Ausgehetzt: Zehntausende gingen am Sonntag in der Landeshauptstadt gegen die »widerwärtige« Politik der CSU auf die Straße
Von Sebastian Lipp, München
An der Abschlusskundgebung am Sonntag auf dem Münchener Königsplatz nahmen nach Veranstalterangaben rund 50.000 Menschen teil
Foto: Andreas Gebert/dpa
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»Die zynischen Rufe nach einer Abschiebungskultur haben dazu beigetragen, dass über Flüchtlinge inzwischen geredet wird wie über die Entsorgung von Giftmüll«, hatte Bernd Mesovic von Pro Asyl am Samstag erklärt und zur Teilnahme an der Kundgebung aufgefordert. »Dieser Ton, Herr Söder, ist nicht nur widerwärtig und seine Aussagen falsch«, sagte eine Rednerin während der Auftaktkundgebung am Mittag auf dem Goetheplatz. Schon dort sollen sich 18.000 Menschen versammelt haben. Geflüchtete und ihre Helfer sowie Gruppen, die sich gegen Rassismus und Krieg engagieren, bildeten anschließend die Spitze des Demonstrationszuges. Am Bavariaring stieß das Bündnis »no PAG« gegen das neue Polizeiaufgabengesetz in Bayern dazu, dessen Demoaufruf in München zuletzt 30.000 Menschen gefolgt waren (jW berichtete).
Vor dem Gewerkschaftshaus in der Schwanthalerstraße stießen weitere Demonstranten hinzu, die sich gegen Wohnungsnot, Altersarmut, Pflegenotstand und prekäre Arbeitsverhältnisse engagieren. Und am Karl-Stützel-Platz schlossen sich diejenigen dem Zug an, deren Arbeitsschwerpunkte Geschlechtergerechtigkeit und die Rechte sexueller Minderheiten sind.
Während sich der Zug durch München bewegte, sprach die Polizei von 15.000 Teilnehmern, »Tendenz stark steigend«. Die Abschlusskundgebung fand auf dem Königsplatz statt, wo sich nach Veranstalterangaben rund 50.000 Menschen versammelten. Zu den Rednern gehörten Claus-Peter Reisch, der Kapitän des Schiffes »Lifeline« der gleichnamigen Seenotrettungsorganisation, die Kabarettisten Max Uthoff, Claus von Wagner, Urban Priol und Georg Schramm (bekannt aus der ZDF-Sendung »Die Anstalt«), der Schriftsteller Friedrich Ani, Simone Burger (DGB) sowie Claus Schreer vom Bündnis gegen Krieg und Rassismus. Letzterer forderte ein Bleiberecht für Flüchtlinge und Migranten. Schreer weiter: »Wir kämpfen für eine Welt, in der die Menschen nicht mehr aus ihren Heimatländern fliehen müssen, weder vor Krieg, noch vor Hunger, Armut und Elend. Ihnen gehört unsere Solidarität.«
Musikalisch wurde die Veranstaltung von zahlreichen Künstlern begleitet, unter ihnen Yallah Dabkeh, Django3000, 3/4 Blut, Hochzeitskapelle, Banda Internationale. Thomas Lechner von der Initiative »Gemeinsam für Menschenrechte und Demokratie« zeigte sich »überwältigt« von der enormen Resonanz trotz des schlechten Wetters. Die Demonstranten hätten gezeigt, »dass Bayern auch ein freundliches und solidarisches Gesicht hat«.
Die CSU gab sich unterdessen trotzig – und trat eine Kampagne gegen ihre Kritiker los, die wirkte, als habe das »Zentrum für Politische Schönheit«, eine Gruppe von Aktionskünstlern, erneut zugeschlagen. Die Partei schaltete Zeitungsanzeigen und ließ am Sonntag in aller Herrgottsfrühe die Demonstrationsstrecke mit Plakaten verzieren und Lkws mit beleuchteten Großplakaten herbeifahren. »Bayern lässt sich nicht verhetzen«, heißt es dort, das erste Wort in großen Lettern gesetzt. Darüber schreibt die Partei, der im Freistaat nach 60 Jahren erstmals der Verlust ihrer Alleinherrschaft droht: »Ja zum politischen Anstand! Nein zu #ausgehetzt«. Das Demobündnis hatte vor Demobeginn auf Fasebook dazu aufgerufen, die Propaganda hängenzulassen: »Wir hetzen nicht, und wir reißen auch keine Plakate ab! Auf dieses Spiel lassen wir uns nicht ein. Wir wollen die Stadt lieber mit Liebe, Glitzer und Konfetti fluten.«
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