Polizeibeamte haben Vereinsräume des Zwiebelfreunde e. V. und die Wohnungen von dessen Vorstandsmitgliedern in Berlin, Dresden, Augsburg und Jena sowie einen Augsburger Hackerspace durchsucht. Laut einem Bericht des Spiegel ordnete die Generalstaatsanwaltschaft München die Durchsuchungen am 20. Juni an, um die Urheber eines Blogs zu finden. Diese hatten dazu aufgerufen, den AfD-Parteitag in Augsburg zu stören, der am vergangenen Wochenende stattfand.
Eine direkte Verbindung zwischen dem Verein Zwiebelfreunde und der Website existiert nicht. Die Zwiebelfreunde haben sich der Förderung des Anonymisierungsnetzwerks Tor verschrieben, betreiben selbst Tor-Server und sind Ansprechpartner für Projekte, Presse und Behörden. Die Generalstaatsanwaltschaft sah jedoch einen indirekten Zusammenhang: Auf dem Anti-AfD-Blog war eine E-Mail-Adresse des Tech-Kollektivs Riseup als Kontakt angegeben. Die Zwiebelfreunde verwalten Spendengelder für die Gruppe, die unter anderem E-Mail-Accounts für linke Aktivisten und Gruppen anbietet.
Den Betroffenen wird nichts vorgeworfen
Der Mitgründer von Zwiebelfreunde, Moritz Bartl, sagte dem
Spiegel, die von der Durchsuchung betroffenen Personen gelten nicht als
Beschuldigte, sondern als Zeugen. Die Ermittlungsbeamten hätten
gegenüber Bartl angegeben, dass sie die Blogbetreiber ermitteln wollten.
Dafür hätten sie sowohl Vereinsgeräte und -dokumente als auch
persönliche Gegenstände Familienangehöriger und Eigentum von Bartls
Firma beschlagnahmt. Es sei ihm unmöglich, weiter seiner Arbeit
nachzugehen.
Im Interview mit Netzpolitik.org
berichtete Jens Kubieziel, laut dem Durchsuchungsbeschluss seien die
Behörden davon ausgegangen, Nutzerdaten in den Wohnungen zu finden. Er
ist einer der Vorstände der Zwiebelfreunde und war selbst von den
Polizeimaßnahmen betroffen. Dabei sei klar gewesen, dass diese nicht bei
ihm lagerten: "Schon ein einfacher Anruf oder Besuch eines Polizisten hätte die Lage schnell aufklären können",
sagte Kubieziel. Seine Frau erwähnte, die Polizisten hätten ihr
nahegelegt, dass Kubieziel als Vorstand zurücktreten solle - sonst könne
eine weitere Hausdurchsuchung drohen.
Polizei interpretiert typisches Hackerspace-Inventar als Sprengstoffzutaten
Bei der Durchsuchung des Augsburger Hackerspaces Openlab hatten die Polizeibeamten Gegenstände gefunden, die ihnen verdächtig vorkamen:
Chemikalien, chemische Formeln an einer Tafel und ein bombenförmiges
Plastikspielzeug. Derartige Gegenstände lassen sich wohl in zahlreichen
Hacker- und Makerspaces finden, doch für die Ermittler genügte das, um
Bartl und andere Anwesende festzunehmen und eines geplanten
Sprengstoffanschlags zu beschuldigen. Es stellte sich heraus, dass die
Gegenstände für das Ätzen von Platinen und 3D-Druck gedacht waren. Das
hatten die Betroffenen nach eigenen Angaben bereits währenddessen
versucht zu erklären.
Im Openlab ist auch der Augsburger Ableger des Chaos Computer Club beheimatet. In einer Mitteilung verurteilte der CCC die Maßnahmen der Polizei: "Sowohl
die initiale Verdachtsgewinnung gegen die Vorstände der Zwiebelfreunde
als auch die nachfolgende Verdächtigung in Richtung Sprengstoff sind
entweder inkompetent oder böswillig." Wenn das als Verdachtsmoment ausreiche, müsse "bald jeder Schüler sein Chemiebuch gut vor den Augen neugieriger Polizisten verstecken".
Der CCC kündigte außerdem an, dass in der kommenden Folge des Podcasts Logbuch:Netzpolitik einer der Betroffenen über den Vorfall berichten wird. Die Folge erscheint am 6. Juli.
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