Mittwoch, 19. April 2017

Brief von Yusuf Tas zu seinem Hungerstreik

18.04.17
solidaritätYusuf Tas befindet sich seit dem 30. März im Hungerstreik. In einem Brief erklärt er seine Gründe.
Lieber …,
Wir haben schon lange nicht geschrieben, aber wie ich beim ersten Brief schon geschrieben habe; wir haben immer von uns gehört. Jetzt fragst du dich bestimmt welcher erste Brief. Gleich wirst du eine Antwort finden.
Am 24. Februar bin ich in die JVA Heimsheim verlegt worden. Gleich bei der Ankunft bin ich in eine geschlossene Abteilung gebracht worden. Mir wurde nichts gesagt, aber es gab auch nichts zu sagen, weil hier wussten sie auch nicht was sie mit mir machen werden. Dann ist der Anstaltsleitung eine „super“ Idee eingefallen:
„Kein Kontakt zur Außenwelt, sogar sein Anwalt; bis er es selber merkt!“
Ich dachte am Anfang, na gut, kann passieren. Bin ja kein normaler Verurteilter, politische Gefangene werden immer mit Besonderheiten in ihrer Umgebung konfrontiert. Und deswegen bin ich erstmal für ein paar Tage in dieser Abteilung, dann wird sich alles normalisieren (!).
Die Abteilung, in der ich mich befinde ist eine so genannte „Bewährungsabteilung“, aber die Gefangenen nennen sie „Absonderung“. Eine Abteilung in der manche Gefangene durch Disziplinarmaßnahmen für 3 bis 6 Monate (manchmal mehr) in eine besonders beschränkte Abteilung bleiben müssen.
Gleich über das Wochenende habe ich mich bei den Gefangenen erkundigt, weil die Beamten keine Antworten haben; für Besucher, TV, Telefonieren usw. nötige Anträge geschrieben und abgegeben.
Dann habe ich diese Zeit genutzt, um Briefe zu schreiben. Seit langer Zeit wollte ich nach Änderungen Briefe schreiben. Und endlich ist das ja eine Änderung. Über 20 Briefe (darunter auch dein erster Brief) habe ich geschrieben. Bis hier ist alles wie üblich.
Mit der Zeit (bis heute) erfahre ich aber das irgendeine Art „Selbstjustiz“ gegen mich geführt wurde:
Briefe: türkische Briefe wurden nicht gesendet, die gekommen sind, wurden mir nicht gegeben. DAS ERFAHRE ICH NACH 3 WOCHEN!
Besucher: Keinem wurden bis zum 30. März eine Genehmigung gegeben. DAS ERFAHRE ICH NACH 34 TAGEN!
Briefe an meinen Anwalt: Sie wurden nicht gesendet und mir zurückgegeben. NACH 2ß TAGEN!
Nochmal Briefe: Deutsch geschriebene Briefe (manche) wurden mir zurückgegeben, weil sie zugeklebt waren (!). Sie sollen offen gesendet werden. Seit 4 Jahren sende ich meine Briefe offen. Warum gerade jetzt und die Briefe?
Telefonieren: Am Anfang bekam ich keine bestimmte Antwort. Ich war sogar überrascht, warum es so lange gedauert hat. (Nicht ich, sondern die Anstaltsleitung.) Dann keine Antwort. Erst auch nach 34 Tagen eine Zulassung, aber bis jetzt ist nichts passiert.
Nach all dem Geschehenen wollte ich mein Anwalt anrufen; aber auch keine direkte Antwort. Ignoriert.
Am 30. März habe ich die Anstaltsleitung und den Sicherheitsdienst zu einer Sitzung eingeladen. Mir wurde gesagt, dass in den nächsten Tagen sich alles normalisieren wird, bis meine Schriftsprache sind ändert.
Ich darf trotz, dass ich bei Besuch oder Telefonaten türkisch spreche (oder besser gesagt sprechen werden),
trotz, dass ich kein Deutscher bin,
trotz, dass fast meine ganze Familie in der Türkei und außerhalb Deutschland lebte,
trotz, dass ich bis jetzt seit 4 Jahren dieses Problem nie hatte,
darf ich keine türkischen Briefe schreiben oder erhalten.
Das habe ich mit all diesen „Absurd“lichkeiten der Anstaltsleitung erklärt. Ber als Antwort sagten sie: „Ein Dolmetscher kostet Geld!“
Obwohl hier fast jeder in seiner Sprache schreibt und Briefe bekommt (auch auf türkisch).
Das hat sie nicht überzeugt und sie bestehen darauf, dass ich nur Deutsch schreibe.
Dann habe ich auf deutsch ihnen gesagt, dass ich bis ich in meiner Sprache schreiben, lesen und Briefe bekommen werde ich in einen Hungerstreik trete.
Jetzt warten wir.
Lieber …, seit dem 30. März bin ich im Hungerstreik. Seit meiner Verlegung habe ich keinen Besuch oder direkten Kontakt mit meinem Anwalt, ich konnte auch meiner Familie nicht richtig schreiben (weil die Briefe angehalten wurden) und sie benachrichtigen.
Warum? Weil die JVA Heimsheim die Sicherheit hunderter Krimineller vor mir schützt.
Es gibt noch viel zu erzählen, vielleicht das nächste Mal und auf türkisch.
Bis dahin.
Viele Grüße an dich und alle Freunde.
Bis gleich
Yusuf
P.S.: Der erste Brief war auf Deutsch nur als Anhang habe ich eine Kopie des Briefes, den ich an die taz schickte, beigelegt und der war auf türkisch. Deswegen.
Yusuf Tas
c/o JVA Heimsheim
Mittelberg 1
71296 Heimsheim
VON: AKSOLIDARITAET 14. APRIL 2017

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