Sonntag, 14. Mai 2017

Brief an einen Freund: Für eine kämpferische Gewerkschaft!


"... Liebe Gewerkschaft, ich wende mich in diesem Brief an dich, als 
Einzelperson. Vermutlich bist du völlig konsterniert über die 
Aufsässigkeit an deiner Basis. Wunder dich bitte nicht darüber, ich 
erkläre es dir. (...) Natürlich ist es nervig, dass ich immer nur auf 
deiner fehlenden Entschlossenheit herumreite, aber sie ist der 
Ursprung des Dilemmas und du hast aus den Fehlern scheinbar nichts 
gelernt. Du glaubst immer noch, der soziale Frieden in diesem Land 
wäre nicht gestört und ein heiliges Gut. Sozialer Frieden wäre ein 
heiliges Gut, wenn beide Seiten einen gleichberechtigten Nutzen daraus 
ziehen könnten. In deinen bundesweiten Tarifverhandlungen, ist nichts 
mehr wirklich erkämpft. Du lässt den Kampf deiner Basis nicht 
hundertprozentig zu, um einen Solidarpakt zu schützen, den es schon 
eine Weile nicht mehr gibt. Für kleine Zugeständnisse seitens des 
Kapitals, gibst du viel zu viel hart erkämpfte Errungenschaften preis. 
Angeblich musst du Kompromisse machen, Verhandlungen wären eben so. 
Nein, du stehst immer noch für die Mehrheit in diesem Land, wenn es um 
die Themen Arbeit, Löhne und Rahmenbedingungen dazu geht. Du bist 
durch deine Basis stärker, als du zu glauben scheinst. Stattdessen 
gibst du oft kampflos auf, verschleppst ernste Auseinandersetzungen 
und demoralisierst deine eigenen entschlossenen Kampfgruppen. (...) 
Als dein Freund, fühle ich mich berechtigt, sogar verpflichtet, dir 
den Spiegel vors Gesicht zu halten. Ich brauche dich, wir brauchen 
uns! Wenn ich bemerken würde, dass du wieder uneingeschränkt für mich 
und meine Interessen eintrittst, dann habe ich sicher auch die Zeit 
und Kraft, dir wieder konstruktiv zuzuhören und aus deinen 
unbestrittenen Erfahrungen zu lernen. Nimm meine in dieser Aussage 
versteckte Hand, schlag ein und zieh mit mir los… aber verkauf mich 
bitte nicht weiter. Dein Freund, das Gewissen" Gastbeitrag eines 
Streikaktiven aus Berlin, der anonym bleiben möchte, vom 23. April 
2017 bei sozialismus.info (SAV)
https://www.sozialismus.info/2017/04/brief-an-einen-freund/

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