebaut ist, umzukrempeln.
Aber: Die Möglichkeit ist nicht die Wirklichkeit. Damit sie zur Wirklichkeit wird, muss der Klassenkampf organisiert werden und ihr müsst kämpfen. Ohne das gibt es weder Sozialismus noch Kommunismus. Das ist unsere Chance. Vielleicht aber auch Untergang in der Barbarei. Ja auch diese Möglichkeit gibt es.
PolOek

Einwurf:

Ich habe es immer so verstanden: Früher oder später kommt es immer zum Sozialismus.
Nur die Frage ist, ob er früher oder später kommt. Wir können es aber beschleunigen.

Referent:

Das ist genau falsch. Wenn wir nichts machen, kommt es nicht dazu. Nur durch den Klassenkampf sind Sozialismus und Kommunismus erreichbar. Sonst kommt es nicht dazu. Wieso sollen irgendwie auf der Grundlage der objektiven Bedingungen die Kapitalisten irgendwann mal sagen, hey, Leute, wir treten von der Bildfläche ab, weil geschichtlich erwiesen ist, dass wir überlebt haben. Wie soll das passieren?

Einwurf:

Die Begründung war immer der Klassenunterschied. Einer wird sich wehren.

Referent:

Ja, genau – wehren. Diese Klasse müsste sich wehren, wenn sie sich nicht wehrt, nicht organisiert, nicht kämpft, wird es niemals dazu kommen. Es kann aber zu etwas anderem kommen, wenn wir uns nicht wehren. Wie viel wehren wir uns denn? Es ist tatsächlich so, dass die Mehrheit der Arbeiterklasse sich mo-mentan „arrangiert“ – in diesem System – einfach sagt, ja, gut, es ist zwar irgendwie Mist, aber man kann ja nichts machen. Oder ein Großteil sagt, was wollt ihr, es ist doch o.k. – in den imperialistischen Ländern.
Es gibt keinen automatischen Gang zum Sozialismus und Kommunismus. Ohne Klassenkampf, ohne die Diktatur des Proletariats, ohne proletarische Revolution gibt es keinen Sozialismus. Das wird auch hier gesagt. Das wichtigste an der Lehre von Marx und Engels ist die Diktatur des Proletariats. Und das ist nicht etwas Spontanes.
Sie kommt nicht ohne Klassenkampf. Ohne bewusste Aktion des Proletariats gibt es keine Diktatur des Proletariats. Ergo auch keinen Sozialismus. Aber in diesem ganzen Buch wird dieser Automatismus betrieben.
Es gibt auch ganz gute Positionen bei diesen Schlussfolgerungen des Lehrbuches. Zum Beispiel wird die Unmöglichkeit des friedlichen Übergangs wird nochmals unterstrichen, 1954. Das ist sehr wichtig.
„Die politische Ökonomie enthüllt die Gegensätzlichkeit der Grundlagen der bürgerlichen und der sozialistischen Wirtschaft, die Unversöhnlichkeit der Klasseninteressen der Bourgeoisie einerseits und des Proletariats sowie aller Werktätigen anderseits und weist damit die Unmöglichkeit eines friedlichen "Hineinwachsens" des Kapitalismus in den Sozialismus nach. (...) Die Erfahrungen der Geschichte bestätigen voll und ganz die Richtigkeit der marxistischen These, daß die sozialistische Revolution unumgänglich ist, daß der Sozialismus den Kapitalismus nicht ablösen kann ohne die Errichtung der Herrschaft der Werktätigen, ohne die Diktatur des Proletariats und ohne Bündnis der Arbeiterklasse mit der Bauernschaft.“ (S. 706)
Das sind sehr richtige Schlussfolgerungen, die dann allerdings von den modernen Revisionisten Schritt für Schritt revidiert worden sind, die aber auch in diesem Buch schon angelegt sind. Diese Revision ist bereits enthalten.
Weiter heißt es im Lehrbuch:
„Der Aufbau des Sozialismus erfolgt in unversöhnlichem Kampf gegen die kapitalistischen Elemente in Stadt und Land.“ (S. 707) Aber neben diesen Positionen finden sich auch immer wieder Thesen, worin die Überreste des Kapitalismus, die die KommunistInnen eine Zeitlang übernehmen und weiterführen müssen, als sozialistisch deklariert werden. „Die politische Ökonomie zeigt, welche überragende Bedeutung für den sozialistischen Aufbau die in den sozialistischen Produktionsverhältnissen begründete Interessiertheit der Massen an der unentwegten Steigerung der Produktion hat.
[Referent: Hier ist richtig – wenn dem so wäre, die Massen sind interessiert. Es ist keine persönliche Interessiertheit, sondern die Massen sind interessiert an der Erhöhung der Produktion. Diese Interessiertheit kann auch damit zusammenhängen und begründet werden, dass die Massen dieses System als ihr eigenes System sehen. Je mehr produziert wird, umso schneller kann die Gesellschaft zum Kommunismus übergehen.]

Sie zeigt die Rolle des sozialistischen Wettbewerbs als einer mächtigen Triebkraft der wirtschaftlichen Entwicklung der sozialistischen Gesellschaft. Die politische Ökonomie legt dar, welche Bedeutung dem Gesetz der Verteilung nach Arbeitsleistung für die Entwicklung der sozialistischen Wirtschaft zukommt, und orientiert damit die Kader in allen Zweigen der Volkswirtschaft auf die konsequente Durchführung einer differenzierten Entlohnung der Arbeit in direkter Abhängigkeit von den Arbeitsergebnissen sowie auf die Beseitigung jedweder Elemente der Gleichmacherei.“ (S. 709-710)
Kleinbürgerliche Gleichmacherei ist eine Abweichung, gegen die wir Kommunisten natürlich kämpfen müssen. Aber wir müssen zugleich auch gegen eine andere Abweichung kämpfen. Denn im Namen des Kampfes gegen die kleinbürgerliche Gleichmacherei wurde „vergessen“, dass es in einer sozialistischen Gesellschaft bei der Differenzierung der Löhne die Aufgabe ist, diese langfristig zu minimieren.
Die einzige Grundlage der Lohnunterschiede wird langfristig die Frage sein, wie viele Stunden hast du gearbeitet, egal welche Arbeit du machst. Mehr nicht. Das ist der Punkt, wo die sozialistische Gesellschaft in die kommunistische übergeht. Weil jede/r die Arbeit macht, für die sie/er am besten geeignet fühlt und ist, weil jede/r imstande ist, die Arbeit zu wählen, die sie/er machen will. Dann ist jede Arbeit gleichwertig, weil jede/r jede Arbeit machen kann. Weil die Arbeit, die er oder sie macht, genau so viel Wert hat für die Gesellschaft wie jede andere auch. Das ist vor dem Kommunismus, also vor der Verteilung jeder/jede nach seinen/ihren Bedürfnissen, der letzte Punkt der Lohnunterscheidung.
Das haben die Bolschewiki 1918 einfach gemacht beim Kriegskommunismus. Es stand wirklich auf dem Papier, wie viele Stunden hast du gearbeitet. Nicht, welche Arbeit du gemacht hast, sondern wie viele Stunden hast du gearbeitet. Und auf den Produkten, den Waren, stand auch, wie viele Stunden Arbeit für ihre Produktion benötigt wurde.
Das war leider nur für eine sehr kurze Zeitspanne und war natürlich sehr begrenzt, auf einige Großstädte, wie Moskau, Petersburg und einige Kommunen. Aber die KommunistInnen und die Werktätigen haben gesehen und erlebt, wir können es machen. Und sie mussten es machen, anders hätten sie nicht überlebt. Das ist keine Tugend sondern eine Notwendigkeit gewesen.
Abschließend wird zusammengefasst:
„Der Kommunismus entsteht als Ergebnis bewußter, schöpferischer Arbeit der von der Kommunistischen Partei geleiteten und mit der Theorie des Marxismus-Leninismus ausgerüsteten Millionenmassen der Werktätigen. [Referent: Das ist zu hundert Prozent richtig. Das Problem ist aber, dass hier nicht gesagt wird, es „wird“ so sein, sondern das ist der „Ist-Zustand“. Millionenmassen unter Leitung der marxistischen-leninistischen Partei arbeiten bewusst am Aufbau des Kommunismus.]
In der Sowjetunion sind alle für den Aufbau der kommunistischen Gesellschaft notwendigen Voraussetzungen gegeben.“ (S. 712)
1942 sagt hingegen Stalin, wir haben nicht einmal die Voraussetzungen für den Kommunismus, nicht einmal die Voraussetzungen für den Übergang zum Kommunismus geschafft. Um diese zu schaffen, müssen wir das und das verwirklichen.
1954 wird im Lehrbuch verkündet, alle Voraussetzungen sind gegeben. Es gibt keine Kraft in der Welt, die die Vorwärtsbewegung der Sowjetgesellschaft zum Kommunismus aufhalten könnte. Das ist leere Agitation und keine Wissenschaft. Als die Verfasser des Lehrbuchs das geschrieben haben, war die Sache schon gelaufen. Sie haben den möglichen Aufbau des Kommunismus bereits schon zu Grabe getragen. Und dann stellen sie sich hin und sagen, keine Kraft kann uns aufhalten.

Makarenko-Jugend

Referent:
Nochmals zur Theorieerarbeitung über den Aufbau des Sozialismus

Im Lehrbuch auf Seite 700 wird, wie bereits oben schon angesprochen, ausgeführt, Lenin habe die politische Ökonomie weiterentwickelt, den monopolistischen Kapitalismus auseinandergenommen usw. Das trifft alles zu.
So heißt es: „Lenin verallgemeinerte wissenschaftlich die historischen Erfahrungen der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution und der Praxis des sozialistischen Aufbaus in der UdSSR und bereicherte damit den Marxismus im allgemeinen und die marxistische politische Ökonomie im besonderen durch eine tiefgründige Analyse der Gesetze der sozialistischen Umgestaltung der Gesellschaft.“
Hier wird nicht weniger gesagt, als Lenin habe sozusagen eine fertige grundlegende Theorie über den Aufbau des Sozialismus vorgelegt. Das ist falsch, denn Lenin konnte in dieser Frage keine solche Theorie entwickeln – aufgrund der objektiven Bedingungen. Solange Lenin lebte, waren die Erfahrungen der sozialen, politischen und ökonomischen Praxis des Aufbaus des Sozialismus einfach noch zu beschränkt.
Von Lenin eine solche Theorie zu erwarten, ist schon absurd. Diese Theorie zu erarbeiten, ist auch kein Geniestreich, denn die Widersprüche und Schwierigkeiten in einem neuen sozialen Leben und in einer sozialistischen Gesellschaft konnten nicht vorausgesehen werden.
Nur wenn diese gesellschaftlichen Erfahrungen erlebt und aufgearbeitet werden, können diese verallgemeinert und die Grundprinzipien heraus geschält werden. Das ist die Theorie. Die Theorie kommt nicht aus dem Kopf. Die aus dem Kopf kommende Theorie – wenn sie nicht auf der Grundlage dessen, was Erfahrung ist, beruht – ist Spekulation und keine Theorie.
Die Theorie ist die Verallgemeinerung der erlebten Erfahrungen und nichts anderes – wenn sie wissenschaftlich ist. Im Lehrbuch hingegen wird ein Verständnis verbreitet, als ob irgendwelche ganz klugen Menschen sich hinsetzen und ohne jede praktische Erfahrung die angeblichen Gesetzmäßigkeiten entwickeln und aufschreiben.
Die Herangehensweise an die Theorie – was hier steht – stimmt einfach nicht. Greifen wir das Gesetz der proportionalen Entwicklung heraus. Wenn das Leben dem nicht entspricht, was machen wir dann? Sagen wir dann, das Leben ist falsch, oder was?
Man kann nur das Erlebte verallgemeinern und Schlüsse ziehen. Wenn man also bei der Wirklichkeit bleibt und davon ausgeht, was ist und nicht von irgendwelchen Spekulationen, was sein müsste, dann kann man auf der Grundlage dieser aus der Praxis entwickelten Theorien eine Waffe machen. Ansonsten ist das Spekulation, keine marxistische oder wissenschaftliche Theorie und nutzt uns nichts im Klassenkampf. Diese Herangehensweise sollte hier aufgezeigt werden.
Es ist tatsächlich ein „Totschlagargument“, wenn ständig und vor allem gegen kleinbürgerliche Gleichmacherei gekämpft wird. Diese Theorie ist von Kleinbürgern vertreten worden – es muss alles gleich gemacht werden. Sie entspricht aber nicht den Interessen der Kleinbourgeoisie.
Wir haben hier sehr viel über kommunistisches Bewusstsein diskutiert und ausgehend von den Klassikern hervorgehoben, das sozialistische und das kommunistische Bewusstsein entwickelt sich nicht spontan in der Arbeiterklasse. Das stimmt.
Aber wenn es in die Arbeiterbewegung hineingetragen wird, stimmt etwas anderes auch:
Das sozialistische Bewusstsein oder das kommunistische Bewusstsein ist bei der Arbeiterklasse gut aufgehoben, weil es seinen Klasseninteressen entspricht.
Der Ausgangspunkt aller Diskussionen ist, wenn wir von der „großen Masse“ ausgehen, nicht nur von den bewussten Elementen, dann ist nach Marx der „normale Mensch“ ein homo economicus. Ein durch die Ökonomie bestimmter Mensch.
Wie du wirtschaftest, wie und wovon du dein Leben lebst, das bestimmt auch dein Bewusstsein. Das Sein bestimmt das Bewusstsein. Wenn das so ist, ist natürlich die unterste Schicht der ProletarierInnen spontan am meisten für den Kommunismus. Weil sie über keine Produktionsmittel verfügen, wodurch andere ausgebeutet werden. Ihr Leben besteht darin, dass sie schuften und schuften… ihr Lohn reicht nicht aus für die einfachsten Lebensbedürfnisse.
Wenn die KommunistInnen unter ihnen politisch arbeiten und sagen, was der reiche Typ hat, bei dem ihr arbeitet, das schafft ihr durch eure Arbeit in seiner Fabrik. Sein Reichtum ist eure Armut.
Eigentlich ist es das ganz einfach – der Kommunismus ist ganz einfach. Wenn sie das verstehen – das dauert vielleicht – aber dann werden sie immer sagen: Wir wollen mehr Lohn. Wenn sie aber mehr Lohn bekommen, dann wird der vom Kapitalisten behaltene Mehrwert kleiner.
Wenn wir mit dem/der ArbeiterIn dazu kommen, dass er/sie für mehr Lohn kämpft, kämpft er/sie gegen den Kapitalisten. Das heißt, den Kommunismus als Wissenschaft wird ein/e ArbeiterIn erst nach langer Schulung verstehen. Aber das ganz Einfache, das ganz Konkrete, seine/ihre materielle Interessiertheit bringt ihn/sie dem Kommunismus näher als jede/n KleinbürgerIn.
Das ist der Grund – auch wenn die Arbeiterklasse „dumm“ und unwissend gehalten wird von der Bourgeoisie. Und warum wird sie dumm gehalten? Wenn die Arbeiterklasse wüs-ste, dass der Typ, der mit der Jacht herumgondelt, so leben kann, weil er die Arbeitskraft der Arbeiterklasse ausbeutet, dann würde die Arbeiterklasse ganz anders handeln. Deswegen werden die ArbeiterInnen dumm gehalten.
Deswegen die immer gleiche Leier: Du bekommst Lohn von den Kapitalisten. Der Kapitalist gibt dir Arbeit. Er ist dein Arbeitgeber. Den brauchst du.
Aber in Wahrheit brauchen die ArbeiterInnen ihn überhaupt nicht. Der „Arbeitgeber“ braucht den „Arbeitnehmer“ – das ist die Realität. Im Prinzip ist es ganz einfach – aber es ist schwer zu machen.
Fakt ist, die Klasse, die spontan dem Kommunismus, der kommunistischen Propaganda am nächsten steht, ist die Arbeiterklasse, weil er ihre Klasseninteressen anspricht und wiedergibt.



Arbeiterklasse

Klassenkampf und Revolution:



Entweder gehen wir zum Kommunismus über, wenn wir die Revolution als einen ununterbrochenen Prozess begreifen und leben, oder es gibt keinen Kommunismus. Im engsten wissenschaftlichen Sinne ist die Revolution der Machtwechsel durch den Aufstand der werktätigen Massen. Das ist aber nicht das marxistische Verständnis von Revolution.
Das marxistische Verständnis von Revolution ist ein ununterbrochener Prozess. Die Machtübernahme für die sozialistische Revolution ist nur ein Anfang, ein Beginn. Die Errichtung der Diktatur des Proletariats ist ein Etappenziel, das sehr schwer zu machen ist, aber verglichen mit der Aufgabe, zum Kommunismus zu gehen, der Beginn eines zehntausend Kilometer weiten Weges (Mao Tse-tung). Der erste Schritt – nicht mehr und nicht weniger. Wenn wir das nicht so begreifen, wenn wir nicht ständig die Revolution durch den Klassenkampf vorantreiben, dann werden wir nie und nimmer zum Kommunismus kommen.
Wir müssen die Verhältnisse jeden Tag, jede Stunde hinterfragen, welche erhalten bleiben oder welche wir revolutionieren müssen, welche wir auf die Seite tun sollten und was wir neu anfangen müssen, damit wir weitergehen können.
Wenn wir das nicht machen und uns damit zufrieden geben, mit dem was wir erreicht haben, so wie das Lehrbuch vorgeht und das propagiert, dann werden wir nicht zum Kommunismus kommen. Dann gehen wir zurück und die alten Verhältnisse werden siegen.
Und das ist nicht nur gesellschaftlich so, sondern jeder Mensch, jede/r KommunistIn muss sich jeden Tag, jede Stunde, jede Sekunde hinterfragen und verändern, wenn es notwendig ist.
Dazu eine der Geschichten von Herrn K. von Bert Brecht:
„Zwei Freunde treffen sich. Der eine Freund sagt zu dem Herrn K.: ‚Oh, du hast dich gar nicht verändert‘ und Herr K. wurde ganz weiß im Gesicht.“ Nichtveränderung ist nicht gut. Sie gibt es auch nicht. Dialektisch ist eine Nichtveränderung eine Unmöglichkeit. Man muss ständig den Ist-Zustand hinterfragen. Die ununterbrochene, die permanente Revolution ist keine Erfindung von Trotzki. Das ist Marx – der Marxismus.

Zur Frage der Diktatur des Proletariats


Hier wird klar gesagt, ohne die Diktatur des Proletariats gibt es keinen Sozialismus, keinen Kommunismus. Das ist das A und O, was wir verstehen müssen.
Die Frage ist, was ist die Diktatur des Proletariats. Wie konkret war die Situation in der Sowjetunion und in den Ländern, die sagten, sie verwirklichen die Diktatur des Proletariats.
Fakt ist: Die Diktatur des Proletariats ist bisher nie Diktatur des Proletariats gewesen in dem Sinne, das Proletariat hat als Klasse direkt seine Macht ausgeübt. Sie, die Diktatur des Proletariats wurde mittels der Kommunistischen Partei ausgeübt. Es war die Diktatur einer Partei. Das kann auch am Anfang gar nicht anders sein. Das Problem ist, wohin soll es sich ent­wickeln und wohin hat es sich entwickelt.
Am Anfang gab es in der Sowjetunion die Diktatur des Proletariats – ja die Diktatur der Bolschewistischen Partei. Wie sollte das Proletariat sonst herrschen? Es gab zwar Sowjets – 1917/1918, die sehr viel mitgemischt haben – aber in den Sowjets waren wirklich organisierte Menschen. Und nicht die große Masse. Es kann auch nicht anders sein. Das Wissen war damals nur einer bestimmten Schicht von Menschen zugänglich.
Wenn wir die Gesamtgesellschaft nehmen, war das faktisch die Diktatur der bolschewistischen Minderheit. Aber diese Minderheit war in der Arbeiterklasse die Mehrheit – wenn wir die Klasse nehmen.
Die KommunistInnen, die bolschewistische Partei haben gesagt, wir sind die Vertreter der Arbeiterklasse. Die Mehrheit der Arbeiterklasse steht hinter uns, also haben wir auch die Legitimation, im Namen der Arbeiterklasse die Macht zu übernehmen und im Namen der Arbeiterklasse anzufangen, uns irgendwie in die Richtung des Sozialismus zu bewegen. Wenn die historische Möglichkeit da ist, das zu machen, dann müssen die KommunistInnen genauso vorgehen. Aber sie müssen wissen, wir haben einen unheimlich langen Weg vor uns.
Damit das Proletariat wirklich herrscht, müssen wir Transformationsriemen schaffen, Organisationen schaffen, in denen das Proletariat wirklich als Klasse mitmacht und den Aufbau des Sozialismus tatsächlich in die eigenen Hände nimmt.
Was haben die KommunistInnen in der Sowjetunion gemacht? Am Anfang gab es Gewerkschaften, die ein Streikrecht hatten. Das haben sie gestrichen – 1936. Weil sie gesagt haben, die Diktatur des Proletariats ist erreicht. Wogegen soll denn die Arbeiterklasse kämpfen?
Man muss immer die Gesamtheit sehen, aber in der Frage war diese Politik 100 Prozent falsch.
Wir müssen das alles hinterfragen.
Wir müssen nachdenken, was das Hauptproblem ist. Die Diktatur des Proletariats war mittels der Partei im Prinzip eine Parteiendiktatur, konnte es auch zunächst nicht anders sein. Die Hauptfrage ist die Entwicklungsrichtung.
Die sozialistische Gesellschaft hat sich leider in Richtung Bürokratisierung entwickelt – in den Ausbau der Parteidiktatur und nicht umgekehrt hin zu viel mehr Demokratisierung und direkter Einbeziehung aller Werktätigen in den gesellschaftlichen Aufbau.
Ein radikaler Versuch eines Bruchs mit bürgerlichen und revisionistischen Entwicklungen war die Kulturrevolution in China.
Es war eine ganz kurze Zeit, in der es schien, dass die Massen sich wirklich die Möglichkeit schaffen, mit Hilfe der KommunistInnen an die Macht zu kommen. Die Gesellschaft war aber noch nicht reif.
Das Proletariat war noch nicht so weit entwickelt, dass das Proletariat als Klasse die Macht übernehmen konnte. Und die Fehler der KP Chinas, die Unterschätzung der Reichweite des Revisionismus eines Deng Hsiao Pings spielten eine zentrale Rolle.

Nachbemerkung


Das war die letzte Folge über die Debatte des Lehrbuchs der „Politischen Ökonomie“. Wir werden unsere Serie mit Artikeln über die Ursachen der Restauration des Sozialismus weiterführen. In den folgenden Trotz Alledem!-Ausgaben werden Texte aus der internationalen Diskussion zu dieser Frage veröffentlicht.





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