Ich erinnere mich, dass viele einfache Menschen im Juni 1953 unzufrieden waren. Aber es gab keine Ausschreitungen.
17. Juni 1953
Von Günter Ackermann
Ich habe ihn als Kind von 13 Jahren miterlebt. Ich wuchs in einem roten Wohngebiet in Erfurt auf. In der Nachbarschaft gab es nur einen Nazi, sonst gehörte man vor 1933 der SPD und der KPD an.Als 1945 die Amerikaner Thüringen verließen und alles der UdSSR übergaben, spannten die Bewohner ein Transparent über die Straße und begrüßten die Rote Armee. In meiner Nachbarschaft lebten ältere Genossen, die im KZ gewesen warfen oder in Spanien gegen die Faschisten kämpften. Als die Rote Armee einmarschierte, war unsere Straße ein Meer von roten Fahnen.
Ich erinnere mich, dass viele einfache Menschen im Juni 1953 unzufrieden waren. Aber es gab keine Ausschreitungen.
In diesem Stadtteil gab es einen SDAG-Betrieb[1], ein Großbetrieb. Welcher Maschinen herstellte. Hier streikten die Arbeiter – aber es gab auch keine Ausschreitungen.
Überhaupt blieb es in Erfurt relativ friedlich. Allerdings erzählte mir Jahre später eine FDJ-Sekretärin, man habe sie durch die Straße gejagt. Aber das war bei keinem Großbetrieb, das waren für sie Fremde.
Es wurde von offizieller Seite die Theorie verbreitet, das seien alles Agenten der westlichen Geheimdienste, die das Volk der DDR aufgehetzt hätten.
Ich frage aber: Ist die Idee des wissenschaftlichen Sozialismus so schwach, dass eine Handvoll Dreigroschenjungs sie in Wanken bringen?
Natürlich nicht!
Die DDR-Regierung und die der UdSSR hatten vorher schlimme Fehler gemacht. Man glaubte, dass in der jetzigen DDR – früher SBZ – die Fabriken der aktiven Nazis in Volkseigentum überführt und dass die Macht der Junker auf dem Land gebrochen wurde und die Bauern dieses Land als ihr Eigentum bekamen, dass man das Schulsystem so reformiert hatte, dass das Bildprivileg der Kinder der Bourgeoisie beseitigt wurde, dass dies alles das Volk mit Dankbarkeit aufnehmen würde.
So war es aber nicht. Die westliche Propaganda war nicht untätig. In der BRD stieg auch der Lebensstandard, wenn auch unter Beibehaltung der alten Zustände und der alten Eliten. Aber das sahen viele DDR-Bürger nicht. Sie sahen, man bekam im Westen Südfrüchte und andere Waren, die in der DDR selten zu haben waren.
Dass das Bildungssystem im Verhältnis zur DDR um Jahre zurück war, wurde übersehen. Wenige Monate nach dem 17. Juni kam ich in den Westen, an den Niederrhein und erlebte einen Kulturschock: Ich musste in eine Konfessionsschule gehen, in der vor allem Religion das Hauptfach war. Naturwissenschaften gab es nicht und auch die anderen Fächer – außer Religion – waren Nebensache. Und es gab noch die Prügelstrafe. Die war in der DDR streng verboten, ein prügelnder Lehrer verlor nicht nur seinen Job, wer kam auch vor Gericht.
Dennoch als im Juni 1953 in Berlin die Bauarbeiter streikten, schlossen sich viele DDR dem an.
Die Partei, nach Lenin und Stalin die Avantgarde der Arbeiterklasse, hatte die Bodenhaftung verloren und sich über die Klasse erhoben.
Die westlichen Geheimdienste nutzten diese Schwäche und wiegelten das Volk auf. Dabei muss noch gesagt werden, dass die SED an einem Geburtsfehler litt: Es gab in ihr, bis in die höchsten Funktionen, Antikommunisten aus der SPD. Ich meine nicht Otto Grotewohl, der war ein aufrechter Mann. Aber z.B. der Justizminister der DDR, Max Fechner. Der half den „Helden“ des 17. Juni in die Freiheit und in den Westen.
Ich fasse zusammen: Es ist mir zu einfach zu sagen; dass der 17. Juni 1953 das Werk von Agenten gewesen sei. Sicher, die waren auch am Werk, aber ihre Wühlarbeit wäre ins Leere gegangen, wenn nicht die Fehler der Partei hier mit geholfen hätten.
Allerdings muss man auch sehen, dass im Westen Deutschlands die Grundstoffindustrien waren. Stahl für den Maschinenbau wurde in der DDR kaum hergestellt, Kohle gab es auch nur im Zwickauer Revier und die dortigen Lagerstätten waren kleiner wie die an der Ruhr oder Saar. Die DDR war gezwungen viele Rohstoffe einzuführen und viele davon gab es nur in der BRD gegen Devisen.
Und noch etwas: Der Westen unterstützte die Umtriebe um der 17. Juni nach Kräften. Man wollte der Vormarsch des Sozialismus stören. Dazu gehörte auch, dass man mach Kräften die wirtschaftliche Entwicklung behinderte und die sozialistischen Länder in ein Wettrüsten zwang, das sie hinderte, die dringend benötigten Mittel zur Steigerung des Lebensstandards zu schaffen, Störungen der Volkswirtschaft gingen einher mit militärischer Bedrohung.
Die Führungen der sozialistischen Länder – mal abgesehen von Albanien – gimgem dem Imperialisten auf den Leim. Chruschtschow profitierte vom Ansehen seines Vorgängers Stalin, setzte aber dessen konsequente Politik nicht fort. Das Ergebnis waren die Putschversuche in der DDR. Polen und Ungarn.
G.A.
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