"Es bleibt beim bekannten Zusammenspiel des Ärzte-Richter-Filzes"
Es ist hier abzurufen: https://www.heise.de/tp/features/Es-bleibt-beim-bekannten-Zusammenspiel-des-Aerzte-Richter-Filzes-4120394.htmlund kann selbstverständlich dort kommentiert werden.
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B) Hier ein Text, den René Talbot bei einem Vortrag am 16.7. in Tübingen gehalten hat:
Von der Anti-Psychiatrie zur Anti-Zwangspsychiatrie
Von Thomas bin ich gebeten worden, etwas zur Geschichte der Irren-Offensive und dem aktuellen Stand der Antipsychiatrie zu sagen und dabei kann selbstverständlich die PatVerfü nicht fehlen.Wie man in dem Link, das in eurem Blog angeben ist, sehen kann, fange ich zur Einführung immer zunächst damit an, dass ihr Euch überlegen sollt, ob und wie ihr diese positive Vorausverfügung ausfüllen wollt, siehe hier.
Niemand will unterzeichnen. Dass dann alles in der positiven Vorausverfügung Beschriebene sozusagen automatisch gegen den Willen trotzdem geschehen kann, das zeigt das Politische, das durch Täuschung verdeckt wird. Obwohl offenbar niemand diese Zwangsmaßnahmen für sich autorisieren will, sind sie gesetzlich geregelt:
Geisteskrank sind also immer nur die Anderen.
Damit trifft die Definition des moralisch Bösen zu – was ich nicht will, dass man mir tu, das füge ich den anderen zu.
Wir müssen uns deshalb genauer mit den Täuschungen beschäftigen, um zu verstehen, warum dieses antidemokratische System funktioniert und wie wir es durchbrechen können.
Zunächst zur Vorgeschichte der Irren-Offensive. Um sie zu verstehen, möchte ich sie im geschichtlichen Kontext erzählen.
Und ich beginne früher, als ihr vielleicht erwartet.
1933 tritt parallel zu den Nürnberger Gesetzen das Erbgesundheitsgesetz in Deutschland in Kraft. Beide hatten zum Ziel, einen Teil der deutschen Bevölkerung biologisch zu definieren und von der künftigen Entwicklung auszuschließen: Das Politische wird mit biologischen Lügen metaphorisch aufgeladen, um den alten Hass gegen die Unangepassten austragen zu können und der medizinisch-säkularen Herrschaft zum vermeintlich endgültigen Sieg zu verhelfen.
Zu Recht sagte Ernst Klee: „Nicht die Nazis haben die Ärzte gebraucht, sondern die Ärzte die Nazis“. 1939 beginnt die Aktion T4, die systematische Erfassung und Ermordung von in den Psychiatrien Inhaftierten in der Gaskammer wird von der Tiergartenstr. 4 in Berlin in sechs Anstalten geplant und organisiert, auf kirchliche Proteste 1941 direkt in die Anstalten verlegt und das Personal, die Ideologie, die Technik, und die Verbrennungsöfen der Leichen 1942 zur Vernichtung der europäischen Juden ins besetzte Polen exportiert. Ein Buchhinweis dazu: von Henry Friedlander: The Origins of Nazi Genozide, der Deutsch schlecht übersetzte Titel: Der Weg zum NS-Genozid.
Trotz Ende des Krieges ging das Morden danach in den deutschen Anstalten bis ca. 1949 weiter: Das systematische Verhungern lassen zugunsten der Lebensmittelrationen des „medizinischen“ Personals ist belegt, allerdings nie geahndet worden, und ist als der perfekte Mord zu bezeichnen. Er steht am Anfang der Nachkriegs Psychiatrie-Geschichte in beiden Deutschlands. Über die Karrieren der beteiligten Psychiater hat nicht nur Ernst Klee recherchiert. Die Taz berichtete kürzlich von Christof Beyer, der die personellen Kontinuitäten in den psychiatrischen Anstalten nach 1945 erforschte. Das Ergebnis: Viele der ärztlichen Massenmord-Verbrecher machten Karriere. Beispielsweise waren an der Universität Heidelberg noch bis in die 1990er Jahre damals als Assistenzärzte an der Mordaktion Beteiligte mit der Lehre betraut.
Danach ist die Psychiatrie seelenruhig zu ihrem Zustand vor 1933 zurückgekehrt: radikale, systematische Entrechtung, Entwürdigung und Foltermethoden, um das Geständnis „psychisch krank“ zu erreichen, die sogenannte „Krankheitseinsicht“. Selbst Einige der ganz Wenigen, die den psychiatrischen Holocaust überlebten, werden wieder zwangsweise eingesperrt und mit Insulin und Elektroschocks misshandelt. Der ideologische Zusammenhang ist der Gleiche geblieben: die Bezeichnung als Erbkrankheit, das Wegsperren und mit aller Gewaltsamkeit das Privateste des Privaten, den eigenen Gedanken, berauben, stigmatisieren und einem entfremden. Wie das rationalisiert wurde, dazu zitiere aus einem Interview mit Thomas Szasz aus dem Jahr 1969:
„Schizophrenie ist ein strategisches Etikett, wie es "Jude" in Nazi-Deutschland war. Wenn man Menschen aus der sozialen Ordnung ausgrenzen will, muß man dies vor anderen, aber insbesondere vor einem selbst rechtfertigen. Also entwirft man eine rechtfertigende Redewendung. Dies ist der Punkt, um den es bei all den häßlichen psychiatrischen Vokabeln geht: sie sind rechtfertigende Redewendungen, eine etikettierende Verpackung für "Müll"; sie bedeuten "nimm ihn weg", "schaff ihn mir aus den Augen", etc. Dies bedeutete das Wort "Jude" in Nazi-Deutschland, gemeint war keine Person mit einer bestimmten religiösen Überzeugung. Es bedeutete "Ungeziefer", "vergas es".Ein anderes Beispiel ist die Umbenennung der Wittenauer Heilstätten in Berlin in Karl Bonhoeffer Nervenklinik 1957: Karl Bonhoeffer war Präsident der deutschen Psychiatervereinigung und eifriger Gutachter in NS-Erbgesundheitsgerichtsverfahren zu Zwangssterilisationen tätig. Er war sogar Richter am Erbgesundheits-Obergericht. Er tat das alles so begeistert, dass er auch nach seiner Pensionierung damit weitermachte. Berlin und auch die Charité will an dessen Ehrung noch heute festhalten. Außer ohnmächtigen Bitten gab es keinen politischen Protest zu dem hermetischen System.
Ich fürchte, daß "schizophren" und "sozial kranke Persönlichkeit" und viele andere psychiatrisch diagnostische Fachbegriffe genau den gleichen Sachverhalt bezeichnen; sie bedeuten "menschlicher Abfall", "nimm ihn weg", "schaff ihn mir aus den Augen".“
1949 gab es zwar mit dem Ende des systematischen Massenmords, der offensichtlichsten Spitze des Eisbergs, in der Psychiatrie einen Bruch, aber die Entwürdigung durch das Kerkersystem mit Folterregime - um die Worte von Foucault zu gebrauchen - ging kontinuierlich weiter, eben keine Stunde Null.
Erst 1961 begann sich die Geschichte der Psychiatrie zu wenden: Lesen Sie mehr »
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