IMI-Analyse 2017/09 - in: AUSDRUCK (April 2017)
von: Mirko Petersen | Veröffentlicht am: 12. April 2017
Als Barack Obama 2009 seine erste Amtszeit als Präsident der Vereinigten Staaten antrat, war ein Neuanfang in den Beziehungen mit Russland eines seiner großen außenpolitischen Themen – viele Politiker_innen und Journalist_innen sprachen von einem möglichen „Reset“ zwischen Washington und Moskau. Zu einer Entspannung kam es jedoch nicht.[1] Die grundlegenden Interessenkonflikte zwischen beiden Seiten konnten nicht beseitigt werden und die Spannungen nahmen, besonders im Zuge der Kriege in der Ukraine und Syrien, sogar noch zu.
Mit dem Sieg Donald Trumps in den US-Präsidentschaftswahlen im November 2016 schien sich nun jemand durchgesetzt zu haben, der ein positives Bild Russlands vermittelt und am erneuten Versuch einer Reset-Politik interessiert ist. Genau diese Haltung führte in den USA zu heftigen Debatten während des Wahlkampfs und darüber hinaus. Dieser Artikel zeichnet einige dieser Debatten nach und fragt anschließend, ob wir wirklich vor einem neuen Reset zwischen den USA und Russland stehen.
Putins Marionette?
Es lässt sich wahrlich nicht behaupten, dass die Obama-Administration durch eine russlandfreundliche Politik auffiel. Gleichzeitig scheint es so, dass Obama eine noch stärkere Konfrontation mit Russland vermeiden konnte, indem er den Einfluss von Hillary Clinton, Außenministerin während seiner ersten Amtszeit, einschränkte[2] und nicht auf die aggressivsten Forderungen von Oppositionellen wie John McCain einging.
Mit der genannten Hillary Clinton trat aufseiten der Demokratischen Partei eine Politikerin zu den Präsidentschaftswahlen 2016 an, die für ihre kompromisslose außenpolitische Haltung bekannt war und die vor keiner Konfrontation mit dem Regime von Wladimir Putin, das häufig konträre Positionen auf globaler Ebene vertritt, zurückschreckt. Zum Entsetzen vieler Demokrat_innen und Republikaner_innen deutete der Gegenkandidat, Donald Trump, an, an, Sympathien für Wladimir Putin zu haben und an einer Annäherung mit Moskau interessiert zu sein.[3] Clinton versuchte dies für ihren Wahlkampf zu nutzen, indem sie Trump als „Putins Marionette“ (Putin’s puppet) darstellte. Dies schien allerdings nicht auf ein ausreichendes Echo bei den US-amerikanischen Wähler_innen gestoßen zu haben und konnte ihr nicht zum Wahlsieg verhelfen.[4]
Auch nach Trumps Sieg in den Wahlen verstummten die Debatten um die Beziehungen des Wahlsiegers zu Russland keineswegs – im Gegenteil: sie nahmen sogar weiter Fahrt auf und nehmen teils hysterische Züge an. Prinzipiell lassen sich zwei Motive hinter den Debatten entdecken: zum einen soll Russland die Schuld an der Wahlniederlage Clintons gegeben werden und zum anderen versucht die vormalige außenpolitische Elite einen Politikwandel gegenüber Russland durch die neue Regierung zu verhindern.
Nach der überraschenden Niederlage Hillary Clintons rückte eine Erklärung dafür in den Vordergrund: Russland habe durch gezielte Hacker-Angriffe in den Wahlkampf eingegriffen, um Trump zum Sieg zu verhelfen. Laut Einschätzungen von CIA, FBI und NSA habe Putin Hacker-Angriffe auf die Demokratische Partei angeordnet und die geheimen Informationen WikiLeaks zugespielt, die diese dann veröffentlichten.[5] Clinton ist sich sicher, dass Putin sich dafür rächen wollte, dass sie 2011, während ihrer Zeit als Außenministerin, die Rechtmäßigkeit der russischen Parlamentswahlen angezweifelt hatte.[6]
Diese Vorwürfe, für die keine Beweise vorliegen, wurden sowohl von der russischen Regierung als auch von WikiLeaks-Gründer Julian Assange bestritten.[7] Doch, wie der Journalist Robert Parry betont, steht selbst im Falle der Bestätigung dieser Vorwürfe ein großes Fragezeichen dahinter, ob die Veröffentlichung der geheimen Informationen einen entscheidenden Einfluss auf den Wahlausgang hatte.[8] Der Verweis auf Russland ermöglicht dem Establishment der Demokratischen Partei jedoch, die Tatsache zu verschleiern, dass eine falsche Kandidatin und ein falsches Wahlprogramm für die Wahlniederlage verantwortlich waren.
Neben dem Establishment der Demokratischen Partei befeuern auch Teile der Republikanischen Partei sowie Trump-kritische Medien die Hysterie rund um die Verbindungen zu Russland. Am weitesten ging dabei wohl der bekannte Journalist Thomas L. Friedmann (Kolumnist in der New York Times), der die russischen Hackerangriffe als einen kriegerischen Akt auf dem Niveau des 11. September 2001 bezeichnete.[9] Als klare Interessengruppe hinter der Russland-Hysterie ist die neokonservative Gruppe um die Familie Kagan zu identifizieren. Diese Gruppe ist für ihre Lobbyarbeit für US-Interventionen auf aller Welt bekannt und sah in Hillary Clinton die bessere Kandidatin zur Umsetzung ihrer Ziele. Nach den Wahlen haben sich die Kagans und ihre Mitstreiter_innen vorgenommen, die Trump-Regierung zu destabilisieren oder zumindest eine Änderung der außenpolitischen Linie, hin zu einer Reset-Politik mit Russland, zu verhindern.[10] Robert Kagan, das wohl bekannteste Mitglied dieser einflussreichen Familie, versucht nun, besonders die Republikaner_innen gegen Trumps Russland-Politik in Stellung zu bringen.[11]
Stehen die Zeichen wirklich auf Reset?
Die Besorgnis um eine neue Russland-Politik von Donald Trump scheint also auf vielen Seiten groß zu sein. Doch ist seit seinem Amtsantritt etwas passiert, das auf eine neue Reset-Politik schließen lässt? Außer einiger warmer Worte während des Wahlkampfs und der Zeit danach[12] ist diesbezüglich wenig Handfestes zu finden. Der Außenpolitik-Experte Walter Russel Mead hat eine Liste von Maßnahmen aufgelistet, die man von einem russlandfreundlichen Präsidenten, der Trump ja angeblich sei, erwarten würde:
- Limitieren von Fracking
- Verhindern des Baus von Öl- und Gaspipelines
- Verhandlungen über Atomwaffenreduktion
- Militärhaushalt verkleinern
- Mit dem Iran kooperieren
Nach den gegenseitigen Komplimenten von Trump und Putin während des des Wahlkampfes in den Vereinigten Staaten und der Zeit danach, traten bereits kurz nach Amtsantritt des neuen US-Präsidenten die ersten Spannungen auf. Donald Trumps UNO-Botschafterin, Nikki Haley, verurteilte bei ihrem ersten Auftritt im Sicherheitsrat Anfang Februar die russischen Eingriffe in der Ukraine und kündigte an, dass die Wirtschaftssanktionen gegen Moskau aufrechterhalten werden.[15] Kurz darauf forderte Trump von der russischen Regierung, die Krim an die Ukraine zurückzugeben und kündigte ein umfangreiches (Atom-)Rüstungsprogramm an.[16] Der Kreml zeigte sich enttäuscht von diesen Äußerungen und die Freude über den neuen US-Präsidenten in Russland ist vorerst gebremst.[17]
Gründe der Kurskorrektur
Wie lassen sich diese Entwicklungen nun erklären? Zum einen lässt sich sicherlich auf die Saradzhyan und Tobey genannten grundsätzlichen Probleme in den Beziehungen zwischen Moskau und Washington verweisen. Zum anderen ist es jedoch kein Zufall, dass die Forderung nach der Rückgabe der Krim durch Trump kurz nach dem Rücktritt seines Nationalen Sicherheitsberaters Michael Flynn erfolgte, der aufgrund von zu engen Kontakten zum russischen Botschafter in den Vereinigten Staaten – mutmaßlich auf Betreiben der US-Geheimdienste – zurücktreten musste. Im Anschluss war Trumps Regierung stärker bemüht, Härte gegenüber Russland zu zeigen.[18] Der Druck der Neokonservativen, der Medien und von Politiker_innen beider großer Parteien scheint hier bereits seine Wirkung zu zeigen.
So scheinen die Chancen auf einen Neustart in den US-amerikanisch-russischen Beziehungen noch schneller als nach dem Amtsantritt Obamas wieder zu schwinden. Dabei wäre eine Verbesserung der Beziehungen immens wichtig für die Lösung vieler globaler Probleme. Es gibt wahrlich genügend Aspekte der Politik der Trump-Regierung, gegen die es sich zu kämpfen lohnt. Der Kampf gegen ein Reset mit Russland sollte jedoch von der Agenda aller Bewegungen, die sich für grundlegende Änderungen in der US-Politik (und anderswo) einsetzen, gestrichen werden.
Anmerkungen
[1] Vgl.: Petersen, Mirko: Überlastung statt Reset. Zunehmende Spannungen zwischen Russland und den USA, in: IMI AUSDRUCK 2/2013, S. 22-28.
[2] Vgl.: Farley, Keegan: Die Hochzeit der Kriegstreiber. Hillary Clinton und der überparteiliche Plan zur Ausweitung der Amerikanischen Macht, in: IMI AUSDRUCK 5/2016, S. 1-10, hier: S. 1.
[3] Vgl.: Saradzhyan, Simon/ Tobey, William H.: Männerfreundschaft reicht nicht. Eine wirkliche Verbesserung der amerikanisch-russischen Beziehungen ist auch in der Ära Trump nicht zu erwarten (IPG-Journal, 19.12.2016).
[4] English, Robert David: Russia, Trump and a New Détente. Fixing U.S.-Russian Relations (Foreign Affairs, 10.03.2017).
[5] Vgl.: tagesanzeiger.ch (16.12.2016): FBI teilt Vorwürfe der Wahlbeeinflussung.
[6] Vgl.: Chozick, Amy: Clinton says ‚Personal Beef‘ by Putin Led to Hacking Attacks (New York Times, 16.12.2016).
[7] Vgl.: tangesanzeiger.ch: FBI teilt Vorwürfe der Wahlbeeinflussung, s.o.; Medick, Veit/Reinbold, Fabian: Eine merkwürdige Allianz (Spiegel Online, 05.01.2017).
[8] Vgl.: Parry, Robert: The Kagans Are Back; Wars to Follow (Middle East Online, 17.03.2017).
[9] Vgl.: Real Clear Politics (14.02.2017): Friedman: Flynn Resignation Shows Russia Hacking Was On Scale With 9/11, Pearl Harbor.
[10] Vgl.: Parry: The Kagans Are Back, s.o.
[11] Vgl. hierzu seinen Artikel in der Washington Post vom 6. März 2017: Kagan, Robert: Republicans are becoming Russia’s accomplices.
[12] In Bezug auf diese warmen Worte, hebt der Russland-Experte Stephen F. Cohen hervor, dass diese ein vollkommen übliches Prozedere darstellen. Auch Franklin D. Roosevelt hat Joseph Stalin gelobt, Richard Nixon sprach positiv über Leonid Breschnew und Bill Clinton über Boris Jelzin (vgl.: Cohen, Stephen S.: Why We Must Oppose the Kremlin-Baiting Against Trump (The Nation, 22.02.2017)).
[13] Vgl.: Mead, Walter Russel: Trump Isn’t Sounding Like a Russian Mole (The American Interest, 24.02.2017).
[14] Saradzhyan/Tobey: Männerfreundschaft reicht nicht, s.o.
[15] Vgl.: Spiegel Online (03.02.2017): USA verurteilen aggressives Vorgehen Russlands.
[16] Vgl.: Spiegel Online (14.02.2017): Trump fordert Rückgabe der Krim an die Ukraine.
[17] Vgl.: Spiegel Online (16.02.1017): Kreml von Trump enttäuscht.
[18] Vgl.: sueddeutsche.de (16.02.2017): USA erhöhen Druck auf Russland in der Ukraine-Krise.
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