Mittwoch, 21. Mai 2014

»Behörden schnüffeln weiter« nd 21.5.14

Am 22. Mai jähren sich die Razzien gegen neun Personen aus Berlin, Magdeburg und Stuttgart wegen vermeintlicher Mitgliedschaft in den Revolutionären Aktionszellen (RAZ) und redaktioneller Tätigkeit bei »radikal«, einer anonym herausgegebenen linken Zeitschrift, die zuletzt 2011 erschien. Die RAZ zeichnete für Sprengstoff- und Brandanschläge in den Jahren 2009 bis 2011 verantwortlich, unter anderem gegen ein Jobcenter und das Haus der Wirtschaft in Berlin. Mit Anja (Name geändert), einer der Beschuldigten, sprach Niels Seibert über den Stand des Verfahrens. Die Auszubildende engagiert sich gegen Repression sowie in Stadtteil- und Arbeitskämpfen. Nach der Durchsuchung von 21 Wohnungen warten Beschuldigte auf Gerichtsprozess Vor einem Jahr wurde Ihre Wohnung durchsucht. Was hat sich seitdem getan? Nicht viel. Die Bundesanwaltschaft ermittelt weiter. Bei einigen männlichen Beschuldigten hat sie DNA-Entnahmen beantragt, die der Bundesgerichtshof genehmigt hat. Mehrere Beschuldigte verweigerten sich und wurden daraufhin festgenommen und unter Zwang zur ärztlichen Blutentnahme ins Revier oder Krankenhaus gebracht. Akteneinsicht haben wir bislang nur teilweise erhalten. Der Umfang beläuft sich derzeit auf 13 DVDs mit jeweils etwa 5000 Seiten. Was hat die Akteneinsicht ergeben? In erster Linie scheinen sich die Verdachtsmomente auf sogenannte nachrichtendienstliche Erkenntnisse zu stützen, die nicht weiter benannt werden. Konkret heißt das, dass Informationen des Verfassungsschutzes eine große Rolle spielen. Sie werden uns aber weder zugänglich gemacht noch nachvollziehbar dokumentiert. Seit Beginn der Ermittlungen 2009 wurden die Beschuldigten umfangreich überwacht – auch bei Bündnistreffen und anderen politische Aktivitäten. Zahlreiche Personen wurden damit Teil der Ermittlungen. Geben die Akten Auskunft über konkrete Überwachungsmaßnahmen? Zahllose Telefonate wurden aufgezeichnet, die Handy-Standortdaten durch sogenannte stille SMS abgefragt und das Internetverhalten analysiert. Dazu kommen Fotoaufnahmen und Observationen durch Beamte, Videokameras, die in Sichtweite der Hauseingänge angebracht wurden, sowie an PKW angebrachte Peilsender. Aus den gesammelten Daten wurden Profile und Beziehungsmuster erstellt. Auch offenbarte sich, dass im Oktober 2010 bei zwei Beschuldigten verdeckt DNA-Proben entnommen wurden. Nach Aktionen der RAZ wurden mehrmals Mantrailing-Hunde, die besonders gut Gerüche verfolgen können, eingesetzt und durch ganz Berlin gejagt. In den Akten gab es auch ausführliche Textanalysen zu Artikeln aus der Zeitschrift »radikal«, Erklärungen der RAZ und Texten der 2009 aufgelösten »militanten gruppe«. Untersucht wurden diese auf ähnliche Inhalte und Formulierungen, beispielsweise die Verwendung bestimmter Begriffe, auf Rechtschreibfehler, auf die Art zu gendern oder sonstige Merkmale im Schreibstil. Erfahren Sie viel Unterstützung? Es gab einige Solidaritätsaktionen und auch erst kürzlich haben wieder Veranstaltungen in mehreren deutschen Städten stattgefunden. Aufklärung und Öffentlichkeit spielen für uns eine große Rolle, denn nur so können wir über das informieren, was der Staat mit unliebsamen Personen und Organisationen tut und welche Art von Organisationsformen und Inhalten ihm am gefährlichsten erscheinen. Wann wird es zu einem Gerichtsprozess kommen? Verfahren nach Paragraf 129 StGB sind dafür bekannt, dass mehr ermittelt als verurteilt wird. In unserem Fall laufen die Ermittlungen noch, das heißt, die Behörden wollen noch ein bisschen weiter schnüffeln, in der Hoffnung, endlich etwas Greifbares zu finden. Es ist noch nicht zu überblicken, was daraus wird. Eine Anklageschrift gibt es noch nicht, also können wir nur darüber spekulieren, ob und wann es zu einem Prozess kommen wird. Einer der Beschuldigten ist nun seit einem Jahr in der JVA Tegel inhaftiert. Wie geht es ihm? Olli schreibt regelmäßig über die Situation im Knast. Seine Texte sind auf der Homepage soligruppe.blogsport.eu dokumentiert. Ollis Haftzeit geht Mitte September zu Ende. Dann wird er voraussichtlich entlassen, wenn sich die Behörden nicht noch weitere Maßnahmen gegen ihn ausdenken. Veranstaltungshinweis: Knastkundgebung an der JVA Berlin-Tegel am 22. Mai, 17 Uhr, Seidelstraße 39.

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