Özils Entscheidung sei »für die Integrationsbemühungen in unserem Land über den Fußball hinaus ein schwerer Rückschlag«, sagte der frühere DFB-Präsident Theo Zwanziger der Deutschen Presse-Agentur. Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) sprach von einem »Alarmzeichen, wenn sich ein großer, deutscher Fußballer wie Mesut Özil in seinem Land wegen Rassismus nicht mehr gewollt und vom DFB nicht repräsentiert fühlt«. SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel appellierte »an alle Bürgerinnen und Bürger mit unterschiedlichen Wurzeln: Wir gehören zusammen und wir akzeptieren Rassismus never ever.«
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In einer dreiteiligen, über die sozialen Netzwerke verbreiteten Erklärung zu seinem Rückzug aus der DFB-Auswahl, mit der er 2014 in Brasilien Weltmeister geworden war, fragte Özil am Sonntag: »Ich wurde in Deutschland geboren und ausgebildet, also warum akzeptieren die Leute nicht, dass ich Deutscher bin?« Und weiter: »Gibt es Kriterien, ein vollwertiger Deutscher zu sein, die ich nicht erfülle? Meine Freunde Lukas Podolski und Miroslav Klose werden nie als Deutsch-Polen bezeichnet, also warum bin ich Deutsch-Türke? Ist es so, weil es die Türkei ist? Ist es so, weil ich ein Muslim bin?«
Rassismus im internationalen Fußball
Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz (CDU), nannte es »gut, dass sich Özil endlich erklärt«. Trotz Özils türkischer Wurzeln, die er als zentralen Grund für die Einwilligung in das Treffen mit Erdogan nannte, müsse er sich als Nationalspieler aber auch Kritik gefallen lassen, wenn er sich für Wahlkampfzwecke hergebe. Dies dürfe jedoch nicht »in pauschale Abwertung von Spielern mit Migrationshintergrund umschlagen«, betonte Widmann-Mauz.
Özil hatte im Zorn über das Verhalten von DFB-Chef Grindel in der Erdogan-Affäre geschrieben: »In den Augen von Grindel und seinen Helfern bin ich Deutscher, wenn wir gewinnen, aber ein Immigrant, wenn wir verlieren.« Er und seine Familie hätten hasserfüllte E-Mails und Drohanrufe erhalten, von Beleidigungen in den sozialen Netzwerken ganz zu schweigen, teilte der 92-malige Nationalspieler mit.
Lob aus Ankara
Während sich der DFB zunächst nicht zu Özils Aussagen äußerte, warteten türkische Regierungspolitiker mit großem Lob auf. »Wir unterstützen die ehrenhafte Haltung unseres Bruders Mesut Özil von Herzen«, erklärte Sportminister Mehmet Kasapoglu. Justizminister Abdulhamit Gül gratulierte dem gebürtigen Gelsenkirchener mit türkischen Wurzeln, weil dieser mit seinem Rücktritt das »schönste Tor gegen den faschistischen Virus geschossen« habe. Erdogans Sprecher Ibrahim Kalin begrüßte Özils Aussage, dass er den türkischen Präsidenten wieder treffen würde.Die Debatte um die Fotos mit Erdogan hatte die Nationalmannschaft bei ihrer Vorbereitung auf die WM und beim Turnier in Russland verfolgt. Ilkay Gündogan, der sich ebenfalls mit dem türkischen Staatschef getroffen und für Fotos posiert hatte, erklärte noch während des Trainingslagers, er habe keine politischen Absichten verfolgt. Özil indes schwieg wochenlang, ehe er sich am Sonntag mit seinen über mehrere Stunden verteilten Erklärungen zu Wort meldete. Darin bestritt auch er politische Absichten.
In der Nationalmannschaft muss Bundestrainer Joachim Löw nun nicht nur für die nächsten Länderspiele gegen Weltmeister Frankreich am 6. September und gegen Peru drei Tage später ohne seinen früheren Musterschüler Özil planen. Die Diskussion um den Mittelfeldspieler aber hatte schon länger die sportliche Dimension überschritten und mischte sich auch in die hitzige Asyldebatte.
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