Schulz weiß, die Krise der SPD ist eng verbunden mit der von der damaligen SPD/Grünen-Regierung unter Schröder/Fischer durchgesetzten Agenda 2010 und den Hartz-Gesetzen. Während die SPD bei der Bundestagswahl 1998 noch 40,9 Prozent erreichte, rutschte sie in den Umfragen der letzten Zeit zeitweise unter 20 Prozent. Seine Selbstkritik nach 13 Jahren Hartz IV ist aber keineswegs ehrlich und allein wahltaktischer Natur. Seit 2001 sitzt Schulz im 18-köpfigen Präsidium – dem engsten Führungszirkel der SPD. Er hat alles mitbeschlossen und in all den Jahren kein Wort der Kritik am SPD-Kurs geäußert.
Doch was hat es mit seinen "Korrekturen" auf sich? Schulz will unter anderem eine längere Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I (ALG I), weniger befristete Jobs und mehr Kündigungsschutz. Damit will er vor allem unter tariflich und unbefristet beschäftigten Arbeiterinnen und Arbeitern der Stammbelegschaften Boden gut machen. Die große Masse der befristet Beschäftigten, viele Leiharbeiter oder Hartz-IV-Auftstocker, die nur mit Unterbrechungen beschäftigt sind, haben davon nichts, weil sie ohnehin keine Chance auf ALG I haben. Auch lässt er offen, für wie lange die Bezugsdauer des Arbeitslosengelds I erhöht werden soll. Derzeit erhalten Arbeitslose unter 50 Jahren maximal zwölf Monate ALG I, für ältere Erwerbslose gibt es die Leistung für bis zu 24 Monate.
Auch stellt Schulz damit weder die Agenda 2010 noch die Hartz-Gesetze als Ganzes in Frage. Im Kern hält er bis heute daran fest. Das wäre damals "die richtige Antwort auf eine Phase der Stagnation" gewesen, behauptet er. Damit versucht er im Nachhinein, ihr den Anschein einer fortschrittlichen Reform zu geben und verschleiert ihren wahren Zweck. Die SPD zog mit der Agenda 2010 willig die von den führenden Monopolen geforderte soziale Demontage durch. Die Herrschenden wollten bei der weltweiten Neuorganisation der Produktion, der Umstrukturierung der Monopole in internationale Produktionsverbünde ganz vorne mitmischen.
Tatsächlich ging es um den massiven Ausbau des Niedriglohnsektors durch befristete Stellen, Leiharbeitsplätze, Minijobs und Lohndumping. Über 1,2 Millionen Beschäftigte müssen heute zusätzlich zu ihrem Einkommen Hartz IV beantragen. Zugleich wurden die Kapitalisten z.B. bei den Unternehmensteuern auf Dauer finanziell "entlastet" – mehr als von jeder anderen Regierung vorher. Das alles ist Schulz natürlich bestens bekannt!
Schulz fordert auch, befristete Arbeitsverhältnisse zu verringern. Befristungen sollen nur noch bei sachlichen Gründen möglich sein. Ein Teilzugeständnis, das aber ebenfalls an der Grundrichtung der Agenda-Politik nichts ändert. Was ist denn mit den Werksverträgen und den fast eine Million Leiharbeitern? Jeder Leiharbeiter kann nach drei Monaten Unterbrechung wieder am selben Arbeitsplatz eingesetzt werden. In mehr als einem Drittel aller Betriebe der Autoindustrie werden zurzeit auch Werkverträge eingesetzt. Die Werkvertrags-Arbeiter haben in der Regel schlechtere Arbeitsbedingungen und niedrigere Löhne.
Im Unterschied zu Schulz tritt die MLPD für klare Forderungen dazu ein: Unbefristete Zahlung von ALG I in Höhe von 68 Prozent des letzten Nettolohnes! Übernahme aller Leiharbeiter in feste Arbeitsverhältnisse!
Je konkreter die Aussagen bzw. die Taten von Schulz werden, umso mehr wird er die neu belebten Hoffnungen in die SPD wieder enttäuschen. "Enttäuschte Illusionen können aber Ausgangspunkt für eine neue politische Orientierung an dem 2016 gegründeten Internationalistischen Bündnis sein. Grundlegende Veränderungen können ohnehin nicht durch Wahlen innerhalb des kapitalistischen Systems erreicht werden – sondern nur durch dessen revolutionäre Überwindung! Dafür steht die MLPD." - Das schreibt die neue Rote Fahne Nr. 4/2017. Sie entzaubert den "neuen Heilsbringer" gründlich.
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