DFG-VK:
Neues Bundeswehr-Weißbuch: Kriegerische Zukunft
Neues Bundeswehr-Weißbuch: Kriegerische Zukunft
Weltweite
Militärinterventionen, mehr Waffenexporte und Einsätze im
Innern: Die „Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte
KriegsdienstgegnerInnen“ (DFG-VK) warnt vor einer zunehmenden
Militarisierung deutscher Politik. Konsequenzen aus der
gescheiterten Anti-Terror-Militärpolitik würden nicht gezogen,
zivile Konfliktlösungsansätze stattdessen vollkommen
vergessen.
„Das neue Strategiepapier des
Verteidigungsministeriums zementiert eine gewalttätige und
gleichzeitig erfolglose Politik“, kommentiert Ralf
Buchterkirchen, Bundesprecher der DFG-VK das gerade
veröffentlichte „Weißbuch 2016 – Zur Sicherheitspolitik und zur
Zukunft der Bundeswehr“. Das vom Verteidigungsministerium
erstellte neue Papier gibt die langfristige Strategie deutscher
Sicherheitspolitik vor: „Man sollte eher von ‚Unsicherheit‘
sprechen“, so Buchterkirchen. Seine Organisation hat das Papier
analysiert und sieben heikle Punkte herausgearbeitet:
1. „Deutschlands sicherheitspolitischer
Horizont ist global.
Dieser umfasst ausdrücklich auch den Cyber-, Informations- und
Weltraum.“ (S. 56). Die
Bundeswehr soll weltweit eingesetzt werden, nicht einmal ein
UN-Mandat soll in sogenannten Ad-hoc-Koalitionen nötig sein.
Zudem soll der Bundessicherheitsrat
als ein Gremium zur Vorbereitung neuer Kriegseinsätze als intransparente und
unkontrollierte Institution aufgewertet werden.
2. „Russland
[stellt] die europäische Friedensordnung offen in Frage […],
wendet sich von einer engen Partnerschaft mit dem Westen ab und
betont strategische Rivalität. […] Dies erfordert Antworten […]
von EU und NATO als Ganzes“ (S. 31). Neben Terrorismus wird mit
Russland ein altes
Feindbild des Kalten Krieges wiederbelebt. Damit wird die
Aufrüstung zur Landes- und Bündnisverteidigung gerechtfertigt,
sowie das diffuses Bedrohungsszenario eines „hybriden Krieges“
aufgebaut, welches eine Aufrüstung in allen Bereichen
rechtfertigen soll, vor an den Ostgrenzen der NATO und im
Cyberraum. Die nukleare Teilhabe der Bundeswehr wird bekräftigt.
3. Der Export von Waffen soll
weiter ausgebaut und durch die Bundesregierung noch aktiver
gefördert werden. Zusätzlich kommt dem Export von militärischer
Ausbildung und Ausstattung („Ertüchtigungsansatz“
S. 52) eine zentrale Bedeutung für künftige Kriegseinsätze zu,
bei der vor allem in Krisenstaaten massenhaft Militär ausgehoben
wird.
4. Die Bundeswehr ist unattraktiv wie nie,
was mit erheblichen Nachwuchsproblemen einhergeht. Hier will die
Bundeswehr ihr Auftreten
an Schulen und mit Abenteuer- und Action-Veranstaltungen für
Jugendliche weiter ausbauen: Die Bundeswehr möchte sich
einen „atmenden
Personalkörper […] ohne starre Obergrenzen“ (S. 120)
geben. Für fehlende Ressourcen, insbesondere im IT-bereich
sollen Reservist_innen über eine aktive Reservistenarbeit
geworben werden. Eine klare Ansage, die Rekrutierungsbemühungen
der Bundeswehr zu intensivieren und mit Rechentricks sich den
Dienst an der Waffe attraktiv zu lügen.
5. Eine umfassende Innere Militarisierung
wurde beschlossen, welches den verstärkten Einsatz der
Bundeswehr im Rahmen des sogenannten Heimatschutzes vorsieht.
Hierbei muss von der stillen
Vorbereitung von Strukturen und Logistik für den Einsatz im
Inneren gesprochen werden. Neben der zivil-militärischen
Zusammenarbeit auf allen Ebenen wird der abstrakte Begriff der
„Resilienz“ zentral eingeführt. Er bedeutet
„Widerstandsfähigkeit“ und beschreibt abstrakt eine potenzielle
Einbindung des Militärs in zahlreiche Bereiche des öffentlichen
zivilen Lebens, etwa durch Internetüberwachung oder dem Schutz
kritischer Infrastruktur.
6. Das alles soll viel Geld kosten und
bei der Bundeswehr soll – nicht wie in allen anderen Bereichen
der öffentlichen Daseinsvorsorge – gespart werden. Während
Schulen am Sanierungsstau leiden, die Mittel für die
Entwicklungszusammenarbeit seit Jahren nicht die international
vereinbarten 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens erreichen
und der Mindestlohn nur um 0,34 Euro pro Stunde ab 2017 steigen
soll. In diesem Jahr wird der Verteidigungshaushalt an die 40 Milliarden Euro
Grenze kratzen, 2020 wird er sie deutlich überschritten haben.
Damit hat sich der Etat seit dem Jahr 2000 fast verdoppelt!
Geld, was an anderer Stelle fehlt und bei der Bundeswehr sinnlos
und unnötig verschwendet wird.
7. Die Militarisierung der
Europäischen Union soll massiv vorangetrieben werden,
insbesondere im Bereich der zivil-militärischen Zusammenarbeit
und der Rüstung wird eine stärkere Nutzung der eigentlich
zivilen EU-Strukturen angestrebt. Verbunden mit einer Stärkung
der NATO-Strukturen und –aufgaben soll die EU den „europäischen
Pfeiler in der NATO“ (S.73) stärken.
„Zusammenfassend zeigt das neue
Strategiepapier der Bundeswehr vor allem, dass die regierenden
Politiker und Militärs nichts aus den bisherigen Interventionen
gelernt haben“, fasst Buchterkirchen die Kritik zusammen.
Konsequenzen aus dem gescheiterten Militäreinsatz in Afghanistan
zieht das Papier nicht: „Scheinbar gibt es bei den
Militär-Befürwortern keine Aufarbeitung ihrer Strategie der
letzten fünfzehn Jahre“, bedauert der DFG-VK-Bundessprecher. Der
„Krieg gegen den Terror“ und seine Folgeeinsätze hätten
lediglich die Gefahr von Anschlägen steigen lassen, so der
Friedensaktivist/die Friedensaktivistin. Die DFG-VK fordert ein
grundlegendes Umdenken in Fragen der Sicherheitspolitik: Das
Militär dürfe nicht mehr im Mittelpunkt stehen, zivile
Alternativen müssten in Sicherheitsfragen Vorrang haben, heißt
es von der Organisation zum Bundeswehr-Weißbuch.
* * *
AGDF:
„Veraltete Diagnose und Rezepte“
„Veraltete Diagnose und Rezepte“
AGDF kritisiert neues Weißbuch
der Bundesregierung zur Sicherheits- und
Verteidigungspolitik
Aus Sicht der evangelischen Aktionsgemeinschaft Dienst
für den Frieden (AGDF) ist der inhaltliche Ansatz des neuen
„Weißbuchs zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der
Bundeswehr“ überholt. „Die Erfahrungen zeigen, dass es
illusorisch ist, mehr Sicherheit durch Aufrüstung und
Militärinterinventionen erreichen zu wollen. Bereits die
Analyse der Bundesregierung greift zu kurz: Als Bedrohungen
werden ganz unterschiedliche Phänomene wie Terror,
Cyberangriffe, hybride Kriegsführung, fragile Staaten,
Aufrüstung, ‚die Bedrohung des freien Welthandels´, Klima
oder Migration aufgezählt. Ursachen für eine Unsicherheit
seien neue Techniken, Globalisierung und Digitalisierung als
Treiber eines gewaltigen Umbruchs“, kritisiert Jan
Gildemeister (Bonn). Völlig ausgeklammert würden hingegen im
Weißbuch die weltweite wirtschaftliche und soziale
Ungerechtigkeit, die Konflikte befeuere und Menschen in die
Migration treibe, der immense Ressourcenverbrauch der
Industrie- und Schwellenländer, der den Klimawandel
beschleunige, was ebenfalls Fluchtbewegungen verursache, der
wachsende Waffenhandel auch in Krisenregionen, von dem
deutsche Rüstungskonzerne profitieren würden, und die
Gefahr, die von Atomwaffen und deren Modernisierung ausgehe,
meint der AGDF-Geschäftsführer.
Zwar werde im Weißbuch auch die Notwendigkeit ziviler
Maßnahmen genannt, aber letztlich gehe es um mehr Soldaten
und mehr Geld für eine Aufrüstung der Bundeswehr, betont der
evangelische Friedensverband. Dabei werde aber ausgeblendet,
dass militärische Interventionen in den letzten Jahrzehnten
nie zur Lösung von Konflikten beigetragen, sondern letztlich
zu noch größerem Leid geführt hätten. Gildemeister: „Sie
tragen nicht zu mehr Sicherheit in Deutschland bei, sondern
befördern vielmehr den islamischen Terror.“
Erforderlich ist nach Auffassung der AGDF vielmehr,
dass Deutschland einen entschiedenen Beitrag dazu leiste,
die weltweite Ungerechtigkeit abzubauen, den Klimawandel zu
verlangsamen und Instrumente der Krisenprävention und der
zivilen Konfliktbearbeitung auszubauen. So werde mittel- und
langfristig der Nährboden für Flucht und Terror entzogen,
könnten fragile Staaten an Stabilität gewinnen.
„Terroristische Verbrechen müssen mit polizeilichen und
juristischen Mitteln bekämpft werden. Eine Politik der
gemeinsamen Sicherheit ist nicht nur gegenüber Russland das
Mittel der Wahl, dazu gehören auch einseitige Schritte, um
Abrüstungsprozesse in Gang zu setzen. Zugleich muss die
Bundesregierung auf eine aktive Friedenspolitik der EU, eine
Stärkung der OSZE und des Europarates sowie der zivilen
Aktivitäten der UN drängen - anstatt die NATO-Bündnispolitik
hoch zu halten“, macht Jan Gildemeister nachdrücklich
deutlich.
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Gesendet von: Arbeitsgemeinschaft Frieden Trier
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