Mittwoch, 26. August 2015
Heidenau (Sachsen): Streicheln statt helfen
Unter regierenden Bundespolitikern wurde in dieser Woche die Parole »Kuschelkurs« ausgegeben. Weniger Schlagzeilen über schnellere Abschiebungen, die Abschottung der EU-Grenzen oder »massenhaften Asylmissbrauch«, so das offensichtliche Ziel. Den Anfang durfte Sigmar Gabriel (SPD) schon am Montag im von schweren Ausschreitungen rechter Gewalttäter erschütterten Heidenau machen. Den dort wütenden Neonazimob bedachte er mit der Nazivokabel »undeutsch«. Merkel, de Maizière und Gauck wollen auch Menschlichkeit zeigen – in ihren Terminkalendern ist in dieser Woche jeweils ein Besuch bei Flüchtlingen vermerkt. An der repressiven Politik gegenüber Asylbewerbern wird das nichts ändern.
Derweil brannte es erneut: In der Nacht zum Dienstag ging eine Sporthalle in Nauen (Havelland) in Flammen auf – dort sollten in dieser Woche Flüchtlinge untergebracht werden. »Es handelt sich vermutlich um vorsätzliche Brandstiftung«, sagte Brandenburgs Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD). Darauf deuteten Ausbreitung und Schnelligkeit des Feuers hin. Nicht zuletzt hatte es in Nauen mehrfach rassistische Aufmärsche gegeben, Parteibüros der Linken und der SPD wurden attackiert. Auch beim Feuer in einer potentiellen Flüchtlingsunterkunft in Weissach in Baden-Württemberg hält Landesinnenminister Reinhold Gall (SPD) Brandstiftung für wahrscheinlich. Der Auslöser ist zwar noch unklar. »Gleichwohl sollte es ja schon ein großer Zufall sein, wenn eine andere Brandursache als die, die viele vermuten, in Betracht käme«, sagte er am Dienstag beim Besuch dort. Das Haus hatte am Montag gebrannt. In der Nacht zuvor wurde bereits in Delmenhorst nahe Bremen an der Fassade einer Moschee Feuer gelegt, die Polizei ermittelt.
Dann war da noch das Fanal von Heidenau. Die sächsische Kleinstadt wird sich Angela Merkel am heutigen Mittwoch noch einmal vornehmen. Die Kanzlerin führe Gespräche mit Flüchtlingen, Helfern und Sicherheitskräften, teilte ihr Sprecher Steffen Seibert am Dienstag mit. Sicher findet sie auch jemanden zum »Drücken«. Darin hat Merkel Übung, wie sie vor wenigen Wochen unter Beweis stellte, nachdem sie in einer Diskussionsrunde ein palästinensisches Mädchen mit einem Referat über Abschiebungen zum Weinen brachte.
Staatsoberhaupt Joachim Gauck, gerade aus dem Sommerurlaub zurück, wird ebenfalls heute seinen Pflichtbesuch abstatten. Wie eine Sprecherin des Präsidialamts informierte, habe er sich die Flüchtlingsunterkunft in Berlin-Wilmersdorf ausgesucht, da sie in der Nähe seines Wohnorts liege: »Der Bundespräsident fährt jeden Tag daran vorbei«. Die Streichung der Geldleistungen für Flüchtlinge war diesmal kein Thema, als Thomas de Maizière (CDU) am Dienstag im Erstaufnahmelager in Friedland auftrat. Zu den Versäumnissen der Regierung bei der Unterbringung von Asylbewerbern erklärte der Innenminister nonchalant: »Es nützt gar nichts, nach hinten zu gucken«.
Die Betroffenheit in Medien und Politik bringe herzlich wenig, kritisierte Ulla Jelpke, innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag zu den Reaktionen auf die nicht abreißenden Angriffe gegen Flüchtlingsheime. Aufklärung und Verfolgung der Straftaten sowie konkrete Strategien, dem Rassismus entschieden entgegenzutreten, seien notwendig.
Zumindest eine positive Meldung gab es am Dienstag: Nach dem Anschlag auf eine Asylbewerberunterkunft in Groß Lüsewitz bei Rostock sind zwei Verdächtige wegen versuchten Mordes verhaftet worden. Die beiden Männer sollen im Oktober 2014 zwei Brandsätze an das Haus geschleudert haben. Die Bewohner schliefen zum Tatzeitpunkt.
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