Sonntag, 14. Mai 2017

Hollande plus mit neuem Gesicht


Angela Klein über Frankreichs neuen Präsidenten Emmanuel Macron, der sich auf Protest gegen sein Programm einstellen muss

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Am Ende des Wahlkampfs in Nordrhein-Westfalen ist unklar, ob die LINKE den Sprung in den Landtag schafft. Eine Kommentatorin gibt ihr in der »Süddeutschen Zeitung« den Rat, nicht länger auf das »Monothema Gerechtigkeit« zu setzen, sondern endlich ihre »verdeckten Kontroversen« so zu lösen, dass sie mit der SPD kompatibel wird: etwa durch das Ablegen der »linken Europaverachtung, die spätestens seit der Wahl in Frankreich scharf hinterfragt gehört«. Wenn die Dame da mal nicht irrt.

Für Emmanuel Macron haben im zweiten Wahlgang 20 Millionen Franzosen gestimmt, 47 Millionen waren wahlberechtigt. Damit hat er gerade mal 44 Prozent der Stimmen geholt. Die drücken aber keine Zustimmung aus. Denn annähernd die Hälfte derer, die für Macron votierten, erklären, sie hätten lediglich »gegen Marine Le Pen« gestimmt. Zieht man die ab, kann sich Macron also auf ganze 18 Prozent der Wahlberechtigten stützen. Das entspricht schon eher dem Potenzial, das heutzutage in Frankreich für ein neoliberales Europa zu mobilisieren ist.
Wer daraus, wie derzeit die SPD, eine neue »Siegerstraße« konstruiert, dem blüht ein böses Erwachen. Noch nie war eine Präsidentschaftswahl in der Fünften Republik so verzerrt wie diese und noch nie ist ein Präsident so schwach daraus hervorgegangen.
Über die reale Verteilung der Stimmungen im Land werden ohnehin die Parlamentswahlen genaueren Aufschluss geben. Da herrscht zwar auch das absolute Mehrheitswahlrecht, aber es geht eben nicht nur um Einen, sondern um 577 Abgeordnete. Da haben auch andere Parteien eine Chance gegen Macron, da werden ihm jene, die mit der geballten Faust in der Tasche für ihn gestimmt haben, nicht mehr ohne Weiteres zufliegen - und entsprechend stärker wird das relative Gewicht von Le Pen ausfallen. Denn die konzentriert Stimmen der Unzufriedenen aus dem bürgerlichen und dem Arbeitermilieu, wohingegen andere Unzufriedene - allen voran die Linke - heillos zerstritten sind und eher einen Rechten durchkommen lassen, als untereinander Wahlbündnisse zu schließen. Die Mitte aber, die Macron repräsentiert, ist unter der Wucht der kapitalistischen Krise so ausgedünnt, dass der strahlende Sieger, der Frankreich »heilen« soll, droht einzubrechen.
Sein ehrgeiziges Programm wird die Polarisierung noch befeuern. Die hohe Arbeitslosigkeit, die massiv gestiegene Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse und soziale Ungleichheit, die wirtschaftliche Stagnation und die zutiefst pessimistische Stimmung im Land will er mit mehr vom Althergebrachten bekämpfen: Steuersenkungen für die Reichen; Deregulierung des Arbeitsgesetzes, das er als Wirtschaftsminister unter François Hollande mitgetragen und gegen das es 2016 einen Aufschrei der Empörung gegeben hatte; den Abbau von 125 000 Stellen im öffentlichen Dienst; die Unterzeichnung des Handelsabkommens CETA; die Lockerung der nach der Finanzkrise 2007/08 eingeführten Regeln für die Banken; stärkere Abschottung Europas gegen Flüchtlinge usw. In der Europapolitik folgt er Schäubles Idee von einem »Kerneuropa« (die Eurozone), mit der Verpflichtung auf ein striktes Schuldenabbauprogramm, wofür es im Gegenzug einen gewissen Finanztransfer und einen größeren Gemeinschaftshaushalt geben soll. Dieses Kerneuropa möchte er aber auf ein staatliches Wirtschaftsprogramm verpflichten, was CDU/CSU strikt ablehnen. Das ist Hollande plus, mit einem neuen Gesicht, viel anfänglichem Elan und wenig organisiertem Rückhalt.
Man muss kein Hellseher sein, um zu ahnen, dass Macron den geballten Gegenwind all jener zu spüren bekommen wird, die gegen ihn oder nur unter Protest für ihn gestimmt haben. Wir tun gut daran, uns auf einen heißen Herbst in Frankreich einzurichten. Es wäre mehr als wünschenswert, wenn es diesmal von deutscher Seite nicht nur vereinzelte Solidaritätsprojekte wie im Fall Griechenland gäbe, sondern einen echten Versuch, eine gemeinsame Abwehrfront gegen Macron und Schäuble aufzubauen.

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