Tag der Verschwundenen: Alle zwei Stunden verschwindet in Mexiko ein Mensch
Regierung, Militär und Polizei in rund ein Drittel der Fälle involviert
(Aachen, 28. August 2017) Zum Internationalen Tag der Verschwundenen am 30. August macht MISEREOR auf die prekäre Menschenrechtslage in Mexiko aufmerksam. "Die Politik der aktuellen Regierung trägt nicht zur Verbesserung der Sicherheitslage bei. Im Gegenteil: Militär und Polizei sind zunehmend für schwere Menschenrechtsverletzungen in Mexiko verantwortlich", erklärt heute MISEREOR-Chef Pirmin Spiegel.Mehr als 30.000 Menschen gelten in Mexiko als vermisst. In rund ein Drittel der Fälle sind sie Opfer "gewaltsamen Verschwindenlassens"; geduldet oder unter Mitwirkung von Mitgliedern staatlicher Behörden, des Militärs oder der Polizei. "Der Kampf gegen Terror und Drogenkriminalität dient als Vorwand. In Mexiko kann es jeden treffen. Vorwiegend verschwinden junge Männer. Opfer sind ebenso junge Frauen, die missbraucht oder zur Zwangsprostitution gezwungen werden, Migranten, Journalisten und Aktivisten. Die Betroffenen werden entführt, willkürlich festgenommen, gefoltert oder hingerichtet. Sogar Polizisten und Behördenvertreter können dem Verschwindenlassen zum Opfer fallen, wenn sie der falschen Seite angehören", berichtet Catharina Köhler, MISEREOR-Länderreferentin für Mexiko.
Die Angehörigen werden vom Staat allein gelassen
Die zuständigen Behörden bestreiten in den meisten Fällen, die vermisste Person festgenommen zu haben. Anzeigen werden zu spät oder nur widerwillig aufgenommen. "Angehörige und Freunde sind in diesen Fällen vollkommen hilflos. Sie werden vom Staat allein gelassen und sozial ausgegrenzt. Extremer posttraumatischer Stress ist die Folge", so Catharina Köhler. Selbst wenn das Verbrechen nachgewiesen werden kann, droht Täterinnen und Tätern selten eine Strafe: Weniger als fünf Prozent der Fälle enden in einer Verurteilung. "Das Vertrauen der mexikanischen Bevölkerung in die Politik ist durch Korruption und die Zusammenarbeit staatlicher Behörden mit organisierten Drogenbanden erschüttert", sagt Pirmin Spiegel. "Der Staat Mexiko darf die Zahl der Verschwundenen und Getöteten und das Verbrechen Verschwindenlassen nicht länger herunterspielen. Die Regierung muss die Ursachen angehen und konkrete Maßnahmen ergreifen, die eine effektive Suche der Opfer, die strafrechtliche Verfolgung der Täter und eine Widergutmachung für Angehörige ermöglichen."
MISEREOR-Partner im Einsatz für juristische Aufarbeitung
MISEREOR-Partnerorganisationen in ganz Mexiko unterstützen Angehörige und machen – oftmals unter Einsatz des eigenen Lebens – Verbrechen öffentlich; so auch im Fall der verschwundenen Studenten von Ayotzinapa, der 2014 international Aufmerksamkeit erlangte. Am 26. September 2014 verschwanden 43 Lehramtsstudenten nach einer Demonstration spurlos, bis heute gelten sie als vermisst und der Fall als ungeklärt. "Nach drei Jahren ist die Traurigkeit noch größer. Niemand kann sich vorstellen wie es ist, drei Jahre nichts von seinen Kindern gehört zu haben und nicht zu wissen, wie es ihnen geht. Die Regierung sagt, es gäbe Fortschritte, aber sie täuschen und belügen uns weiterhin", sagt Cristina Bautista Salvador, Mutter eines der Verschwundenen.
MISEREOR-Partnerorganisationen bieten den Angehörigen psychosoziale Betreuung an, geben juristischen Rat und üben politischen Druck auf Entscheidungsträger aus. Ein Erfolg: Im Jahr 2013 erreichte die Menschenrechtsorganisation CADHAC, dass der Strafbestand des Verschwindenlassens im Bundestaat Nuevo León offiziell anerkannt wurde.
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