Unzumutbares Abstottern des Hartz-IV-Mietkautionsdarlehens: LSG Hamburg: Jobcenter muss atypische Ausnahmen prüfen
19.05.2017
Jobcenter dürfen von notleidenden Hartz-IV-Beziehern nicht pauschal verlangen, dass sie ein erhaltenes Mietkautionsdarlehen jahrelang von ihrem Arbeitslosengeld II abstottern. In atypischen Ausnahmefällen muss die Behörde auch andere Alternativen der Mietkautionsgewährung in Betracht ziehen, entschied das Landessozialgericht (LSG) Hamburg in einem am Donnerstag, 18. Mai 2017, veröffentlichten Urteil (Az.: L 4 AS 135/15).
19.05.2017
Jobcenter dürfen von notleidenden Hartz-IV-Beziehern nicht pauschal verlangen, dass sie ein erhaltenes Mietkautionsdarlehen jahrelang von ihrem Arbeitslosengeld II abstottern. In atypischen Ausnahmefällen muss die Behörde auch andere Alternativen der Mietkautionsgewährung in Betracht ziehen, entschied das Landessozialgericht (LSG) Hamburg in einem am Donnerstag, 18. Mai 2017, veröffentlichten Urteil (Az.: L 4 AS 135/15).
Im konkreten Fall ging es um eine Hartz-IV-Bezieherin, die
viele Jahre wohnsitzlos und an einem Abhängigkeitsleiden erkrankt war.
Zeitweise stand die Frau unter Betreuung.
Als sie schließlich doch ein Dach über dem Kopf fand, musste sie 1.200 Euro für die Mietkaution aufbringen.
Das Jobcenter gewährte ihr hierfür ein Darlehen, welches sie monatlich mit zehn Prozent ihrer Regelleistung abstottern sollte. Erst nach 30 Monaten wäre dann die Darlehensschuld getilgt gewesen.
Die Frau sah sich damit in unzumutbarer Weise belastet. Das Jobcenter habe gar nicht sein Ermessen ausgeübt, ob ihr die Mietkaution nicht in anderer Weise gewährt werden könne – beispielsweise als Zuschuss. Ihre individuelle Lebenssituation sei nicht berücksichtigt worden. Die Behörde habe einfach nach Schema F gehandelt. Sie habe wegen ihrer psychischen und körperlichen Beschwerden auch keine Chance, einen Job zu finden. Müsse sie die Mietkaution über viele Monate abstottern, führe dies zu einer nicht mehr hinnehmbaren dauerhaften Bedarfsunterdeckung.
Das LSG gab der Frau in seinem Urteil vom 23. Februar 2017 weitgehend recht. Zwar sei es durchaus zumutbar, dass Hartz-IV-Bezieher mit Schulden in Form eines Mietkautionsdarlehens belastet werden. Allerdings müsse das Jobcenter in atypischen Ausnahmefällen sein „Ermessen“ ausüben und besondere Notlagen berücksichtigen. Dies sei hier unterlassen worden.
Hier war die Lebenssituation der über lange Zeit obdachlosen Frau „in körperlicher, seelischer und sozialer Hinsicht von besonderen Schwierigkeiten geprägt“, so das LSG. Es habe erheblicher Unterstützungsbedarf bestanden, der zeitweise sogar bis zur Einrichtung einer Betreuung ging. Bei dieser prekären Lebenssituation treffe es die Frau besonders hart, wenn sie 30 Monate lang das Darlehen in Höhe von zehn Prozent des Regelbedarfs abstottern muss.
So gebe es für das Jobcenter bei seiner zu treffenden Ermessensentscheidung nicht nur die Alternative Zuschuss oder Darlehen mit monatlicher Tilgung, betonte das LSG und zeigte auch bereits eine Kompromissmöglichkeit auf: Ein Darlehen könne auch zunächst ohne Tilgung gewährt und im Fall der Mietkaution dann erst beim Auszug fällig werden. Dies sei aber gar nicht geprüft worden, rügten die Hamburger Richter.
Wegen ihrer gesundheitlichen Situation bezieht die Frau inzwischen nicht mehr Hartz IV, sondern Sozialhilfe. Ob das Sozialamt ein Darlehen für die Mietkaution fortführen müsste, war nicht zu entscheiden. fle/mwo
Als sie schließlich doch ein Dach über dem Kopf fand, musste sie 1.200 Euro für die Mietkaution aufbringen.
Das Jobcenter gewährte ihr hierfür ein Darlehen, welches sie monatlich mit zehn Prozent ihrer Regelleistung abstottern sollte. Erst nach 30 Monaten wäre dann die Darlehensschuld getilgt gewesen.
Die Frau sah sich damit in unzumutbarer Weise belastet. Das Jobcenter habe gar nicht sein Ermessen ausgeübt, ob ihr die Mietkaution nicht in anderer Weise gewährt werden könne – beispielsweise als Zuschuss. Ihre individuelle Lebenssituation sei nicht berücksichtigt worden. Die Behörde habe einfach nach Schema F gehandelt. Sie habe wegen ihrer psychischen und körperlichen Beschwerden auch keine Chance, einen Job zu finden. Müsse sie die Mietkaution über viele Monate abstottern, führe dies zu einer nicht mehr hinnehmbaren dauerhaften Bedarfsunterdeckung.
Das LSG gab der Frau in seinem Urteil vom 23. Februar 2017 weitgehend recht. Zwar sei es durchaus zumutbar, dass Hartz-IV-Bezieher mit Schulden in Form eines Mietkautionsdarlehens belastet werden. Allerdings müsse das Jobcenter in atypischen Ausnahmefällen sein „Ermessen“ ausüben und besondere Notlagen berücksichtigen. Dies sei hier unterlassen worden.
Hier war die Lebenssituation der über lange Zeit obdachlosen Frau „in körperlicher, seelischer und sozialer Hinsicht von besonderen Schwierigkeiten geprägt“, so das LSG. Es habe erheblicher Unterstützungsbedarf bestanden, der zeitweise sogar bis zur Einrichtung einer Betreuung ging. Bei dieser prekären Lebenssituation treffe es die Frau besonders hart, wenn sie 30 Monate lang das Darlehen in Höhe von zehn Prozent des Regelbedarfs abstottern muss.
So gebe es für das Jobcenter bei seiner zu treffenden Ermessensentscheidung nicht nur die Alternative Zuschuss oder Darlehen mit monatlicher Tilgung, betonte das LSG und zeigte auch bereits eine Kompromissmöglichkeit auf: Ein Darlehen könne auch zunächst ohne Tilgung gewährt und im Fall der Mietkaution dann erst beim Auszug fällig werden. Dies sei aber gar nicht geprüft worden, rügten die Hamburger Richter.
Wegen ihrer gesundheitlichen Situation bezieht die Frau inzwischen nicht mehr Hartz IV, sondern Sozialhilfe. Ob das Sozialamt ein Darlehen für die Mietkaution fortführen müsste, war nicht zu entscheiden. fle/mwo
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