Mittwoch, 21. Mai 2014
Soma: „Die Gewerkschaften sind nur Marionetten, und die Geschäftsleitung denkt nur ans Geld.“[1]
Von Gerd Höhne
Ein Trafo soll in 400m Tiefe explodiert sein, sagen die offiziellen Berichte. Aber die Transformatoren explodieren wohl auch in der Türkei nicht einfach mal so. Der in der Steinkohlenzeche von Soma explodierte nicht nur, sondern löste auch noch einen Brand aus, der immer noch nicht gelöscht werden konnte.
„Christoph Dauber, Professor für Bergbaukunde an der Technischen Fachhochschule „Georg Agricola“ in Bochum: „Ein Transformator muss in unbrennbaren Bereichen aufgestellt werden. Dort darf es weder Holz noch Kohlenstaub geben“, erklärt er“[2]. In Soma wurde das offensichtlich nicht eingehalten.
Schlimmer noch: Der explodierte Trafo legte offenbar die gesamte Elektrizitätsversorgung der Grube lahm. Die Förderkörbe, mit denen die Kumpels nach oben hätten fliehen können – es waren wegen Schichtwechsel mehr als 700 Kumpel in der Zeche – fiel aus, die Fluchtwege waren abgesperrt.
Und, was noch schlimmer ist, die Frischluftversorgung fiel auch aus. Jetzt konnte das durch den Brand entstehende Kohlenmonoxid ungehindert in die unteren Bereiche der Zeche sickern. CO-Gas ist schwerer als Luft, sinkt also nach jungten. Es ist geruchlos. Geschmacklos und hochgiftig. Es entsteht bei unvollständiger Verbrennung von kohlenstoffhaltigen Stoffen. Es kann also bei Bränden in Steinkohlenzechen leicht entstehen. Ohne Frischluftzufuhr – diese war bekanntlich durch den Ausfall des Trafo ebenfalls ausgefallen, gibt es kein Entrinnen. Der Tod tritt nach 10 Minuten ein: Das Rettungsgerät, das wohl auch die Kumpels von Soma bei sich trugen, verzögert die tödliche Gasvergiftung nur um eine Stunde.
Die Kumpels der Rettungskräfte über Tage pumpten zwar dann doch Frischluft ins Bergwerk, aber es konnten sich nur zwei Luftblasen bilden –ein aber ist bisher zugänglich. Es soll das schlimmste Bergwerksunglück aller Zeiten sein: mindesten 270 tote Kumpels.
Die Ursachen: Die in der Zeche tätige Gewerkschaft ist zahm wie ein Schoßhündchen, ihre Funktionäre sind gekauft von der Zechenleitung. Die hat nur Profit im Kopf und ansonsten ist es den Direktoren gleichgültig.
Der linke Gewerkschaftsbund DISK
ist das Unglück von Soma deshalb ein „Massaker“, wie der Vorsitzende Kani Beko sagt. In Gruben wie in der von Soma seien ganze Ketten von Subunternehmern am Werk, die nicht vernünftig kontrolliert würden. Sicherheitsvorschriften würden außer Acht gelassen: „ Es geht nur um den Gewinn.“
Der linke Gewerkschaftsbund „ Konföderation der Revolutionären Arbeitergewerkschaften der Türkei“ (DISK) bezeichnet das, was in Soma geschah, deshalb als „Massaker“. Deren Vorsitzende Kani Beko sagt: In Gruben wie in der von Soma seien ganze Ketten von Subunternehmern am Werk, die nicht vernünftig kontrolliert würden. Sicherheitsvorschriften würden außer Acht gelassen: „ Es geht nur um den Gewinn.“[3]
Entsprechend heftig reagierte die Bevölkerung der Stadt und Region von Soma:
Die Rheinische Post berichtet; „Die Demonstranten schleuderten vor dem Büro der Regierungspartei AKP in der Stadt Soma Steine und bezeichneten Ministerpräsident (…) Erdogan als „Mörder“ und „Dieb“. Die Polizei stand mit Wasserwerfern und Gasmasken bereit. In Ankara setzen Sicherheitskräfte Tränengas gegen Protestler ein.“
Erdogan hatte mit einer Mehrheit erst vor einigen Tagen den Antrag abgelehnt, eben jene Zeche auf Sicherheitsmängel überprüfen zu lassen. Und jetzt heuchelt er Anteilnahme und lässt Staatstrauer verkünden.
Und hier? Es mag sein, in deutschen Bergwerken passiert weniger Schlamperei und deshalb sind hier die Unfälle seltener. Aber erst am 5. April 2012 kam es bei Bohrarbeiten in 1200 m Teufe zum Austritt von Schwefelwasserstoffgas. Dabei kam ein Bergmann durch das giftige Gas ums Leben, drei andere wurden verletzt.[4]
In der saarländischen Kohlezeche Grube Luisenthal ereignete am 7. Februar 1962 eine Schlagwetterexplosion, bei der 299 Bergleute starben. Ursache war offenbar ein schlecht belüfteter Streb.
Oder das bekannteste Grubenunglück der Nachkriegszeit in der Eisenerzgrube Lengede-Broistedt im Jahre 24. Oktober 1963, bei dem 29 Bergleute ums Leben kamen. Auch hier war die Direktion nicht ganz unschuldig. Sie hatte direkt neben dem Bergwerk einen Wasserteich anlegen lassen. Die Zechenleitung wollte nach wenigen Tagen die Rettungsaktionen einstellen.
Bergleute der Zeche aber machten den Direktor in drastischer Form darauf aufmerksam, dass in einen „Alten Mann“ – ein Geröllfeld – sich noch Kumpels gerettet haben könnten. Bei Bohrungen stieß man in 56 m Tiefe auf einen Hohlraum. Die hier verschütteten 11 Bergleute machten mit Klopfgeräuschen auf sich aufmerksam. Sie wurden am 7. November gerettet.
Es wird vom „Wunder von Lengede“ geschwätzt. Tatsächlich aber willigte die Grubendirektion nur widerwillig in die erneute Rettungsbohrung nach den 11 Kumpels ein. Nur durch öffentlichen Druck konnten die Bergleute gerettet werden. Das Wunder entpuppte sich aalst eine massive Kampfaktion der Kollegen der Eingeschlossenen. Richtig wäre: Die Solidaritätsaktion der Kumpel von Lengede.
Ganz ähnlich wohl auch jetzt in der Türkei. Die türkischen Kohlenbaron e haben – unter Deckung durch die Regierung – auf Teufel komm raus Kohle fördern lassen. Sicherheit ist teuer, kostet Geld. Die Barone aber wollen Geld verdienen und keins reinstecken. Die fast 300 Kumpels mussten das mit dem Leben bezahlen.
G.H.
[1] Zitat nach Spiegel-online
[2] Siehe „Der Westen“
[3] Siehe Spiegel-online
[4] Siehe Wickipedia
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