Montag, 25. Juli 2016

Gewaltsame Antwort auf Lehrerproteste im mexikanischen Chiapas

22.07.2016

 

Paramilitärische Truppe und Polizei attackieren Protestcamp streikender Lehrer in San Cristóbal. Zivilgesellschaft reagiert entschlossen auf die Räumung
San Cristóbal de las Casas, Chiapas. Die friedliche Straßenblockade und das Protestcamp auf der Autobahn San Cristobal – Tuxtla durch die Lehrergewerkschaft CNTE und Teile der Zivilgesellschaft ist in den Mittagsstunden des 20. Juli gewaltsam geräumt worden. Die Attacke wurde laut Berichten des Menschenrechtszentrums Fray Bartolomé de las Casas von einer Gruppe maskierter und bewaffneter Zivilisten in Koordination mit Landes- und bundesstaatlichen Polizeieinheiten durchgeführt.
Die Aggressoren, die unter anderem Schusswaffen einsetzten, verletzten mehrere Personen und zerstörten das Protestcamp. Ein Lehrer befindet sich mit einer Schussverletzung im Krankenhaus, eine Journalistin wurde während der Dokumentation der Vorfälle bedroht und geschlagen. Zudem wurde das naheliegende Krankenhaus der Kulturen von dem Tränengaseinsatz während der Räumung betroffen.
Die chiapanekische Regierung erklärte, Polizeieinheiten zur Straßenblockade geschickt zu haben um mögliche Auseinandersetzen zwischen Bewohnern des Landkreises San Juan Chamula und der CNTE zu verhindern. Der Bürgermeister von San Cristobal, Marco Antonio Cancino González, wies jegliche Verantwortung für die Räumung zurück. Augenzeugen und die Lehrergewerkschaft widerlegen diese Aussagen und sprechen von einer koordinierten Aktion zwischen staatlichen Sicherheitskräften und einer dem Bürgermeister nahestehenden Schlägertruppe. Auf Fotos und Videos [3] ist zu sehen, wie die gewalttätigen Personen in Zivil gemeinsam mit Polizeieinheiten in das Protestcamp eindringen und beginnen, dieses zu zerstören.
Als Reaktion auf die Räumung besetzten Lehrer und solidarische Personen das Camp wenige Stunden nach der Attacke erneut. Während die CNTE und soziale Organisationen eine Demonstration vom Zentrum zum Protestcamp durchführten, zerstörte eine unbekannte Personengruppe im Stadtzentrum das Rathaus und verschiedene Geschäfte. Mehrere Stunden danach und mit dem Einbruch der Dunkelheit umstellten Polizeieinheiten das Rathaus und den zentralen Platz der Stadt.
Die Straßenblockade und das Camp am Rande von San Cristobal wurden am 27. Juni von Mitgliedern der Lehrergewerkschaft CNTE im Zuge der landesweiten Proteste gegen die Bildungsreform errichtet. Dem Protest schlossen sich Studenten, Eltern und soziale Organisationen an. Einen Tag vor der Räumung fanden im Vorfeld des Festivals CompArte kulturelle Aktivitäten im Protestcamp statt.
Die Gewerkschaft fordert bereits seit dem Jahr 2013 einen "Runden Tisch" mit Regierungsvertretern, um die Bildungsreform zu diskutieren. Sie kritisiert, dass die Reform die Privatisierung des Bildungssystems vorantreibt und sich damit die Arbeitsbedingungen des Lehrpersonals verschlechtern. Seit Mai dieses Jahres verstärkte die CNTE ihre Proteste, unter anderem mit einem Protestcamp in Mexiko-Stadt und Straßenblockaden im ganzen Land. Ihre Aktionen finden zunehmend Unterstützung in der Bevölkerung.
Am 19. Juni eskalierte der Konflikt, als die Polizei versuchte, eine Straßensperre in Nochixtlán im Bundesstaat Oaxaca zu räumen. Mindestens zehn Menschen starben durch Schussverletzungen, 60 wurden verletzt.
Zugleich finden immer wieder Gespräche zwischen Gewerkschafts- und Regierungsvertretern statt. Eine Lösung des Konfliks ist jedoch nicht in Sicht. Die Regierung verlangt [4] eine grundsätzliche Akzeptanz der Bildungsreform. Die CNTE fordert die Rücknahme und eine landesweite Debatte über die Bildung, an der sich Eltern, Lehrkräfte, Akademiker, Schüler, Pädagogen und Intellektuelle beteiligen.
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