Staatlicher Terror gesetzlich verankert
Repression gegen Linke: Polizisten nehmen am 1. Mai 2018 einen Demonstranten in Istanbul fest
Foto: Murad Sezer/Reuters
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Die sozialistische Organisation Halk Cephesi (Volksfront) forderte in einer Pressemitteilung die sofortige Freilassung der Festgenommenen. »Während die ökonomische Krise sich verschärft, nimmt die Wut des Volkes zu«, konstatiert die Gruppe. »Die Revolutionäre, die dieser Wut eine Richtung geben, werden zum Ziel der Regierung. Denn die Regierung weiß, dass es mit ihr zu Ende geht. Und sie weiß, dass es die Revolutionäre sein werden, die ihr Ende bringen.«
Am Freitag wurde zudem Haftbefehl gegen acht bereits vergangenen Sonntag im Zuge einer Razzia in Istanbul in Gewahrsam genommene Mitglieder der linken Oppositionspartei HDP erlassen. Grund der Durchsuchung war das Verbreiten von »illegalen Plakaten« gewesen; eingesetzte Polizisten hatten während der Maßnahme nationalistische Parolen in der HDP-Zentrale hinterlassen.
Der seit zwei Jahren in der Türkei bestehende Ausnahmezustand (OHAL), der dem Staat umfassende Möglichkeiten zur Verfolgung politischer Gegner einräumte, soll indessen nach seinem Auslaufen in der Nacht zum vergangenen Donnerstag im Rahmen eines neuen »Antiterrorgesetzes« fortgeschrieben werden. Der Entwurf sieht weitgehende Vollmachten für Provinzgouverneure, Einschränkungen des Demonstrationsrechts und die Einführung einer bis zu zwölf Tagen dauernden verschärften Untersuchungshaft – die völlige Isolation des Gefangenen unmittelbar nach der Festnahme, kein Recht auf einen Anwalt – vor.
»Obwohl die Regierung sagt, OHAL endet jetzt, versucht sie in der Realität, den Ausnahmezustand zu verewigen«, kommentierte die HDP-Parlamentarierin Ayhan Bilgen. »Wenn ein Politiker, ein Vertreter einer demokratischen Massenorganisation, ein Journalist oder ein Akademiker für seine Arbeit oder Forschung in eine bestimmte Region reisen will, kann der Gouverneur ihm den Zugang verwehren«, kritisiert Bilgen. »Das ist eine Regelung, wie sie derzeit in Israel existiert.«
Wie gravierend die Einschnitte in das zivile Leben der Türkei während des Ausnahmezustands waren, zeigt eine vergangene Woche veröffentlichte Studie des türkischen Menschenrechtsvereins IHD. Alleine in der südwestanatolischen Stadt Van sei es demnach in den vergangenen zwei Jahren zu rund 13.000 Rechtsverstößen durch den Staat gekommen. Van ist wie viele andere Städte der kurdischen Gebiete im Südosten der Türkei eine Hochburg der HDP.
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