Samstag, 21. Juli 2018

Hat der „unbescholtene Bürger“ nichts zu befürchten?


Hat der „unbescholtene Bürger“ nichts zu befürchten?
Mit dieser Beruhigungspille wollen CDU/CSU/SPD, AfD und Polizei die Bevölkerung einlullen und die sich entwickelnde breite Bewegung, Solidarität und Zusammenhalt unter den Arbeitern und den Massen spalten.

Von wegen:
1. gerät jeder in Videoüberwachung von öffentlichen Plätzen, Verkehrswegen oder Funkzellen – es sei denn, man bleibt zu Hause und stellt jede Kommunikation ein
2. kann jede flüchtige Bekanntschaft oder ein geschäftlicher Kontakt mit jemandem, der ins Visier der Polizei geraten ist, reichen, selbst ins Blickfeld zu rücken
3. wird jedes mögliche politische Engagement mit dem Einschüchterungsversuch belegt, man könnte ja Leute kennenlernen, die observiert werden
4. ermuntert ein System der Repression aufgrund bloßer Verdächtigung geradezu zur Denunziation – die Stasi (Staatssicherheitsdienst der DDR) lässt grüßen
5. sind Leute schon in die Mühlen von Polizei und Justiz geraten aufgrund von Namensgleichheit, Zahlendrehern oder zufälligen Aufenthalten „zur falschen Zeit am falschen Ort“

Wer schon mal die Erfahrungen mit Bürokratie, Schikane und Willkür von Behörden gemacht hat, kann sich ausdenken, was den „unbescholtenen Bürger“ bei einer zur Willkür ermächtigten Polizei erwartet.
Jeder, der sich Sorgen macht über die Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen der Menschheit, wegen der Arbeitsplatzvernichtung oder drohenden Armut, wer sich antifaschistisch, für Frauenrechte, für die Zukunft der Jugend oder für den Erhalt des Weltfriedens engagieren will, soll es sich dreimal überlegen, ob er aktiv wird und mit wem. Erst recht gilt das für jeden, der den Kampf gegen das ganze kapitalistische System aufnehmen will.
Neben der allgemeinen Einschüchterung sollen vor allem Marxisten-Leninisten, klassenkämpferische Kräfte in den Betrieben und revolutionäre Kräfte kriminalisiert und die Führung einer starken Arbeiterbewegung und überparteilichen Widerstandsbewegung gespalten bzw. diese gelähmt, gezähmt und zersetzt werden.
So hatten sich in Bayern über 40 Organisationen gegen das neue Polizeiaufgabengesetz (PAG) zusammengeschlossen, von Teilen der SPD und Grünen über bürgerlich-liberale Kreise, Gewerkschafter und Fußball-Fanclubs bis hin zu diversen antifaschistischen, linken und revolutionären Kräften. Um dieses breite Bündnis zu zerschlagen, brachte die CSU einen Antrag in den Landtag ein, in dem SPD, Grüne und weitere Organisationen aufgefordert werden, das Bündnis zu verlassen, weil darin Organisationen wie die MLPD, DKP, Rote Hilfe oder Linkspartei mitarbeiten. Die Abendzeitung (München) titelte: „CSU will Protestfront gegen Polizeiaufgabengesetz zerschlagen“.
Das Bündnis in Bayern lehnte diesen antikommunistischen Spaltungsversuch bewusst ab.
Auch in NRW gab das Bündnis gegen das neue Polizeigesetz antikommunistischen Zersetzungsversuchen des Landesvorsitzenden des Bundes Deutscher Kriminalbeamter Sebastian Fiedler in einem Interview über den WDR am 6.6.18 eine Abfuhr. „Zur Rechtsentwicklung der Regierung gehöre neben dem Abbau bürgerlich-demokratischer Rechte auch die Kampagne gegen den ,Linksextremismus‘, der man sich auf keinen Fall unterordnen werde“ (ein Sprecher des Bündnisses auf der Pressekonferenz am 6.6.18).

Gegen Kriminalität muss doch was getan werden“
Es steht außer Frage, dass Kriminalität, insbesondere schwere Straftaten und Gewaltverbrechen, verfolgt, bestraft bzw. möglichst vermieden werden sollten.
Umso erfreulicher, dass das Bundesinnenministerium am 8. Mai 2018 mitteilte, dass die erfassten Straftaten in Deutschland1 um fünf Prozent zurückgegangen sind, den niedrigsten Stand seit 25 Jahren erreicht haben.
Jeder weiß, dass die Bild-Zeitung seit Jahrzehnten Einzelfälle mit perverser Lust an der Sensation hochspielt und zur Auflagensteigerung ausschlachtet. Es ist eine Schande, dass auch sogenannte seriösere Medien dies heute mitmachen, um bei besonderer Hervorhebung der Verbrechen durch Flüchtlinge eine rassistische Stimmung zu erzeugen.
So gibt die polizeiliche Kriminalstatistik 2017 des BKA an, dass es elf Vergewaltigungen mit anschließendem Mord in Deutschland gab. Nur einer von elf Tatverdächtigen war „nichtdeutsch“. Und ist ein „Nichtdeutscher“ verdächtig oder gar der Täter, wird eine regelrechte Hysterie beschworen. Bei der viel größeren Anzahl deutscher Täter ist das nicht der Fall.
Und: Es stimmt, dass es in und um Massenunterkünften von Flüchtlingen häufiger Gewalt gibt. Doch: Dabei sind die Opfer meist die Flüchtlinge selbst. So gab es 2015–2017 über 4000 Anschläge, meist von faschistischen Tätern, auf Flüchtlingsunterkünfte. Neben den Angriffen auf Flüchtlingsunterkünfte (1578) gab es allein 2016, 385 tätliche Angriffe und 2545 Straftaten gegen Flüchtlinge mit 470 Verletzten.2
Das beste Mittel gegen verbreitete Krimi­nalitätsarten bei Flüchtlingen ist ihre zügige rechtliche, politische und soziale Gleichstellung, Aufhebung der Internierung in Massenlagern und Arbeitserlaubnis. Reaktionäre oder frauenfeindliche Weltbilder müssen bei Flüchtlingen wie Einheimischen, ob in der Flüchtlingsunterkunft oder auf dem Oktoberfest, weltanschaulich und politisch bekämpft werden.

1 Erfassung ohne ausländerrechtliche Straftaten, d.h. unerlaubter Aufenthalt o.ä.
2 Amadeu-Antonio-Stiftung (AAS)

Fußballfans protestieren
Der Dachverband der Fortuna Düsseldorf Fans SCD schreibt in seinem Demonstrationsaufruf zum 7.7.18: „Die Verschärfung des Gesetzes betrifft potenziell alle Menschen in NRW. Unsere Erfahrung zeigt allerdings deutlich, dass gerade Fußballfans unter solchen Verschärfungen leiden müssen. In den Medien oft als Krawallmacher und Randalierer bezeichnet, dient man gerne als Spielball der Politik.“

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