21.02.2017
In Mexiko sehnen viele bereits jetzt das Ende des Jahres 2017 herbei. Mit den zwölf Glockenschlägen, die das neue (oder vielleicht alte Jahr) einläuteten, trat der höchste Anstieg der Kraftstoffpreise seit fast zwei Jahrzehnten in Kraft.
Wie wir sehen, profiliert sich das Land als ein strategischer Lieferant von Rohöl und anderen Formen von Energie an andere Nationen, allerdings auf Kosten der nationalen Souveränität.
Mexiko: Chronik einer verdeckten Privatisierung
Die Privatisierung von
Pemex führt zu weniger Mitteln für öffentliche
Investitionen. Eine heikle Sache in Zeiten der
allgemeinen Unzufriedenheit mit der Staatsführung Peña
Nietos
In Mexiko sehnen viele bereits jetzt das Ende des Jahres 2017 herbei. Mit den zwölf Glockenschlägen, die das neue (oder vielleicht alte Jahr) einläuteten, trat der höchste Anstieg der Kraftstoffpreise seit fast zwei Jahrzehnten in Kraft.
Der neue "Gasolinazo" (Benzinpreis-Coup), der erst einige
Tage nach Weihnachten angekündigt wurde, hat eine Welle der
Empörung in der Bevölkerung ausgelöst, die in der ersten
Woche der Proteste, Mobilisierungen, Besetzungen von
Tankstellen, Transportstreiks und Plünderungen zu mindestens
sechs Toten, 15 Verletzten sowie mehr als 1.500 Festnahmen
führte.
Zahlreiche Ökonomen sind sich einig, dass es sich hier um
einen harten Schlag gegen die Geldbörse der Mexikaner
handelt. Und der Multiplikationsefekt des Benzins wird sich
in einem Anstieg der vorhersehbaren Inflation von drei
Prozent niederschlagen, die unvermeidlich die Lebenshaltung
Aller verteuern wird, ob sie ein Fahrzeug nutzen oder nicht.
Welches sind die neuen Kraftstoffpreise pro Liter?
-
Das Benzin Magna ging von 13,98 auf 15,99 Pesos (0,77
US-Dollar) hoch, das ist ein Anstieg von 14,2 Prozent .
-
Das Benzin Premium von 14,81 auf 17,70 Pesos (0,85 Dollar) an. Dieser Typ Kraftstoff ist am stärksten betroffen und steigt um 20,1 Prozent.
-
Schließlich der Diesel von 14,45 auf 17,05 Pesos (0,82 Dollar), das bedeutet einen Anstieg um 16,5 Prozent
Wenn wir zurückschauen, stellen wir fest, dass es nicht das
erste Mal ist, dass die mexikanische Regierung den
Benzinpreis erhöht. Allein innerhalb des letzten Drittels
des Jahres 2016 gab es drei mal in Folge einen Anstieg.
Zusammen mit den Erhöhungen seit dem Amtseintritt von
Enrique Peña Nieto im Dezember 2012 stellt dies insgesamt
einen Anstieg um 48 Prozent dar.
Es kann immer schlimmer sein
"Wir begeben uns von einem Zustand, in dem wir nur
einen Kraftstoff, einen Preis und einen Anbieter hatten,
in ein Schema mit mehr Freiheit, mehr Auswahlmöglichkeiten
und in dem die Preise in Relation zu anderen Kosten
reagieren werden, ich insistiere, es geschieht das Gleiche
wie mit jedem anderen Preis in der Wirtschaft", José
Antonio Meade, Finanzminister.
Das neue Projekt zur Vermarktung des Benzins wurde nicht
von heute auf morgen ausgedacht. Tatsächlich handelt es sich
um einen Plan der Liberalisierung der Preise, mit dem die
Regierung von Präsident Enrique Peña Nieto bis Januar 2018
die Kommerzialisierung der Treibstoffe im ganzen Land zum
Marktpreis beabsichtigt. Das bedeutet, dass die Endpreise
der Kraftstoffe wenigstens fünf Variablen widerspiegeln: den
internationalen Erdölpreis, die Transport- und
Lagerungskosten, ebenso die Raffinationskosten, die
Handelsspanne jeder Firma, die Steuern (Mehrwertsteuer,IVA,
und Steuer auf Produktion und Dienstleistungen, IEPS) und
den aktuellen Wechselkurs zwischen dem Peso und dem
US-Dollar.
Hieraus ergeben sich zwei unmittelbare Konsequenzen. Da es
keinen vom Staat festgelegten einheitlichen Preis gibt,
ändern sich die Zahlen täglich. Auch gibt es nicht nur
Tankstellen der nationalen Industrie, sodass neue
ausländische Unternehmen Kraftstoffe liefern können.
Vergessen wir hierbei nicht, dass wir von einem Land
sprechen, in dem der Verkauf von Benzin mehr als 65
Milliarden Dollar an Gewinnen jährlich einbringt.
Die Täuschung der Energiereform
Am 4. Januar 2015 versicherte Präsident Enrique Peña Nieto,
dass es dank der Energiereform keine weiteren "Gasolinazos"
geben wird. Heute wissen wir, dass diese Ankündigung nicht
mehr als eine leere Versprechung war, die sich auf einen
noch dunkleren Hintergrund zurückführen lässt.
Allgemein betrachtet lässt sich sagen, dass die
Energiepolitik, die über Jahrzehnte durch die verschiedenen
Regierungen in Mexiko durchgeführt wurde, die Grundlagen des
alten Modells der Privatisierung gelegt haben, was über den
Vermögenstransfer ins Ausland und die Demontage der
nationalen Wirtschaft lief. Der Umgang mit der
Erdölindustrie, die seit Jahren im Zentrum der Debatte
steht, ist das deutlichste Beispiel und einer der
Hauptgründe dieser Realität.
Die im Jahr 2014 angekündigte Energiereform änderte die
Spielregeln und eröffnete ein Milliardengeschäft. Die
Gesetzgebung trieb Veränderungen in den Verfassungsartikeln
25, 27 und 28 voran, um die Teilhabe privater mexikanischer
und ausländischer Firmen bei der Erkundung und Ausbeutung
von 17 Prozent der Erdölfelder sowie die Rechtsübertragung
auf 79 Prozent der Felder mit Ölreserven auf mexikanischem
Territorium zu autorisieren. Daten des
Regulierungsausschusses für Energie zufolge betragen die
künftigen Ressourcen fossiler Brennstoffe in Mexiko, dem
weltweit neuntgrößten Ölproduzenten, mehr als 100 Milliarden
Barrel. Diese Angabe schließt die geprüften und möglichen
Ölvorkommen in Gewässern, zu Lande und in der Tiefsee ein.
Ebenfalls mit berechnet wurden die Vorkommen von Erdgas und
Schiefergas, das mit dem System hydraulischer Fraktuierung
oder Fracking gewonnnen wird.
Ein weiterer Teil des Kuchens kommt dem Geschäft mit der
Elektroenergie zu. Mit der Energiereform bekäme das
Privatkapital auch eine Genehmigung, Großverbraucher wie
Industrien oder Handel zu beliefern, die mehr als 50 Prozent
der gesamten Verkäufe der Comisión Federal de Electricidad 1
ausmachen und im Jahr 2013 Einkünfte für Mexiko von mehr als
13 Milliarden US-Dollar brachten.Wie wir sehen, profiliert sich das Land als ein strategischer Lieferant von Rohöl und anderen Formen von Energie an andere Nationen, allerdings auf Kosten der nationalen Souveränität.
Die verschleierte Privatisierung
Der Niedergang der Produktivität der Petróleos Mexicanos, Pemex, wurde für die Energiereform instrumentalisiert.
Diese größte und einzige staatliche Erdölfirma hat Probleme
mit der Zahlungsfähigkeit. Bis zum Jahr 2015 hatte sie
Verluste von bis zu 40 Milliarden US-Dollar und fast 100
Milliarden Dollar Schulden. Durch die geringe Reinvestition
von Gewinnen in die nationale Industrie wurde wiederum die
Chance verspielt, den fossilen Rohstoff als Hebel für die
wirtschaftliche Entwicklung Mexikos zu nutzen.
Aus dieser Krise erklärt sich, dass die Regierung von
Enrique Peña Nieto ihre Pläne zur Privatisierung der
Erdölindustrie mit der Ausrede zugedeckt hat, die Bilanz zu
sanieren, die industrielle Produktivität von Pemex zu
erhöhen und die Wettbewerbsfähigkeit des Sektors zu
steigern. Diese Pläne werden allerdings immer offener.
Seit Mitte des Jahres 2015 begann der staatliche Ölkonzern
mit der Phase der Ausschreibungen, bei denen
US-amerikanische und britische Firmen aus dem Öl- und
Gasgeschäft miteinander um die Vorteile von Verträgen einer
gemeinsamen Produktion für die Erkundung und Gewinnung
fossiler Brennstoffe konkurrieren. Nach Schätzungen der
Regierung führt die Öffnung für Privatkapital zu einem
"Regen ausländischer Investitionen", die letztlich die
wirtschaftliche Entwicklung des Landes stärken würden. Es
ist eine Strategie, die bis heute keinen Erfolg hatte, der
Investitionsfluss blieb hinter den Vorhersagen der Regierung
zurück.
Man muss berücksichtigen, dass Pemex der Bundesregierung
ein Drittel ihrer jährlichen Einkommen bringt, solange das
Einkommen der Ölkonzerne 6,8 Prozent des
Bruttoinlandsproduktes des Landes darstellt. In anderen
Worten bedeutet dies, dass die Privatisierung des
Staatsunternehmens zu weniger Mitteln für den Bedarf an
öffentlichen Investitionen führt und dies wiederum erfordert
in der Logik der Regierung zunehmende Angriffe auf
Sozialprogramme. Eine heikle Sache in Zeiten der allgemeinen
Unzufriedenheit in der Bevölkerung mit der Staatsführung
Peña Nietos.
Man darf nicht vergessen, dass dies alles innerhalb des
Szenario eines tiefen sozialen Bruchs geschieht. Daten des
Nationalrates zur Einschätzung der Politik für soziale
Entwicklung (Coneval) zufolge lebten 55 Millionen der 127
Millionen Einwohner Mexikos im Jahr 2014 in Armut. Zudem
überlebte laut einer Studie der Weltbank aus dem selben Jahr
ein Drittel der Bevölkerung mit Einkünften von weniger als
fünf Dollar pro Tag.
Die Kosten dieser Operation sind nicht nur auf die
sozio-ökonomischer Ebene beschränkt. Der Verlust der
staatlichen Souveränität hat auch seinen politischen Preis.
Ohne Zweifel ist dies ein Sieg für die ausländischen
Erdölinteressen und ihre Verbündeten in Mexiko, die
demontieren, was von der Industrie und vom Land geblieben
war.
- 1. Das Staatsunternehmen Comisión Federal de Electricidad besitzt aufgrund der mexikanischen Verfassung ein weitgehendes Monopol in der Erzeugung und Versorgung mit Elektrizität
Links:
[1] https://amerika21.de/autor/crismar-lujano
[2] https://desinformemonos.org/estados-del-pais-se-suman-protestas-gasolinazo/
[3] http://www.celag.org/mexico-cronica-de-una-privatizacion-encubierta/
[4] https://flattr.com/submit/auto?user_id=amerika21&url=https%3A%2F%2Famerika21.de%2Fanalyse%2F169597%2Fmexiko-verdeckt-privatisierung&title=Mexiko%3A%20Chronik%20einer%20verdeckten%20Privatisierung&description=In%20Mexiko%20sehnen%20viele%20bereits%20jetzt%20das%20Ende%20des%20Jahres%202017%20herbei.%20Mit%20den%20zw%C3%B6lf%20Glockenschl%C3%A4gen%2C%20die%20das%20neue%20%28oder%20vielleicht%20alte%20Jahr%29%20einl%C3%A4uteten%2C%20trat%20der%20h%C3%B6chste%20Anstieg%20der%20Kraftstoffpreise%20seit%20fast%20zwei%20Jahrzehnten%20in%20Kraft.&language=de_DE&category=text
[1] https://amerika21.de/autor/crismar-lujano
[2] https://desinformemonos.org/estados-del-pais-se-suman-protestas-gasolinazo/
[3] http://www.celag.org/mexico-cronica-de-una-privatizacion-encubierta/
[4] https://flattr.com/submit/auto?user_id=amerika21&url=https%3A%2F%2Famerika21.de%2Fanalyse%2F169597%2Fmexiko-verdeckt-privatisierung&title=Mexiko%3A%20Chronik%20einer%20verdeckten%20Privatisierung&description=In%20Mexiko%20sehnen%20viele%20bereits%20jetzt%20das%20Ende%20des%20Jahres%202017%20herbei.%20Mit%20den%20zw%C3%B6lf%20Glockenschl%C3%A4gen%2C%20die%20das%20neue%20%28oder%20vielleicht%20alte%20Jahr%29%20einl%C3%A4uteten%2C%20trat%20der%20h%C3%B6chste%20Anstieg%20der%20Kraftstoffpreise%20seit%20fast%20zwei%20Jahrzehnten%20in%20Kraft.&language=de_DE&category=text
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