Freitag, 15. Juli 2016

Kommunisten in den Volksrepubliken des Donbass

Die frühere Parteiführung ging nicht einfach so, sondern „privatisierte“ außerdem alles Parteieigentum, einschließlich der Verwaltungstechnik, der Fahrzeuge und Gebäude, ganz zu schweigen von den Parteigeldern.

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Von Georgi Stepanowitsch, Historiker

Aus dem Russischen von lieselottemayer

Selbst zwei Jahre nach der Gründung der DVR ist es äußerst schwierig, sich ein objektives Bild über die KP vor Ort zu machen, wenn man die Informationen den Massenmedien entnimmt. Tatsächlich wurde auch Monate nach Republikgründung nichts über die Aktivität der Kommunisten im politischen Bereich berichtet. Die Gründe dafür werden weiter unten genannt.
Zur Ehre der Kommunisten der Donezker Region der Ukraine ist unbedingt zu beachten, daß sie alle diese Jahre der „Unabhängigkeit“, das heißt mehr als zwei Jahrzehnte, gemeinsam mit Parteimitgliedern anderer Regionen des Südosten der Ukraine die Vorhut der ukrainischen Werktätigen bildeten, als politische Opposition, die gegen das oligarchische Regime kämpfte, welches der Entwicklung des Nationalismus grünes Licht gab. Vom Anwachsen der Popularität der KP der Ukraine zeugt der faktische Sieg des Vorsitzenden der KPU Pjotr Simonenko bei den Präsidentenwahlen des Jahres 1999. Doch ungeachtet seines Wahlsieges in 17 ukrainischen Regionen, besonders im Südosten des Landes, haben die Bürokraten des Kutschma-Regimes die Wahlergebnisse plump gefälscht, was die Grundlage für die anschließende Verarmung und Zerstörung des Landes bildete.
In anderthalb Jahrzehnten erstarkte der Nationalismus in der Ukraine durch die Unterstützung der amerikanischen Gönner so sehr, daß er durch einen Staatsstreich an die Macht kommen konnte. Doch da leistete der Südosten Widerstand. Wir werden an dieser Stelle nicht daran erinnern, wie die Krim nach Rußland heimkehrte und wie der Donbass sich erhob. Sprechen wir lieber von der Rolle der Kommunisten bei den nachfolgenden Ereignissen.
Die Unentschlossenheit der KP-Führung im Donbass
Zu Beginn des Jahres 2014 erhoben sich nicht nur die Kommunisten, sondern die Mehrheit der Einwohner des Donbass zum Schutze ihrer Rechte. Natürlich befanden sich die Kommunisten traditionsgemäß in den ersten Reihen der Aufständischen gegen die „braune Pest“. Doch ihre Führer in den regionalen Parteiapparaten lösten durch ihren Widerstand gegen und ihrer Sabotage von entschlossenen Handlungen der Demonstranten Empörung bei den Genossen an der Basis aus. Tatsächlich wehten über den Demonstranten neben einer Fülle russischer Trikoloren nur sehr wenige rote Fahnen und es gab fast gar kein Propagandamaterial von Seiten des Regionalkomitees der KPU. Deshalb konnte der einfache Mensch auf der Straße, betäubt von den turbulenten Ereignissen, schwer eine Übersicht gewinnen und sich entscheiden.
Feigheit und Verrat der Revisionisten
Gerade die Feigheit und sogar die Sabotage der regionalen Parteifunktionäre legten die Grundlage dafür, daß das ZK der KPU den ersten Sekretär des Donezker Bezirksorganisation der KPU N. Krawtschenko und den zweiten Sekretär W. Bidjowka aus der Partei ausschlossen und sie ihrer Funktion enthoben. Beide trauerten nicht sehr über die Verluste und beeilten sich, ihren Eintritt in die gesellschaftliche Bewegung „Union linker Kräfte“ zu erklären. Dabei rechneten sie damit, daß aufgrund des Fehlens von Parteipresse die einfachen Kommunisten den lügenhaften Beteuerungen der „Linken“ glauben würden, daß die KP im Donbass nicht mehr existiere und diese einfachen Kommunisten wohl oder übel in die berüchtigte „Union linker Kräfte“ eintreten werden. Teilweise ist genau dies auch geschehen. Nach der Flucht N. Krawtschenkos in die Ukraine wurde die „Union linker Kräfte“ im Donbass von W. Bidjowka geleitet.
Die Kommunisten im Kampf gegen den Faschismus
Aber zurück zu den Kommunisten. Es versteht sich, daß nach der Gründung der DVR und der LVR die KPU als ukrainische politische Kraft das Recht verlor, in diesen Territorien tätig zu werden. Doch dank der rechtzeitigen Maßnahmen der Donezker Kommunisten übernahmen den Staffelstab der Partei sofort Menschen, die auf den Barrikaden die neue Republik verteidigt hatten. Schließlich wurde die Kommunistische Partei der Donezker Volksrepublik von Boris Litwinow geführt. Er war es, der im Frühjahr 2014 die Unabhängigkeitserklärung der DVR ausarbeitete, der danach die Arbeit zur Durchführung des bedeutenden Referendums am 11. Mai leitete und der (ab dem 22. Juli 2014) der zweite Vorsitzende des Obersten Sowjets der DVR in der Geschichte der Republik wurde. Der zweite Sekretär des ZK der KP der DVR Anatoli Chmelewoi war bis zum Krieg im Donbass der erste Sekretär des Stadtkomitees der KPU in Slawjansk, während der Zeit der Verteidigung der der Stadt kämpfte er gemeinsam mit seinen Genossen auf den Barrikaden und an den Straßensperren unter den roten Fahnen der Partei.
Die Kommunistische Partei wurde zugelassen
Wenn wir auf die Schaffung der Kommunistischen Partei der DVR blicken, stellen wir fest, daß kurz nach der Gründung der DVR ihr Parlament die Tätigkeit aller politischen Parteien als volksfeindlich verbot, mit Ausnahme der Kommunistischen Partei. Schon am 13. Oktober 2015, am Vorabend der Wahlen, wurde die Partei de jure als politische Kraft von der Zentralen Wahlkommission der Republik registriert. (vorausblickend können wir sagen, daß die KP der DVR angesichts der gemeinsamen politischen Ziele als Ganzes in die gesellschaftliche Bewegung „Donezkaja Respublika“ eintrat und über deren Quote 3 Abgeordnetenmandate im Volkssowjet der DVR erhielt).
Diebstahl und „Privatisierung“ von Parteigeldern
Die Schaffung der Partei der Kommunisten ging mit großen Schwierigkeiten vonstatten. Die frühere Parteiführung ging nicht einfach so, sondern „privatisierte“ außerdem alles Parteieigentum, einschließlich der Verwaltungstechnik, der Fahrzeuge und Gebäude, ganz zu schweigen von den Parteigeldern. Beispielsweise eignete sich der ehemalige erste Sekretär des Kuibischew-Stadtbezirkskomitees der KPU Wiktor Lasajew die Parteikasse der Organisation und jetzt befindet er sich in der „Union linker Kräfte“.
Ehemalige Bürokraten drängten sich zur Macht
Ausgeblutet durch den Verrat der oben genannten Parteifunktionäre, aber auch dadurch, daß viele junge Kommunisten in die Volksmiliz gingen, konnte die junge Partei nur mit Mühe ihre Reihen auffüllen. Wenn man die Geschichte betrachtet, dann blühten immer nach Revolutionen in den neuen Korridoren der Macht zuerst Sabotage und Opposition der ehemaligen Funktionsträger. So auch hier.. Es ist kein Geheimnis, daß die „Regionalen“ unter Führung von W. Janukowitsch die Ukraine den Nationalisten überließen. Und nun, nachdem sie sich von dem Schrecken der ukrainischen Radikalen erholt haben, begannen sich diese ehemaligen Bürokraten, auf wichtige administrative Posten in der jungen Republik zu setzen. Gleichzeitig behielten sie jedoch ihre antisowjetische und antikommunistische Einstellung, was die Bedingungen für die Tätigkeit der Kommunisten in der DVR nicht verbesserte. Aus den Regierungskabinetten tröpfelten Anweisungen an die Untergebenen, Maßnahmen zum totalen Verschweigen der Tätigkeit der Kommunisten und ihrer Sympathisanten zu treffen. Zum ersten Mal wurde versucht, den Kommunisten das Niederlegen von Blumen am Lenindenkmal am 22. April 2016 zu verbieten.
Pseudolinke Kräfte verstärkten ihren Einfluß
Auf den regionalen Veranstaltungen, die dem Tag des Sieges gewidmet waren, wurde allen Leitern der Regionalverwaltungen vorgeschrieben, daß sie einen passenden Vorwand finden sollten, um die Vertreter der KP während der Blumenniederlegung nicht an das Mikrofon zu lassen. Die Veteranen des Großen Vaterländischen Krieges wunderten sich: Warum wird den Nachfahren jener Kommunisten, von denen jeder zweite auf dem Schlachfeld geblieben ist, das Rederecht verweigert? Aber der schon oben genannte W. Lasarjew von der „Union linker Kräfte“ erhielt die Möglichkeit zu reden.
Entzug der Mandate der kommunistischen Abgeordneten
Übrigens, noch etwas zur „Union linker Kräfte“. Deren Führer W. Bidjowka, der auch der stellvertretende Vorsitzende der Revisionskommission der gesellschaftlichen Organisation „Donezkaja Respublika“ ist, organisierten umgehend eine Prüfung der Tätigkeit der Kommunistischen Partei der DVR und tat dies wie die Jesuiten: die Aufforderung, Rechenschaft abzulegen, wurde am 4. Mai an das ZK der KP der DVR abgeschickt, aber der ausführliche Bericht sollte schon am nächsten Tag, dem 5. Mai vorgelegt werden. Und obwohl alle im ZK sich bemühten, das zu schaffen, waren die Prüfer unzufrieden, wie es ihnen vorgeschrieben worden war. Und schon am 6. Mai auf dem Vormittagsplenum des Volkssowjets der DVR erklärte nach der Behandlung der anstehenden Tagesordnungspunkte der Parlamentssprecher D. Puschilin eine 10-minütige Pause, während der den Abgeordneten nahegelegt wurde, für den Ausschluß der beiden kommunistischen Abgeordneten B. Litwinow und N. Ragosin (der dritte kommunistische Abgeordnete war bei den Kämpfen um Debalzewo gefallen) aus dem Parlament zu stimmen. Die Begründung war „der Verlust des Vertrauens“. Was auch schnell erledigt war. Natürlich war der Entzug der Mandate der Partei ein schmerzhafter Schlag für alle Kommunisten der Republik.
Rote Fahnen werden verboten
Doch der Höhepunkt im „Theater des Absurden“ stellten die Ereignisse am 11. Mai dar, dem Tag der Republik. Die Kommunisten waren zu recht stolz auf diesen Feiertag, da sie damals alle ohne Ausnahme an der Arbeit der Wahlkommissionen während der Durchführung des Referendums teilgenommen hatten. Aber als sich dann die Marschkolonne der Kommunisten und ihrer Sympathisanten unter den roten Fahnen zur Teilnahme an der Festdemonstration formierte, kam eine Gruppe von Behördenvertretern herbei und forderte, die roten Fahnen zu entfernen, wobei sie sich auf irgendeine „mündliche Anweisung“ beriefen. Trotz des empörten Aufschreis entriss einer von ihnen einer 75jährigen Frau die Fahne und zerbrach den Fahnenstiel über seinem Knie.
Zu Hilfe für die Kommunisten eilten im Zeichen der Solidarität Soldaten, Angehörige der Volksmiliz aus Slawjansk, die zwei Jahre zuvor unter diesen roten Fahnen bei der Verteidigung der Stadt Slawjansk gekämpft hatten. Gemeinsam mit ihnen zog die Kolonne unter den roten Fahnen dennoch an der Tribüne der Regierung vorbei, bejubelt von vielen Bewohnern der Hauptstadt. Doch die Bitterkeit der Kränkung blieb.
Die antikommunistische KPRF unterstützt pseudolinke Kräfte
Die sich verschärfende Situation führte zur Irritation der Vertreter befreundeter kommunistischer und Arbeiterparteien, und natürlich bei den Vertretern der KPRF. Es wurde bekannt, dass eben der W. Bidjowka einen Brief an Gennadi Sjuganow geschrieben hatte, in dem er Gift über die KP der DVR versprühte und versprach, sie „an den Rand des politischen Lebens in der DVR zu drängen“ sowie die „Union linker Kräfte“ als Ersatzpartner anbot. Die Empörung der Kommunisten der KPRF war vorhersehbar.
Das Staatsoberhaupt Sachartschenko „weiß von nichts“?!
Viele Kommunisten stellen die Frage: Weiß das Oberhaupt der Republik A. Sachartschenko über dies alles Bescheid? Und wenn er Kenntnis davon hat, teilt er die Interpretation der antikommunistischen Behördenvertreter, die genau so entweder gezielt oder unwissentlich das Regierungsoberhaupt selbst diskreditieren? Doch die Kommunisten waren historisch gesehen schon immer ein Pfeiler der wirklichen Volksmacht.
Es scheint, daß sich vieles auf dem III. außerordentlichen Parteitag der KP der DVR aufklären wird, der in nächster Zeit in Donezk stattfindet und zu dem Vertreter der Bruderparteien aus dem Ausland eingeladen wurden.
Georgi Stepanowitsch, Historiker
https://alternativepresseschau.wordpress.com/2016/06/26/sonderthema-kommunisten-in-den-volksrepubliken-des-donbass-neuigkeiten-vom-25-06-2016/
(Übersetzung: lieselottemayer )
Anmerkung: Es ist bekannt, daß die sogennannte „Kommunistische Partei der Ukraine“ (KPU) unter Herrn Simonenko, ebenso wie die reaktionäre KPRF in Rußland, eine antikommunistische, pseudolinke Partei war. Nach dem faschistischen Putsch wurden in der Ukraine sämtliche aufrechten Kommunisten, wie z.B. Alexander Bondartschuk[1] und  Anatoli A.Majewski[2] verhaftet und ins Gefängnis geworfen. Sie hatten bis zuletzt öffentlich gegen den Faschismus in der Ukraine gekämpft, während sich Herr Simonenko mit den neuen faschistischen Machthabern zu arrangieren suchte. Mehrfach hat sich die russischen KPRF in die Belange der Kommunistischen Partei des Donbass versucht einzumischen, sendete „Spenden“ und verteilte Ratschläge. In dem vorstehenden Beitrag dieses Historikers gibt es jedoch dazu keine klare Stellungnahme. Im Gegenteil: Die Verwischungen zwischen der pseudolinken „Union linker Kräfte“ und den Kommunisten, die unklaren Äußerungen über die generellen Ziele einer Kommunistischen Partei und vor allem die Machenschaften reaktionärer Bürokraten schaden dem Ansehen der Kommunisten und verhindern eine neue Formierung der Kommunistischen Parteien in den Donbass-Republiken.
Siehe auch:
http://wpered.su/2016/06/24/kompartiya-dnr-slozhnyj-put-borby/http://wpered.su/2016/06/24/kompartiya-dnr-slozhnyj-put-borby/ (russ.)

[1]    Siehe: http://kommunisten-online.de/alexander-bondartschuk-ist-den-heutigen-machthabern-bekannt-durch-seine-grundsatzlichkeit-und-offenheit-mit-der-er-fur-die-menschenrechte-der-arbeiter-eintrat-und-wegen-seiner-aktiven-antifaschistisc/
[2]    Siehe: http://kommunisten-online.de/ukrainische-justiz-ve

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