Freitag, 15. Juli 2016

[AGF-Info] Stellungnahmen zum neuen Weißbuch der Bundeswehr

DFG-VK:
Neues Bundeswehr-Weißbuch: Kriegerische Zukunft
Weltweite Militärinterventionen, mehr Waffenexporte und Einsätze im Innern: Die „Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen“ (DFG-VK) warnt vor einer zunehmenden Militarisierung deutscher Politik. Konsequenzen aus der gescheiterten Anti-Terror-Militärpolitik würden nicht gezogen, zivile Konfliktlösungsansätze stattdessen vollkommen vergessen.
„Das neue Strategiepapier des Verteidigungsministeriums zementiert eine gewalttätige und gleichzeitig erfolglose Politik“, kommentiert Ralf Buchterkirchen, Bundesprecher der DFG-VK das gerade veröffentlichte „Weißbuch 2016 – Zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr“. Das vom Verteidigungsministerium erstellte neue Papier gibt die langfristige Strategie deutscher Sicherheitspolitik vor: „Man sollte eher von ‚Unsicherheit‘ sprechen“, so Buchterkirchen. Seine Organisation hat das Papier analysiert und sieben heikle Punkte herausgearbeitet:
1.       „Deutschlands sicherheitspolitischer Horizont ist global. Dieser umfasst ausdrücklich auch den Cyber-, Informations- und Weltraum.“ (S. 56). Die Bundeswehr soll weltweit eingesetzt werden, nicht einmal ein UN-Mandat soll in sogenannten Ad-hoc-Koalitionen nötig sein. Zudem soll der Bundessicherheitsrat als ein Gremium zur Vorbereitung neuer Kriegseinsätze als intransparente und unkontrollierte Institution aufgewertet werden.
2.       Russland [stellt] die europäische Friedensordnung offen in Frage […], wendet sich von einer engen Partnerschaft mit dem Westen ab und betont strategische Rivalität. […] Dies erfordert Antworten […] von EU und NATO als Ganzes“ (S. 31). Neben Terrorismus wird mit Russland ein altes Feindbild des Kalten Krieges wiederbelebt. Damit wird die Aufrüstung zur Landes- und Bündnisverteidigung gerechtfertigt, sowie das diffuses Bedrohungsszenario eines „hybriden Krieges“ aufgebaut, welches eine Aufrüstung in allen Bereichen rechtfertigen soll, vor an den Ostgrenzen der NATO und im Cyberraum. Die nukleare Teilhabe der Bundeswehr wird bekräftigt.
3.       Der Export von Waffen soll weiter ausgebaut und durch die Bundesregierung noch aktiver gefördert werden. Zusätzlich kommt dem Export von militärischer Ausbildung und Ausstattung („Ertüchtigungsansatz“ S. 52) eine zentrale Bedeutung für künftige Kriegseinsätze zu, bei der vor allem in Krisenstaaten massenhaft Militär ausgehoben wird.
4.       Die Bundeswehr ist unattraktiv wie nie, was mit erheblichen Nachwuchsproblemen einhergeht. Hier will die Bundeswehr ihr Auftreten an Schulen und mit Abenteuer- und Action-Veranstaltungen für Jugendliche weiter ausbauen: Die Bundeswehr möchte sich einen „atmenden Personalkörper […] ohne starre Obergrenzen“ (S. 120) geben. Für fehlende Ressourcen, insbesondere im IT-bereich sollen Reservist_innen über eine aktive Reservistenarbeit geworben werden. Eine klare Ansage, die Rekrutierungsbemühungen der Bundeswehr zu intensivieren und mit Rechentricks sich den Dienst an der Waffe attraktiv zu lügen.
5.       Eine umfassende Innere Militarisierung wurde beschlossen, welches den verstärkten Einsatz der Bundeswehr im Rahmen des sogenannten Heimatschutzes vorsieht. Hierbei muss von der stillen Vorbereitung von Strukturen und Logistik für den Einsatz im Inneren gesprochen werden. Neben der zivil-militärischen Zusammenarbeit auf allen Ebenen wird der abstrakte Begriff der „Resilienz“ zentral eingeführt. Er bedeutet „Widerstandsfähigkeit“ und beschreibt abstrakt eine potenzielle Einbindung des Militärs in zahlreiche Bereiche des öffentlichen zivilen Lebens, etwa durch Internetüberwachung oder dem Schutz kritischer Infrastruktur.
6.       Das alles soll viel Geld kosten und bei der Bundeswehr soll – nicht wie in allen anderen Bereichen der öffentlichen Daseinsvorsorge – gespart werden. Während Schulen am Sanierungsstau leiden, die Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit seit Jahren nicht die international vereinbarten 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens erreichen und der Mindestlohn nur um 0,34 Euro pro Stunde ab 2017 steigen soll. In diesem Jahr wird der Verteidigungshaushalt an die 40 Milliarden Euro Grenze kratzen, 2020 wird er sie deutlich überschritten haben. Damit hat sich der Etat seit dem Jahr 2000 fast verdoppelt! Geld, was an anderer Stelle fehlt und bei der Bundeswehr sinnlos und unnötig verschwendet wird.
7.       Die Militarisierung der Europäischen Union soll massiv vorangetrieben werden, insbesondere im Bereich der zivil-militärischen Zusammenarbeit und der Rüstung wird eine stärkere Nutzung der eigentlich zivilen EU-Strukturen angestrebt. Verbunden mit einer Stärkung der NATO-Strukturen und –aufgaben soll die EU den „europäischen Pfeiler in der NATO“ (S.73) stärken.
„Zusammenfassend zeigt das neue Strategiepapier der Bundeswehr vor allem, dass die regierenden Politiker und Militärs nichts aus den bisherigen Interventionen gelernt haben“, fasst Buchterkirchen die Kritik zusammen. Konsequenzen aus dem gescheiterten Militäreinsatz in Afghanistan zieht das Papier nicht: „Scheinbar gibt es bei den Militär-Befürwortern keine Aufarbeitung ihrer Strategie der letzten fünfzehn Jahre“, bedauert der DFG-VK-Bundessprecher. Der „Krieg gegen den Terror“ und seine Folgeeinsätze hätten lediglich die Gefahr von Anschlägen steigen lassen, so der Friedensaktivist/die Friedensaktivistin. Die DFG-VK fordert ein grundlegendes Umdenken in Fragen der Sicherheitspolitik: Das Militär dürfe nicht mehr im Mittelpunkt stehen, zivile Alternativen müssten in Sicherheitsfragen Vorrang haben, heißt es von der Organisation zum Bundeswehr-Weißbuch.
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AGDF: 
„Veraltete Diagnose und Rezepte“
 
AGDF kritisiert neues Weißbuch der Bundesregierung zur Sicherheits- und Verteidigungspolitik

Aus Sicht der evangelischen Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden (AGDF) ist der inhaltliche Ansatz des neuen „Weißbuchs zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr“ überholt. „Die Erfahrungen zeigen, dass es illusorisch ist, mehr Sicherheit durch Aufrüstung und Militärinterinventionen erreichen zu wollen. Bereits die Analyse der Bundesregierung greift zu kurz: Als Bedrohungen werden ganz unterschiedliche Phänomene wie Terror, Cyberangriffe, hybride Kriegsführung, fragile Staaten, Aufrüstung, ‚die Bedrohung des freien Welthandels´, Klima oder Migration aufgezählt. Ursachen für eine Unsicherheit seien neue Techniken, Globalisierung und Digitalisierung als Treiber eines gewaltigen Umbruchs“, kritisiert Jan Gildemeister (Bonn). Völlig ausgeklammert würden hingegen im Weißbuch die weltweite wirtschaftliche und soziale Ungerechtigkeit, die Konflikte befeuere und Menschen in die Migration treibe, der immense Ressourcenverbrauch der Industrie- und Schwellenländer, der den Klimawandel beschleunige, was ebenfalls Fluchtbewegungen verursache, der wachsende Waffenhandel auch in Krisenregionen, von dem deutsche Rüstungskonzerne profitieren würden, und die Gefahr, die von Atomwaffen und deren Modernisierung ausgehe, meint der AGDF-Geschäftsführer.

Zwar werde im Weißbuch auch die Notwendigkeit ziviler Maßnahmen genannt, aber letztlich gehe es um mehr Soldaten und mehr Geld für eine Aufrüstung der Bundeswehr, betont der evangelische Friedensverband. Dabei werde aber ausgeblendet, dass militärische Interventionen in den letzten Jahrzehnten nie zur Lösung von Konflikten beigetragen, sondern letztlich zu noch größerem Leid geführt hätten. Gildemeister: „Sie tragen nicht zu mehr Sicherheit in Deutschland bei, sondern befördern vielmehr den islamischen Terror.“

Erforderlich ist nach Auffassung der AGDF vielmehr, dass Deutschland einen entschiedenen Beitrag dazu leiste, die weltweite Ungerechtigkeit abzubauen, den Klimawandel zu verlangsamen und Instrumente der Krisenprävention und der zivilen Konfliktbearbeitung auszubauen. So werde mittel- und langfristig der Nährboden für Flucht und Terror entzogen, könnten fragile Staaten an Stabilität gewinnen. „Terroristische Verbrechen müssen mit polizeilichen und juristischen Mitteln bekämpft werden. Eine Politik der gemeinsamen Sicherheit ist nicht nur gegenüber Russland das Mittel der Wahl, dazu gehören auch einseitige Schritte, um Abrüstungsprozesse in Gang zu setzen. Zugleich muss die Bundesregierung auf eine aktive Friedenspolitik der EU, eine Stärkung der OSZE und des Europarates sowie der zivilen Aktivitäten der UN drängen - anstatt die NATO-Bündnispolitik hoch zu halten“, macht Jan Gildemeister nachdrücklich deutlich.

 
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Gesendet von: Arbeitsgemeinschaft Frieden Trier

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