Mittwoch, 19. April 2017

Interview mit dem selbstorganisierten „Hasan Ferit“ Drogen-Behandlungszentrum in Istanbul

17.04.17
hfgDie Internationale Plattform gegen Isolation führte ein Interview mit dem selbstorganisierten „Hasan Ferit“ Drogen-Behandlungszentrum in Istanbul, das seit seiner Entstehung stets staatlicher Polizeirepression ausgesetzt war und im vergangenen Jahr nach einer Razzia von Polizeitruppen besetzt wurde..
(Junge Welt berichtete: https://www.jungewelt.de/…/widerstand-gegen-mafia-und-staat…)
“IM MOMENT GEHT ES UNS NICHT SO SEHR DARUM, DAS ZENTRUM ZURÜCKZUNEHMEN, SONDERN WIR ARBEITEN DARAN, EIN IDEALES BEHANLDUNGSZENTRUM ZU ERÖFFNEN...
WENN WIR DIESEN TRAUM AN UNSERE BEVÖLKERUNG HERANTRAGEN UND SIE IN DIESE PLÄNE MITEINBEZIEHEN, KÖNNEN WIR IHN REALISIEREN"

* Wie sieht es mit Eurem Zentrum im „Großen Gazi Park“ (Büyük Gazi Park) aus, das im vergangenen Jahr von der Polizei besetzt wurde? Dauert die Polizeibelagerung an und wird der Kampf zur Rückerlangung des Zentrums fortgesetzt?
Unser Behandlungszentrum im Großen Stadtpark in der Gazi Mahalle wird immer noch von der Polizei besetzt gehalten. Es wird sogar erzählt, dass dort auf Dauer die Zentrale des Sondereinsatzkommandos errichtet werden soll.
Es wird immer unser Ziel sein, das Zentrum zurückzugewinnen. Wir haben dort ganz großartige Dinge erreicht. Wir haben neue Methoden und Auffassungen im Kampf gegen die Drogenabhängigkeit und gegen die Verbreituung von Drogen entwickelt. Wir haben positive Ergebnisse erzielt. Der wahre Grund für die Polizeibesetzung ist ohnehin dieser Erfolg.
Doch im Moment geht es nicht darum das Zentrum sofort zurück zu nehmen, sondern wir arbeiten daran, ein ideales Behandlungszentrum zu eröffnen. Wir werden noch am Ende des Interviews genauer auf dieses Projekt eingehen. Das Entscheidende ist nicht, dort die Behandlungen durchführen zu können, sondern alle Hindernisse zu überwinden und neue Wege und Mittel für die Behandlung zu entwickeln und auf unserem Weg voran zu kommen.
Mit dieser Auffassung setzen wir derzeit die Behandlung in einem gewöhnlichen Appartment fort. Das Appartment ist natürlich nicht ideal für die Behandlung. Während hier die Behandlung fortgesetzt wird, geht die Suche nach einem optimaleren Ort weiter.
* Soweit wir wissen, wurde unlängst auch eine Eurer Anwält*innen verhaftet. Wird der Kampf auch auf juristischer Ebene fortgesetzt?
Der Ausnahmezustand macht die gegenwärtige Lage natürlich etwas schwieriger. Unter den Bedingungen des Faschismus sind die Mittel des Kampfes beschränkt und es ist unmöglich auf dieser Ebene etwas zu erreichen. Natürlich bedeutet das nicht, dass wir den juristischen Kampf, sowie den Kampf für Gerechtigkeit aufgeben. Wir handeln im Bewusstsein dieser Realität. Wir handeln im Wisssen, dass wir für unsere Rechte kämpfen müssen und sie Auge um Auge gegen den Faschismus kämpfend gewinnen und entfalten können. Die Anwältin unseres Zentrums, eine Rechtsanwälting der Anwaltskanzlei des Volkes (Halkin Hukuk Bürosu) wurde bereits aus der Haft entlassen.
* Wieviele eurer Freunde wurden verhaftet und befinden sich aufgrund ihrer Beteiligung an den Aktivitäten eures Behandlungszentrums derzeit in Haft?
Es muss zunächst gesagt werden, dass die Arbeit in unserem Zentrum nicht als offizieller Haftgrund genannt wird. Der Faschsimus bricht die eigenen Gesetze, bastelt sich falsche Beweise zurecht, verhaftet Menschen mit unnachgewiesenen Unterstellungen. In dieser Periode befinden sich Dutzende Journalist*innen und Künstler*innen monatelang im Gefängnis, ohne dass überhaupt eine Anklage gegen sie vorliegt. Unsere Freund*innen und Mitarbeiter*innen befinden sich auch auf diese Weise in Haft. Derzeit sind 4 unserer Freund*innen mit unterschiedlichen Vorwürfen im Gefängnis.
* Wir sehr wirken sich Polizeirepression, von der auch drogenabhängige Personen betroffen sind, sowie die Einschüchterungspolitik gegenüber dem Zentrum auf Angehörige aus? Wie wir auf eurer Facebook-Seite nachlesen konnten, warten einige Familien bereits ungeduldig darauf, ihre abhängigen Familienmitglieder eurem Zentrum anzuvertrauen. Ist die Unterstützung und sind die Erwartungen innerhalb der Bevölkerung immer noch so groß und wieviele Personen nehmen derzeit bei euch eine Behandlung in Anspruch, bzw. haben sich gemeldet?
Die beschränkten Mittel zur Behandlung und die geringe Anzahl an Betten, hindert uns daran, alle Patient*innen aufzunehmen. Anschwärzungen der Polizei kommen nicht zu kurz. Sie zielen darauf, die Menschen von uns und unserem Zentrum fernzuhalte, indem sie unsere Institution stürmt und uns terorrisiert.
Ohne Zweifel gibt es auch Personen, die von dieser Polizeirepression und von den Angriffen abgeschreckt werden. Doch es gibt so wahnsinnig viele Menschen, deren Kinder oder Verwandte abhängig sind, sämtliche Schritte unternommen aber keinen Erfolg hatten und jetzt in uns ihre letzte Rettung sehen. Bei diesen Menschen, die sich hilflos fühlen, zeigt die Polizeirepression keinerlei Wirkung. Wir belassen es nicht dabei, lediglich unsere drogenabhängigen Menschen zu behandeln. Wir machen sowohl der abhängigen Person als auch deren Familie bewusst, weshalb sich die Drogen so sehr ausgebreitet haben, dass staatliche Politiken dahinter stecken und es daher unmöglich ist, eine dauerhafte Lösung zu finden, ohne diese Politiken ins Leere laufen zu lassen.
Abhängige und deren Familien, welche begreifen, dass es notwendig ist, Drogen zu bekämpfen und dass auch sie sich von diesem Kampf nicht abwenden können, wissen auch um die Bedingungen, die eine erfolgreiche Behandlung voraussetzen.
Es gibt keine feste Patient*innenzahl. Es kommen und gehen ständig neue Patient*innen. Wir haben nur 4 Betten.
* Unter den Bedingungen des Ausnahmezustands wird jegliche Form der Aktion angegriffen. Setzt ihr auf breite Unterstützung, um diese Angriffe zurückschlagen zu können?
Nein! Aber natürlich nicht NEIN im negativen Sinne. Wir hegen nur keine Erwartungen. Wir wissen und sind überzeugt davon, dass die Menschen trotz jeder Art von Repression seitens des Faschismus und trotz Ausnahmezustand für ihre Rechte kämpfen und siegen werden. Daran haben wir keinerlei Zweifel. Auch wir versuchen in diesem Kampf unserer Verantwortung nachzukommen. Der Angriff mittels Drogen und Degeneration ist einer der schlimmsten Angriffe des Systems auf unsere Bevölkerung.
In diesem Bewusstsein und Glauben werden wir uns mit allen legalen, demokratischen und legitimen Kampfmitteln gegen diese Angriffe wehren, dagegen kämpfen und gemeinsam die Tage erleben, in denen menschliche Werte und (erdem) im Vordergrund stehen. Für uns sind das keine Erwartungen, sondern unsere Zukunft, die sich auf jeden Fall verwirkliichen wird.
* Möchten Sie sonst noch etwas hinzufügen?
Zuallererst danken wir euch für das Interview und die Möglichkeit unsere Anliegen öffentlich zu machen.
Wie zuvor schon gesagt, versuchen wir die Behandlungen in einem gewöhnlichen Appartment durchzuführen.
Diese Umstände machen die Behandlung natürlich schwierig. Wir wollen eine Werkstatt eröffnen um unsere Patient*innen an der Produktion teilnehmen zu lassen und die Zeit sinnvoll zu nutzen. Aber auch wenn diese Werkstatt eröffnet ist, werden unsere Bedingungen nicht optimal sein. Geschlossenen Räume, in denen soziale Aktivitäten keinen Platz finden, die eher einem Gefängnis ähneln, sind für unsere Patient*innen nicht geeignet.
Der Wunsch diese negativen Bedingungen zu überwinden und ein ideales, vorbildliches Behandlungszentrum zu eröffnen wurde schon früher in Gesprächen geäußert.
Warum sollte das nur ein Traum bleiben? Wenn wir diesen Traum an unsere Bevölkerung herantragen und sie in diese Pläne miteinbeziehen, können wir sie realisieren.
Wir habven uns gesagt WIR KÖNNEN WAHRHAFTIG EIN IDEALES, VORBILDLICHES BEHANDLUNGSZENTRUM ERÖFFNEN und haben beschlossen, eine Kampagne zu starten, um eine neue Lokalität zu eröffnen.
Wie stellen wir uns das Behandlungszentrum vor?
Wir werden ein ideales Behandlungszentrum in einem dreistöckigen Gebäude, auf einer geschlossenen Fläche von 300 Quadratmetern, mit mehreren Schlafzimmern, Besucherräumen, Hobbyräumen, einem Turnsaal, einem Kinosaal, einer Veranstaltungsfläche, einem Speisesaal, einer Bibliothek, einem Garten einer Lauffläche und einer Grünfläche errichten.
Klar, die Kosten für ein solches Behandlungszentrum werden hoch sein. Es ist uns aus eigenen Mitteln nicht möglich dafür aufzukommen. Denn wir behandeln die Kinder unserer armen Bevölkerungsschichten kostenlos. Wir zielen nicht auf Gewinn. Wir haben kein Geld, aber wir wissen und haben aus unseren Erfahrungen gelernt, dass wir Dinge schaffen und verwirklichen, die als unmöglich betrachtet werden, wenn wir dies Hand in Hand mit unserer Bevölkerung umsetzen. Es gab auch vorher kein Geld, und trotzdem haben wir die Notwendigkeit, unsere drogenabhängigen Menschen zu behandeln erkannt und ein Behandlungszentrum eröffnet, in dem wir positive Ergebnisse erzielen konnten.
Wir haben dort innerhalb eines Jahres mehr als 400 Menschen behandelt. Für keine dieser Behandlungen haben wir Geld verlangt. Dies war uns mit der Hilfe und Solidarität unserer Bevölkerung gelungen. Unser neues Behandlungszentrum werden wir mit derselben Auffassung und ebenso mit der Hilfe unserer Bevölkerung ermöglichen.
Deshalb beginnen wir mit einer großen Kampagne. Mit unseren Komitees von freiwilligen Personen, werden wir uns an unsere gesamte Bevölkerung wenden, von Haus zu Haus und von Geschäft zu Geschäft gehen und um Unterstützung bitten.
3 Millionen, 4 Millionen... wieviel auch immer dafür nötig ist, wir werden das Geld sammeln und unser Behandlungszentrum aufbauen.
Wir bereiten Materialien vor, um unser Behandlungszentrum und unsere Kampagne vorzustellen. Es werden Broschüren, Flugblätter, Plakate, Videos und andere Bildmaterialien fertiggestellt....
Damit gehen wir dann zu den Menschen und erzählen, warum wir ein solches Behandlungszentrum für wichtig halten und was wir uns konkret vorstellen. Und wir sind sicher, dass wir in enger Kooperation mit unserer Bevölkerung ein großartiges Zentrum eröffnen werden
In diesem Sinnen hoffen wir auf Teilnahme und Unterstützung aller Freund*innen. Niemand solle denken „das ist so weit weg, ich kann nichts tun“. Alle haben die Möglichkeit, einen Beitrag zu leisten.
Wir wünschen uns von allen Freund*innen neben eigener Unterstützung, Menschen in ihrem Umfeld zu mobilisieren und sich als freiwillige Mitarbeiter*innen unserer Kampagne zu verstehen.
So können wir es schaffen. Niemand, keine Kraft kann uns daran hindern.
Wir fügen hier zum Schluss noch unsere Kontaktdaten hinzu.
Wir danken euch erneut, dass ihr uns diese Möglichkeit gegeben habt und wünschen euch viel Erfolg.
Tel No: ++ 90 544 606 3183
Tel No: ++ 90 506 064 6533
E mail: bmucadele@gmail.com
Facebook: Hasan Ferit Gedik Uyuşturucu İle Savaş Ve Kurtuluş Merkezi-Gazi
Hasan Ferit Gedik Uyuşturucu İle Savaş Ve Kurtuluş Merkezi
Hasan Ferit Gedik Zentrum zur Bekämpfung und Befreiung von Drogenabhängigkeit
https://www.facebook.com/aNewsblog/posts/1826964497620538:0
Hungerstreikende Gefangene im Erdogan-Staat an der Todesschwelle

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