Donnerstag, 20. August 2015
KZ-Überlebende zeigt Facebook-Hetzer an
"So infam bin ich bisher noch nicht beleidigt worden", sagt die Auschwitz-Überlebende Esther Bejarano aus Hamburg. Im Namen der 90-Jährigen hat ein Anwaltsbüro am Dienstag gegen einen Facebook-Hetzer Anzeige erstattet. Der Vorwurf: üble Nachrede und Verleumdung gegen eine Person des politischen Lebens. In dem Schreiben an die Staatsanwaltschaft, das NDR.de vorliegt, beziehen sich die Anwälte auf einen diffamierenden Post des Facebook-Nutzers, den dieser wohl nach einem öffentlichen Auftritt Bejaranos in Fulda verfasst hat.
KZ-Überlebende auf eine Stufe mit Tätern gestellt
Darin verspottet der Mann das Engagement der Auschwitz-Überlebenden, die seit Jahrzehnten gegen Rechtsradikalismus kämpft, als "die große Esther-Bejarano-Show". Zudem stellt er sie verächtlich mit den Tätern auf eine Stufe: "Komischerweise werden überall in der Welt alte Menschen für 'Beihilfe zum Massenmord' angeklagt und verurteilt, weil sie mit dem Nazi-Regime kollaboriert hatten. Und nichts anderes hat diese Frau, die 'um ihr Leben gesungen' hat, getan". Bejarano, die das Konzentrationslager vermutlich nur überleben konnte, weil sie dort im sogenannten Mädchenorchester Akkordeon spielte, habe "andere mit einem lachenden Auge in den Tod gehen lassen", indem sie sich "freiwillig zur Bildung eines Lagerchors" gemeldet habe.
"Dürfen denn die Nazis machen was sie wollen?"
Vor etwa zwei Wochen erfuhr Bejarano von diesem Kommentar - und war zutiefst getroffen. "Eine solche Äußerung ist skandalös", sagt die Friedensaktivistin, die neben vielen weiteren Auszeichnungen auch mit dem Großen Bundesverdienstkreuz geehrt wurde. Nicht nur der Kommentar selbst sei fürchterlich, "auch, dass jemand bei Facebook unbehelligt so etwas schreiben kann, ist eine Schande", sagt sie. "Dürfen denn die Nazis heute machen was sie wollen?"
Bejarano: Verunglimpfung der Auschwitz-Opfer
Der Nutzer beleidige sie nicht nur persönlich, sondern verunglimpfe "all diejenigen, die in Auschwitz gewesen sind". Die Entscheidung, den Mann anzuzeigen, sei schnell gefallen. Es sei ihr ein großes Anliegen, dass er für seinen Kommentar "irgendwie bestraft" werde. Anfangs wollte sie selbst Strafanzeige stellen, doch nun haben das Freunde für sie übernommen. "Ich möchte auch gar nicht vor Gericht, bloß nicht in die Nähe solcher Nazis", sagt sie.
Facebook-Hasser "mit dem konfrontieren, was sie tun"
Karl-Heinz Dellwo ist eng mit Bejarano befreundet und Geschäftsführer des Hamburger Laika-Verlags, bei dem ihre Bücher erscheinen. Er hat die Anzeige in die Wege geleitet und sieht sie auch als ein Zeichen im Hinblick auf die vielen Hass-Kommentare, die aktuell immer wieder in sozialen Netzwerken auftauchen - gerade bei Flüchtlingsthemen. "Ich finde es immens wichtig, dass solche Leute mit dem konfrontiert werden, was sie tun - und Konsequenzen zu spüren bekommen", sagt er. In der Gesellschaft werde zwar immer wieder in Sonntagsreden "Nie wieder Auschwitz" gefordert - aber "viele wollen davon nichts hören". Es sei beunruhigend, dass Menschen heutzutage im Netz weitgehend unbescholten rechtsradikale Hetze verbreiten könnten.
Wie die Staatsanwaltschaft Hamburg am Donnerstag mitteilte, richtet sich die Anzeige gegen unbekannt. Sprecherin Nana Frombach sagte: "Wir prüfen die Anzeige." Kommt es zum Prozess, droht dem Mann eine Freiheitsstrafe zwischen drei Monaten und fünf Jahren.
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