Montag, 17. August 2015
Hartz IV: Großangelegte Statistik-Lüge der BA
Ältere Erwerbslose werden von der Bundesagentur für Arbeit aus der Statistik geschummelt
Trotz sinkender Arbeitslosigkeit in Deutschland steigt die Zahl der älteren Hartz IV Bezieher stetig. Wie passt das zusammen? Ganz einfach: Die Bundesagentur für Arbeit (BA) bedient sich eines statistischen Tricks: Erwerbslose gelten seit 2008 nicht mehr als arbeitslos, wenn sie über 58 Jahre alt sind, länger als ein Jahr Hartz IV beziehen und keine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung angeboten bekommen. Diese Gruppe taucht nicht in der Arbeitslosenstatistik auf, sondern nur noch in einer gesonderten Tabelle, der sogenannten Unterbeschäftigungsstatistik. Folglich sinkt die Arbeitslosenquote. Dass das auch für Arbeitsvermittler nicht gerade einen Anreiz bietet, für ältere Erwerbslose in Fördermaßnahmen und Weiterbildungen zu investieren, liegt auf der Hand.
Zahl der über 55-jährigen Erwerbslosen steigt weiter
Das Versprechen der schwarz-roten Bundesregierung klang zunächst vielversprechend. „Wir wollen das Prinzip des lebenslangen Lernens stärken und die Weiterbildungsbeteiligung Älterer steigern", hieß es noch vor einem Jahr im Koalitionsvertrag. Leider hat die Bundesregierung ihr Versprechen bisher aber nicht eingelöst.Und schlimmer noch: Statt ältere Erwerbslose gezielt zu fördern, erhalten sie immer seltener Weiter- oder Fördermaßnahmen. Da überrascht die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Bundestagsabgeordneten Brigitte Pothmer (Grüne) nicht. Demnach steigt die Zahl der über 55-Jährigen Erwerbslosen stetig. Und das, ob wohl die Arbeitslosenquote insgesamt rückläufig ist. So ist der Anteil der älteren Erwerbslosen im Jahr 2013 auf 23,2 Prozent gestiegen. 2009 waren es noch 15 Prozent. In konkreten Zahlen ausgedrückt stieg die Erwerbslosigkeit in dieser Altersgruppe in den vier Jahren von 495.000 auf 573.000.
Diese Entwicklung überrascht insofern, als das sich Deutschland im Jahr 2009 mitten in einer Wirtschaftskrise befand. Heute dagegen freut die Bundesregierung über eine gute Konjunktur. Dennoch bleibt eine aktive Arbeitsmarktpolitik mit Fördermaßnahmen wie Umschlungen und Weiterbildungen für ältere Erwerbslose auf der Strecke. 2013 wurden nur etwas über 11 Prozent der über 55-jährigen Erwerbslosen von der BA gefördert, 2009 waren es noch 12,6 Prozent – trotz damals schlechter Wirtschaftslage.
Ältere Erwerbslose sind häufig vom Arbeitsmarkt abgehängt
„Die Entwicklung ist besonders dramatisch, weil ältere Arbeitslose überdurchschnittlich schlechte Chancen haben, wieder Arbeit zu finden", erklärte Pothmer gegenüber dem Nachrichtenmagazin „Spiegel Online“. „Trotzdem geizt die Bundesagentur für Arbeit ausgerechnet bei ihnen an Qualifizierungs- und Weiterbildungsmaßnahmen." Die Bundesregierung konzentriere sich nur auf diejenigen, die noch am Markt und noch nicht in der Erwerbslosigkeit gefangen seien, so die Arbeitsmarktpolitikerin.
Besonders wenig Anreiz für Arbeitsvermittler, in ältere Erwerbslose zu investieren, bietet zudem ein Statistik-Trick der BA, durch den Erwerbslose über 58 Jahre aus der Arbeitslosenstatistik herausfallen. „Warum sollte man diejenigen fördern, deren Vermittlung keinen Einfluss auf die Arbeitslosenzahl hat. Dann lieber in jüngere Erwerbslose mit vielversprechenden Chancen auf dem Arbeitsmarkt investieren“, scheinen sich Bundesregierung und BA zu sagen. Über 58-jährige Erwerbslose werden seit 2008 in der Unterbeschäftigungsstatistik geführt. Somit fallen sie aus der Arbeitslosenstatistik heraus. Angaben des Online-Magazins zufolge wächst auch diese Gruppe der Erwerbslosen stetig. Während 2008 75 Ältere aus der offiziellen Statistik fielen, waren es 2013 bereits fast 146.000.
Pothmer fordert gezielte Qualifizierungs- und Fortbildungsmaßnahmen für Erwerbslose ab 55-Jahren. Der Fachkräftemangel sei ohne die Älteren auch nicht zu decken. (ag)
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