Dienstag, 7. Juni 2016

Grußwort von Jessica Reisner, aktion./.arbeitsunrecht | büro köln an die Demo für Gewerkschaftsfreiheit, 4. Juni 2016 in Berlin


Liebe Kolleginnen und Kollegen der FAU Berlin!
Ihr führt wichtige Kämpfe. Ihr engagiert euch, wo andere Gewerkschaften wegen eines zu geringen Organisationsgrades für sich keinen Gewinn sehen. Die Knüppel, die Euch dabei in den Weg geworfen werden, sind dabei allerdings genau so groß, als würde gegen DGB-Gewerkschaft geschossen.
Aktuell ist es der FAU Berlin untersagt, gegen Lohnraub in einem
bestimmten Restaurant aktiv zu sein. Bei Verstoß droht eine Strafe von bis zu 250.00,- Euro. Das ist exakt der gleiche Betrag, mit dem sich auch Gewerkschaftssekretär Mahir Sahin von der IG BAU konfrontiert sieht.
Ihm wurde, ebenfalls unter Androhung eines Ordnungsgeldes von einer Viertel-Million Euro verboten, besonders krasse Vorwürfe gegen ein Subunternehmen der Malteser zu wiederholen. Es geht genau gesagt um die Malteser-Putzfirma Malta Clean & Service GmbH, die in Krankehäusern reinigen lässt. Im Duisburger St.Anna-Krankenhaus wurden bulgarische Reinigungskräfte auf das übelste ausgebeutet und drangsaliert.
Anstatt aufzuklären, bemühten die Malteser die Promi-Kanzlei Redeker Sellner Dahs, um eine Verfügung gegen den Kollegen zu erwirken. Dazu wurde eigens das Landgericht Hamburg bemüht, dass in solchen Fällen für seine unternehmerfreundliche Urteilsfindung bekannt ist.
Auch die aktion ./. arbeitsunrecht e.V. sieht sich immer wieder mit
Unterlassungsaufforderungen und einstweiligen Verfügungen konfrontiert.
Zuletzt wollte die Personalverantwortliche des Duftmittelherstellers
Firmenich, Britta Maria Janssen, ihren Namen nicht im Zusammenhang mit der Zerschlagung des Betriebsrats am Standort Kerpen lesen. Und schon gar nicht wollte sie die Frage "Ist Britta Maria Janssen kriminell?" hören, verbunden mit dem Zitat aus §119 BetrVG, dass auf Behinderung der
Betriebsratsarbeit bis zu einem Jahr Gefängnis steht.
Wir haben dieses Verfahren im Februar 2016 vor dem Kölner Landgericht gewonnen. Damit haben wir für unsere gemeinsame Sache einen wichtigen Sieg errungen: Wer sich krimineller Methoden bedient, muss sich zumindest fragen lassen, ob er kriminell handelt. Wer verantwortlich für substanzlose und konstruierte Abmahnungen und Kündigungen ist, wer
systematische Strategien zur Zermürbung von ganzen Gremien und exponierten Einzelpersonen umsetzt, darf als solcher auch namentlich benannt werden.
Nochmal zurück zum aktuellen Fall rund um das Restaurant Barist:
Wir können – vom fachlichen Standpunkt – RA Mehmet Koca nur gratulieren.
Es ist eine wahrlich abenteuerliche Konstruktion, die er da gefunden hat: die juristische Umetikettierung von freier Meinungsäußerung als Arbeitskampfmaßnahme. Und es ist wahrlich eine Meisterleistung, das er ein deutsches Gericht dafür gewinnen konnte, diesem gequirlten Blödsinn zu folgen.
Woher kommt dieser neue Stern am Berliner Anwaltsfirmament? Mehmet Koca hat laut eigenen Angaben von 2002 bis 2006 im Management von Mercedes-Benz in der Türkei gearbeitet, als Leiter der Rechtsabteilung, Compliance Officer und Generalsekretär der Mercedes-Benz Türk AS. Möglicherweise sickert hier bereits ein Rechtsverständnis nach Art des
AKP-Sultans Erdogan nach Deutschland.
Meinungsfreiheit in der Arbeitswelt muss kompromisslos verteidigt
werden. Auch in Deutschland. Wir müssen Maulkorbversuchen rigoros entgegentreten. Da geht es nicht um einzelne Konflikte, sondern Union Busting.
Kriminelle Unternehmer, die Lohnraub und Ausbeutung betreiben, dürfen gar nicht auf die Idee kommen, dass gewerkschaftliches Engagement mit einer richterlichen Verfügung einfach so von der Straße zu fegen ist.
Wenn Unternehmer es darauf ankommen lassen wollen: gebt ihnen die öffentliche Verhandlung. Das kann ein Anlass sein, alle im Raum stehenden Vorwürfe gegen das Unternehmen zu erörtern. Insbesondere bietet ein Gerichtsverfahren, die Möglichkeit Zeugen zu befragen, also auch Manager, Vorarbeiter und Kollegen. Da solche Verhandlungen öffentlich sind, kann hier möglicherweise der ganze Dreck, der unter den Teppich gekehrt werden soll, sichtbar gemacht werden.
Das Kölner Büro der aktion./.arbeitsunrecht solidarisiert sich mit der FAU Berlin auch deshalb, weil wir selbst von vielen der untersagten Protestformen intensiv Gebrauch machen – etwa mit dem Widerstandstag Freitag der 13. Wir werben wir aktiv dafür, dass Bürgerrechtlerinnen und Beschäftige in Zukunft stärker in dieser Richtung aktiv zu werden: Ziviler Ungehorsam
und Proteste gegen Arbeitsunrecht.
Demokratische Rechte sind nichts wert, wenn wir sie nicht ausüben. Sie müssen durch kalkulierte Grenzüberschreitungen zäh erkämpft und beständig verteidigt werden.
Wie sagte schon der Dichter und Jurist Johann Wolfgang von Goethe: „Wer das Recht auf seiner Seite hat, muss derb auftreten. Ein höflich Recht will gar nicht heißen!“

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