Mittwoch, 22. Februar 2017

Unschuldsvermutung war gestern


Bundesinnenminister verteidigt bei Polizeikongress anlasslose Durchsuchung der Handys von Flüchtlingen

Von Markus Bernhardt
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Demonstration gegen den 20. Polizeikongress am Samstag in Berlin
Noch bis zum heutigen Mittwoch abend findet in Berlin der diesjährige Europäische Polizeikongress statt. Die Tagung, die vom Behördenspiegel veranstaltet wird und seit Dienstag im »Berlin Congress Center« am Alexanderplatz läuft, gilt als eine Art Thinktanktreffen von Polizisten, Sicherheitsfanatikern, Geheimdienstlern und innenpolitischen Hardlinern.
Am Dienstag verteidigte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) auf dem Kongress das geplante Auslesen der Handydaten von Asylsuchenden durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). »Wir haben das im Asylpaket II auch für die Ausländerbehörden schon ermöglicht. Und es besteht überhaupt kein Grund, warum nicht das Bundesamt für Migration das auch können sollte«, verteidigte der CDU-Rechtsaußen die Pläne der Bundesregierung. Kritik kam hingegen von der Linksfraktion im Bundestag. Die standardisierte und verdachtsunabhängige Durchsuchung von Mobiltelefonen durch das BAMF stelle Geflüchtete auf eine rechtliche Stufe mit Verdächtigen einer schweren Straftat, monierte Ulla Jelpke, die innenpolitische Sprecherin der Linken. De Maizière hingegen behauptete, dass viele Flüchtlinge insbesondere aus Staaten, für deren Bürger hier »vermutlich keine sichere Bleibeperspektive existiert«, ein Handy, aber keinen Pass besäßen. »Es ist nicht zuviel verlangt, wenn ein Staat, von dem der Betroffene Schutz begehrt, dass dann diesem Staat gegenüber wahrheitsgemäß gesagt wird, wie man heißt und woher man kommt«, sagte er am Dienstag.
Der Polizeikongress steht in diesem Jahr unter dem Motto »Europa grenzenlos? Freiheit, Mobilität, Sicherheit«. Programmatisch befassen sich die rund 1.700 Besucher im Rahmen von 20 Fachforen mit dem sogenannten Kampf gegen Terrorismus, »linksextremistischer Gewalt« und der Abschottung der EU-Außengrenzen. Auch neuere technische Entwicklungen wie etwa die automatische Gesichtserkennung werden auf dem Kongress behandelt, den auch Firmen wie Vodafone, Jenoptik und Microsoft unterstützen.
Bereits am vergangenen Samstag waren rund 250 Menschen einem Aufruf linker Gruppen gefolgt und hatten gegen den Kongress demonstriert. »In Zeiten zugespitzter gesellschaftlicher Konfliktlagen, die in den Augen der Herrschenden als Konsequenzen von Krisen auftreten – die Schlagworte Finanz- und Flüchtlingskrise sind in aller Munde –, wird auf repressive ordnungspolitische Maßnahmen zurückgegriffen«, kritisierten sie. Zugleich warnten sie vor einer weiteren »Hochrüstung des Polizeiapparates«.
Ähnlich äußerte sich auch die Bundestagsabgeordnete Karin Binder (Die Linke). Diese hatte sich schon in den vergangenen Jahren kritisch zu dem Polizeikongress geäußert. Am Dienstag sagte sie im Gespräch mit junge Welt, statt über den weiteren Abbau von Grund- und Freiheitsrechten nicht nur für Flüchtlinge zu schwadronieren, sei es sinnvoller, sich Gedanken über eine Demokratisierung der Behörden zu machen. Noch immer gelten die Unschuldsvermutung und ebenso das Recht auf körperliche Unversehrtheit, stellte Binder klar. »Von daher bleibe ich auch bei meiner Forderung, den Einsatz von Pfefferspray bei Demonstrationen zu verbieten, da nicht auszuschließen ist, dass es dabei – aufgrund von Vorerkrankungen, Drogengebrauch oder allergischen Reaktionen – zu Todesfällen kommen kann.« Die Abgeordnete sprach sich auch gegen den Einsatz von Elektroschockpistolen, sogenannten Tasern, aus. Die umstrittenen Distanzwaffen werden seit Februar in Berlin von 20 Beamten im Streifendienst getestet. In den USA, wo die Waffe flächendeckend eingesetzt wird, kam es mehrfach zu Todesfällen, da der Beschuss mit den Metallpfeilen, die mit Drähten mit dem Taser verbunden sind und kurzzeitig eine Spannung von bis zu 50.000 Volt auf die Zielperson übertragen, für Menschen mit Herz- bzw. Kreislauferkrankungen schnell lebensbedrohlich sein können. »Gesellschaftliche Konflikte haben sich noch nirgendwo auf der Welt mit Gewalt lösen lassen«, betonte Binder.

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