Donnerstag, 26. Juli 2018

Gentechnik bleibt Gentechnik


EuGH stärkt Vorsorgeprinzip: EU-Regeln zu Zulassung und Kennzeichnung gelten auch für neue Mutagenese-Verfahren

Von Jana Frielinghaus
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Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied (Porträt rechts) hält die EuGH-Entscheidung für innovationsfeindlich. Der Naturschutzbund hat ihm Ende 2017 einen Negativpreis zuerkannt (links im Bild)
Seit Jahren versuchen Firmen und Forschungsinstitute, die geltenden EU-Vorschriften zum Umgang mit »klassischen« Verfahren der Genmanipulation bei neuen Technologien der Erbgutveränderung gezielt zu unterlaufen. Das Argument: Es handele sich im wesentlichen um induzierte Mutationen, die auch in der Natur vorkommen könnten. Dem hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg am Mittwoch in einem Grundsatzurteil vorerst einen Riegel vorgeschoben. Das oberste EU-Gericht stellte klar, dass die neuen Verfahren unter die geltenden Regeln für genetisch veränderte Organismen (GVO) fallen. Es geht dabei um Methoden, mit denen künstlich Mutationen ausgelöst, aber auch DNA-Teile durch fremdes Erbgut ersetzt werden.
Im konkreten Fall hatte ein französisches Gericht, der Conseil d’État (Staatsrat), den EuGH angerufen und um Klärung gebeten. In der EU-Richtlinie zum Umgang mit GVO aus dem Jahr 2001 sind solche als Organismen definiert, deren Erbgut »so verändert worden ist, wie es auf natürliche Weise durch Kreuzen und/oder natürliche Rekombination nicht möglich ist«. Ältere »Mutagenese«-Verfahren wurden bereits bei Erlass der »Freisetzungsrichtlinie« von deren Vorschriften ausgenommen. Bei diesen Technologien werden die Änderungen im Erbgut allerdings ohne das Einfügen fremder DNA erreicht. Der französische Kleinbauernverband Confédération Paysanne hatte zusammen mit acht weiteren Organisationen gegen die französische Regelung zur Umsetzung der »Freisetzungsrichtlinie« der EU geklagt. Die Beschwerdeführer hatten geltend gemacht, dass mit den neuen Verfahren gezielte Genveränderungen möglich seien, die schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit des Menschen haben könnten.
Der EuGH folgte dieser Argumentation weitgehend. Mit Hilfe der neuen Technologien hergestellte Produkte müssen damit künftig eine Umweltverträglichkeitsprüfung und ein Zulassungsverfahren durchlaufen. Zudem ist eine spezielle Kennzeichnung vorgeschrieben, die die Herkunft der Erzeugnisse nachvollziehbar macht.
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Die vom EuGH nun klar als Gentechnik definierte Methode ist unter den Begriffen Genome Editing und »Genschere« sowie unter dem Kürzel CRISPR-Cas bekannt. Biologen können damit Teile der DNA von Pflanzen, Tieren oder Mikroorganismen mit Hilfe bestimmter Enzyme und Proteine entfernen und durch andere ersetzen. Wissenschaftler glauben, auf diese Weise die Züchtung von Pflanzen und Tieren mit bestimmten erwünschten Eigenschaften erheblich beschleunigen zu können. Doch während Forscher davon träumen, mit CRISPR-Cas zum Beispiel bestimmte Insekten auszurotten oder Unkräuter empfindlicher gegen Pestizide zu machen, fürchten Kritiker die unkontrollierte Verbreitung implantierter genetischer Defekte.
In der Bundesrepublik zeigten sich insbesondere Vertreter von Umweltverbänden erleichtert über das Urteil. Auch Martin Schulz, Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), begrüßte den Richterspruch. Der EuGH habe das Vorsorgeprinzip »klar vor die Profitinteressen der Gentechnikkonzerne gestellt«, erklärte er am Mittwoch. Schulz verwies auf die »enormen Profite«, die sich Großunternehmen »schon jetzt durch Patentanmeldungen« sicherten.
Dagegen äußerte sich Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), erwartungsgemäß enttäuscht über die Entscheidung aus Luxemburg. Rukwied beklagte, das Urteil verbaue unter anderem Möglichkeiten, mit Hilfe von Pflanzenzüchtung auf die »Herausforderungen des Klimawandels« zu reagieren. Der DBV-Präsident forderte, die EU-Gentechnik-Richtlinie müsse auf ihre »Zukunftsfähigkeit überprüft werden«. Anderenfalls laufe »Europa Gefahr, den Anschluss an andere Weltregionen zu verpassen«. Auch Hermann Onko Aeikens, Staatssekretär im von Julia Klöckner (CDU) geführten Bundeslandwirtschaftsministerium, meinte, mit dem EuGH-Entscheid werde »Innovation ein Stück weit ausgebremst«. Zugleich betonte er, für das Ministerium stehe immer der gesundheitliche Verbraucherschutz und der Gesundheitsschutz im Vordergrund. Ein Sprecher von Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) sprach von einer »guten Nachricht für die Umwelt und für die Verbraucher«.

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