Gabriel in Mexiko
Gut und Böse kaum zu unterscheiden
Stand: 19.05.2017 14:13 Uhr
Nach seiner Reise in die USA besucht
Außenminister Gabriel heute mit Mexiko ein Land voller Gewalt.
Die Menschen sind der Willkür des organisierten - und durchaus
auch staatlichen - Verbrechens ausgesetzt.
Von Anne-Katrin Mellmann, ARD-Studio
Mexiko-Stadt
Bundesaußenminister Sigmar Gabriel besucht
Mexiko am Ende einer Woche voller Trauer und Entsetzen. Wieder
wurden Journalisten auf offener Straße erschossen - zwei an einem
Tag. Das macht schon sieben in diesem Jahr - mehr als in jedem
anderen Land der Welt. "Sie töten uns als wären wir Stechmücken",
schreibt der Journalist Alejandro Almazán in einem Abschiedsbrief
an einen der Getöteten. Sie - das sind Auftragskiller des
organisierten und des autorisierten Verbrechens.
Der Staat gehört zu den Tätern. Auf sein
Konto gehen mehr als die Hälfte der in die Hunderte gehenden
Angriffe auf Medienmitarbeiter. Die allgegenwärtige Straflosigkeit
macht es möglich.
Nur 0,3 Prozent der Mordfälle werden
aufgeklärt. Ungeklärt ist etwa, wer Miroslava Breach erschoss. Sie
schrieb über Korruption und organisierte Kriminalität für die
Zeitung "El Norte" in Ciudad Juárez an der Grenze zu Texas.
Nachdem sie im März ermordet worden war, stellte "El Norte" aus
Angst die Arbeit ein.
Unterstützung für die Presse
Deutschlands Botschafter in Mexiko, Viktor
Elbling, besuchte die Redaktion. Dort sagte er: "Nach allem, was
wir hören, ist es für die Journalisten und für die Medien wichtig,
dass sie wahrgenommen werden. Wir wollen ein Signal geben, dass
wir aufmerksam beobachten, was in dem Land passiert."
Elbling sagt, die Pressefreiheit sei eines
der zentralen Themen des Rechtsstaates sowie der Entwicklung der
Demokratie. "Ich glaube, wenn Deutschland, andere Länder und die
EU zeigen - nicht nur durch ihre Erklärungen, sondern auch durch
Gespräche wie dieses - dass wir die Arbeit der Journalisten hier
im Auge haben, dass wir sie unterstützen, dann ist das schon ein
Schritt zu etwas mehr Sicherheit und Sichtbarkeit für die
Journalisten", so der Botschafter.
Elbling geht es um Sicherheit, die der
mexikanische Staat schon lange niemandem mehr gibt. Sein Chef,
Außenminister Gabriel, sieht ein Land, in dem Pressefreiheit nur
noch ein Wort ist. Genauso gefährdet wie Journalisten sind
Aktivisten. Wer etwa für Rechte der Indigenen kämpft oder wie
Miriam Rodriguez Verschwundene sucht, geht ein hohes Risiko ein.
Zwei Jahre nach dem Verschwinden ihrer Tochter fand sie deren
Überreste verscharrt in einem Massengrab.
Am Muttertag erschossen
Der Fall der verschwundenen Tochter ist ein
Fall von Zehntausenden. Mindestens 30.000 Menschen gelten in
Mexiko als verschwunden. Rodriguez‘ Kampf um Aufklärung dieser
Verbrechen kostete sie das Leben. Am Muttertag wurde sie
erschossen. Die Täter sind unbekannt.
Mexiko sei zu einem "Schlachthaus" geworden,
schreiben die Zeitungen. Sogar der Chef der Nationalen
Menschenrechtskommission, Luis Raúl González, stellt dem Staat ein
vernichtendes Zeugnis aus. Er sagte: "Wegen der Straflosigkeit,
der fehlenden Schulung und der Trägheit der Behörden können
Folter, Verschwindenlassen oder willkürliche Hinrichtungen
fortbestehen." Der "Zugang zu Wahrheit und Gerechtigkeit" liege
dadurch "immer noch in weiter Ferne".
Straflosigkeit, Korruption und die enge
Verflechtung von Staat und organisiertem Verbrechen höhlen den
Rechtsstaat aus. Gut und Böse sind kaum noch zu unterscheiden.
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