Dienstag, 7. Juni 2016

Jede Art von Bildung beruht auf einer bestimmten Weltanschauung: auf materialistischem oder idealistischem Verständnis der Natur und der Gesellschaft, je nachdem welche Gesellschaft die herrschende ist.


bolschewik
ÜBER DAS BILDUNGSYSTEM

Von Rafik Kulijew

Übersetzung: Florian Geißler

Quelle: Bolschewik.org vom 26.05.2016

„Gehen wir von der physischen auf die geistige Lage der Arbeiter über.
Wenn die Bourgeoisie ihnen vom Leben so viel läßt, als eben nötig ist,
so dürfen wir uns nicht wundern, wenn sie ihnen auch nur so viel Bildung gibt,
als im Interesse der Bourgeoisie liegt.“
F.Engels [1]
Oft wird die Frage gestellt, welche Art von Bildung wohl besser ist, die sowjetische oder die moderne russische, d.h. die bürgerliche Bildung? Und die Antwort ist, je nachdem, wer auf diese Frage antwortet – die Verteidiger der sowjetischen oder der bürgerlichen Bildung –,  natürlich sehr unterschiedlich. Wir  wollen uns hier nicht die Aufgabe stellen, alle Argumente zu besprechen, die von den Verteidigern der sowjetischen Bildung bzw. der bürgerlichen Bildung vorgebracht werden, jedoch sei festgestellt, daß sogar die Verteidiger der bürgerlichen Bildung nicht leugnen können, daß die sowjetische Bildung in jeder Beziehung der bürgerlichen Bildung überlegen war: in methodischer Hinsicht, was das Wissen anbelangt, das durch die Ausbildung vermittelt wurde, und was die geistige Entwicklung der Ausgebildeten betrifft.
Was ist der Unterschied zwischen kapitalistischer und sozialistischer Bildung?
Aber allein aus die Tatsache heraus, daß die Verteidiger der bürgerlichen Bildung die Überlegenheit der sowjetischen Bildung gegenüber der bürgerlichen Bildung anerkennen, wäre es ein Fehler zu glauben, man könne unter den Bedingungen der bürgerlichen Gesellschaft auf der Grundlage des sowjetischen Bildungssystems ausbilden. Jede Art von Bildung beruht auf einer bestimmten Weltanschauung: auf materialistischem oder idealistischem Verständnis der Natur und der Gesellschaft, je nachdem welche Gesellschaft die herrschende ist. In diesem Sinn, ist auch die sowjetische Bildung überhaupt nicht mit der bürgerlichen zu vergleichen, da sie auf einander diametral entgegen gesetzten Weltanschauungen aufgebaut sind: das sowjetische Bildungssystem ist auf dem materialistischen Verständnis der Gesellschaft aufgebaut, während das bürgerliche Bildungssystem auf dem idealistischen Verständnis der Gesellschaft aufgebaut ist.
Ist es Materialismus oder Idealismus?
Zur Vermeidung möglicher Mißverständnisse muß man hier jedoch folgende bemerken: Da die Bourgeoisie das materialistische Verständnis der Natur nicht verneint, gleichzeitig aber das materialistische Verständnis der Gesellschaft nicht anerkennt, sollen im vorliegenden Beispiel die Bildungssysteme nur den allgemeinsten Zügen, in der Verbindung mit dem materialistischen bzw. idealistischen Verständnis der Gesellschaft, betrachtet werden. Wenn man sich damit zurechtfinden will, was eigentlich unter einer Gesellschaft zu verstehen ist, muß man zuerst klären, was das Primäre, das Wesentliche und Bestimmende ist: die Natur (die Materie) oder das Bewußtsein. Je nachdem wie diese Frage beantwortet wird, gibt es zwei gegensätzliche Betrachtungsweisen: eine materialistische oder eine idealistische.
Materialismus bedeutet: Das Sein bestimmt das Bewußtsein.
Nach materialistischem Verständnis ist bei der Entwicklung der Gesellschaft die Materie das Primäre, während das Bewußtsein sekundär ist – es ist ein Produkt der Materie. Das ist ganz offensichtlich der Fall. Es folgt aus der einfachen Tatsache, daß die Menschen, bevor sie sich mit Wissenschaft, Kunst, Philosophie, Politik usw. beschäftigen, zuerst essen und trinken müssen, Wohnung und Kleidung benötigen. Und man muß arbeiten, um materiellen Wohlstand zu erzeugen. Daraus folgt, daß „die Produktion der unmittelbaren materiellen Lebensmittel und damit die jedesmalige ökonomische Entwicklungsstufe eines Volkes oder eines Zeitabschnitts die Grundlage bildet, aus der sich die Staatseinrichtungen, die Rechtsanschauungen, die Kunst und selbst die religiösen Vorstellungen der betreffenden Menschen entwickelt haben, und aus der sie daher auch erklärt werden müssen – nicht, wie bisher geschehen, umgekehrt.“ (Friedrich Engels, Rede am Grab von Karl Marx, 1883) [2].
Warum haben im Sozialismus die Naturwissenschaften den Vorrang?
Es versteht sich von selbst, daß eine solche kategorische Notwendigkeit, zu produzieren, und nicht einfach nur, zu produzieren, sondern erweitertem Maße zu produzieren, es in erster Linie erfordert, die Natur und die Gesetze ihrer Entwicklung zu studieren, sich Wissen anzueignen über die Eigenschaften und die Wechselwirkungen der Gegenstände der Natur, die am Produktionsprozeß als der Rohstoff und als Werkzeuge beteiligt sind. Deshalb war in der UdSSR, wo ein ungeteiltes materialistisches Verständnis der Gesellschaft herrschte, – das heißt das Verständnis der Notwendigkeit „der maximalen Befriedigung der ständig wachsenden materiellen und kulturellen Bedürfnisse der gesamten Gesellschaft durch ununterbrochenes Wachstum und stetige Vervollkommnung der sozialistischen Produktion auf der Basis der höchstentwickelten Technik“ (J.Stalin, Die ökonomischen Probleme des Sozialismus in der UdSSR, 1952,) [3], – das Bildungssystem auf der Priorität der Naturwissenschaften (Mathematik, Physik, Chemie, technische Wissenschaften) vor den Geisteswissenschaften (Rechtswissenschaft, Wirtschaft, Philosophie, Geschichte, Politikwissenschaft, Soziologie, Psychologie usw.) aufgebaut. Diese Tatsache des öffentlichen Lebens der UdSSR bedingte, daß in der UdSSR die Fachleute für die Lösung volkswirtschaftlicher Aufgaben (Ingenieure, Technologen, Konstrukteure, Projektanten usw.) besser vorbereitet wurden, als Fachleute für die Lösung von Vermögens- und Rechtsfragen (Juristen, Ökonomen, Anwälte usw.).
Warum beruht das kapitalistische Bildungssystem auf idealistischen Prinzipien?
Daß in der UdSSR die Spezialisten für die Lösung volkswirtschaftlicher Aufgaben besser ausgebildet waren, als für die Lösung von Vermögens- und Rechtsfragen, ist eine unumstößliche Tatsache. Diese unumstößliche Tatsache erklärt sich außerdem damit, daß in der UdSSR, gerade wegen der ungeteilten Herrschaft des gesellschaftlichen Eigentums, die Zahl der Vermögensstreitigkeiten und die Kriminalitätrate im Vergleich zu den kapitalistischen Ländern erheblich niedriger lagen; in der UdSSR waren solche Verbrechen, wie Kreditbetrug, Börsenspekulation, feindliche Übernahme von Unternehmen, Grundbesitz, Wohnfläche usw. überhaupt ausgeschlossen waren. Völlig konträr dazu verhalten sich die Dinge beim Bildungssystem in der bürgerlichen Gesellschaft. Im Kapitalismus herrscht ein idealistische Verständnis der Gesellschaft. Was ist damit gemeint? Das bedeutet, daß in der bürgerlichen Gesellschaft die Auffassung vorherrscht, daß nicht die materiellen Bedürfnisse der Menschen die Triebkraft der Entwicklung der Gesellschaft seien, sondern die Ideen, die in den Köpfen der Menschen entstehen: „Ideen lenken die Welt“ – sagen die Idealisten. Doch wenn man  dieser Auffassung zustimmt, so muß man folglich auch dem zustimmen, daß die Entwicklung der Gesellschaft nicht durch die Produktion des unmittelbaren materiellen Wohlstands bedingt ist, sondern durch die Verwirklichung von Ideen.
Bürgerliche Ideologen vertreten unwissenschaftliche Standpunkte
Deshalb ist das Bildungssystem der Russischen Föderation, wo ein idealistisches Verständnis der Gesellschaft herrscht, auf der Priorität der Geisteswissenschaften vor den Naturwissenschaften aufgebaut. Da jedoch die Geisteswissenschaften (Philosophie, Geschichte, Soziologie, Politikwissenschaft usw.) mit den Dingen zu tun haben, die nicht wiederholt werden, halten sie auch keinen genau quantitativen Messungen, mit einem Wort: der experimentellen Prüfung, stand, und so eröffnen sich hier große Möglichkeiten für das Ausdenken unsinniger Ideen aus dem Kopf und wutschäumenden Versuchen zu beweisen, daß nichts richtiger ist als das. In den Naturwissenschaften ist so etwas einfach nicht möglich, weil man es hier mit Erscheinungen zu tun hat, mit Tatsachen, die wiederholbar sind und streng nach genauen quantitativen Messungen, mit einem Wort: experimentell, bestätigt werden. Tatsachen sind ein eigen Ding, über sie läßt sich nicht streiten. Diese Tatsache des gesellschaftlichen Lebens bedingt, daß im kapitalistischen Rußland Fachleute für die Lösung von Vermögens- und Rechtsfragen besser vorbreitet sind, als Fachleute für die Weiterentwicklung der materiellen Produktion.
Es geht nicht nur um die Ideologie…
Darüberhinaus streiten sich in der bürgerlichen Gesellschaft, wo ausnahmslos das Privateigentum herrscht, alle miteinander um das Eigentum. Deshalb gibt es auch in der Russischen Föderation weitaus mehr Juristen, Ökonomen, Anwälte und Spezialisten für den Verkauf von allem und jedem, als Fachleute für die Verwirklichung der materiellen Produktion. Dabei muß man noch hinzufügen, daß die riesige Zahl von Spezialisten für die Klärung von allerlei Streitfragen und Konflikten in der bürgerlichen Gesellschaft auch dadurch bedingt ist, daß selbst die Bildung auf diesem Gebiet eine kommerzielle Angelegenheit ist, was natürlich die Ausprägung von Scheinfachleuten mit den Scheindiplomen und -dissertationen fördert.
Was ist der Grund für die alltägliche Verblödung?
Da in der bürgerlichen Gesellschaft die herrschende Kapitalisten-Klasse schließlich das Arbeitsvolk ausbeutet, kann man die Herrschaft in dieser Gesellschaft nur durch Gewalt, Betrug und Schmeichelei verwirklichen. Die Bourgeoisie greift nur dann zur Gewalt, wenn sie fürchtet, ihre Macht zu verlieren. Solange ihr die Macht nicht bedroht ist, verwendet sie den Betrug und die Schmeichelei. Und um die Öffentlichkeit zu betrügen, muß man sie einfach in einen solchem Zustand versetzen, wo sie die Fähigkeit verloren hat, Lüge von Wahrheit zu unterscheiden. Und das gelingt nur, wenn man gleichzeitig zwei Dinge für richtig hält: der Räuber hat recht, weil ausrauben will, und das Opfer hat recht, weil es nicht ausgeraubt werden will. Die ganze Heuchelei der Bourgeoisie besteht auch darin, daß sie riesige Mengen Geld für die Propagierung der Religion ausgibt mit dem Ziel der Verblödung der Gesellschaft, obwohl sie sehr gut versteht, daß die religiöse Weltanschauung falsch ist.
Der bürgerliche Unsinn des Pluralismus
Die bürgerliche Gesellschaft ist immer auf einem völlig widersprüchlichen Pluralismus aufgebaut, d.h. auf die Identifizierung zweier entgegengesetzter Standpunkte; bei einer solchen Sachlage verliert der Begriff „Wahrheit“ jeden Sinn. Dagegen gibt es für jede beliebige Frage nur eine wahre Lösung, und in diesem Sinn ist die Wahrheit immer eindeutig. Nehmen wir als Beispiel die Wirtschaft:  In der UdSSR wurde in der Wirtschaft einzig und allein allein die Lehre von K.Marx angewendet, die als Grund für Wirtschaftskrisen den Widerspruch zwischen dem gesellschaftlichen Charakter der Produktion und der privatkapitalistischen Form der Aneignung der Ergebnisse der Produktion genau erklärte. Daraus folgt, daß sich die Krisen, solange dieser Widerspruch bestehen bleibt, periodisch wiederholen, wie der Wechsel der Jahreszeiten. Der Beweis – ständig wiederholen sich die Wirtschaftskrisen alle 8-10 Jahre. In der bürgerlichen Gesellschaft existieren Dutzende von Wirtschaftslehren, und sie alle widersprechen einander. Jeder, der nicht gerade faul ist, kommt mit neuen Prognosen über die Entwicklung der Wirtschaft, und auch diese diese Prognosen widersprechen einander. Das ist etwa so ähnlich, als wenn Meteorologen zweier unterschiedlicher Wetterwarten, sagen wir: über Moskau, gleichzeitig eine Temperaturvorhersage von -10°C und von 25°C abgeben würden. In der bürgerlichen Gesellschaft, d.h. in der heuchlerischesten aller menschlicher Gesellschaften, gibt es keine Wirtschaftswissenschaft, und es kann sie nicht geben.
Lenin:  „Man die Bourgeoisie stürzen….
Karl Marx hat in seinem genialen Werk „Das Kapital“ überzeugend bewiesen, daß alle modernen bürgerlichen Wirtschaftstheorien nichts anderes sind als jämmerliche Versuche, alle unsinnigen vormarxschen Wirtschaftslehren, von denen bei Karl Marx nicht ein Stein mehr auf dem anderen geblieben ist, erneut zu beleben. Alle Wirtschaftsprognosen und die internationalen Wirtschaftsforen, die durchgeführt werden, um angeblich Bedingungen für die weitere Entwicklung der Wirtschaft zu schaffen, sind nichts als eine Ablenkung des Arbeitsvolkes von tatsächlichen Gründen der sozialen Katastrophen. Sie sind das sinnlose Geschwätz einer Bande von Schurken und Scharlatanen, wie sie sich in Rußland in der Hochschule für Ökonomie versammelt haben: J.Kusminow, J.Jassin, A.Kudrin, A.Uljukajew, J.Gontmacher, J.Gurwitsch, W.Maus und andere. Bei einer solchen Sachlage der bürgerlichen Gesellschaft kann man nur mit Lenin sagen: „In ganz Europa muß man die Bourgeoisie stürzen, nicht aber sie zu überzeugen suchen.“ (W.Lenin,  Petrograder Stadtkonferenz der SDAPR (B), 1917) [4]
Für die Arbeiterklasse!
Rafik Kulijew
Zitate:
[1] Friedrich Engels: Lage der arbeitenden Klasse in England. In: Marx/Engels Werke, Dietz Verlag Berlin, 1962, Bd.2, S.338.
[2] Friedrich Engels: Das Begräbnis von Karl Marx. In: Marx/Engels Werke, Dietz Verlag Berlin, 1987, Bd.19, S.335f.
[3] Josef Stalin: Ökonomische Probleme des Sozialismus in der UdSSR. 7. Die Frage der ökonomischen Grundgesetze des modernen Kapitalismus und des Sozialismus. Государственное издательство политической литературы, 1952.
[4]  W.I. Lenin: Petrograder Stadtkonferenz der SDAPR (B). In: W.I. Lenin, Werke, Dietz Verlag Berlin, 1959, Bd.24, S.131.
(Übersetzung: Florian Geißler)
http://bolshevick.org/k-voprosu-o-sisteme-obrazovaniya/

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