Syrien-Konferenzen zur Beilegung des Konfliktes gab es während der vergangenen sechseinhalb Kriegsjahre in verschiedenen Zusammensetzungen. An diesem Wochenende erlebt ein weiteres Format seine Uraufführung: Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hat Deutschland, Frankreich und Russland zu einem Vierergipfel nach Istanbul geladen, und Angela Merkel, Emmanuel Macron und Wladimir Putin werden da sein.
Wie unschwer zu erkennen ist, wird dies zwar ein Gipfel von mehr oder weniger stark in den Krieg involvierten beziehungsweise von dessen Folgen betroffenen Staaten sein, nicht jedoch von Vertretern der syrischen Kriegsparteien. Das mag verwundern, hat aber nachvollziehbare Gründe. Sie hängen mit den Genfer Konferenzen der vergangenen Jahre zusammen. Das Genfer Modell, bei dem die syrische Regierung und Abgesandte ihrer militanten Gegnerschaft unter UNO-Moderation miteinander verhandeln sollten, hatte in mehreren Runden keinerlei Nutzen erbracht. Sie krankten daran, dass vor allem die Vertreter der sogenannten Rebellen keinerlei Kompromissbereitschaft zeigten und auf Maximalforderungen beharrten, zum Beispiel dem Rücktritt von Staatspräsident Baschar al-Assad, ehe man überhaupt bereit sei, mit der anderen Seite auch nur zu reden.
UN-Vermittler Staffan de Mistura, ein italienisch-schwedischer Diplomat, hatte das akzeptiert - mit dem ernüchternden Ergebnis, dass zwar eine zeitaufwendige Pendeldiplomatie zwischen den Konferenzzimmern der verfeindeten Parteien stattfand, aber ohne den geringsten Fortschritt in der Sache. Der Hauptgrund dafür war, dass die syrischen Regierungsgegner glaubten, keine Zugeständnisse machen zu müssen und einfach auf Zeit spielen zu können. Darin wurden sie von Schutzmächten von den USA über Westeuropa und die Türkei bis zu den arabischen Monarchien bestärkt.
Das änderte sich mit dem Eintritt Russlands in den Krieg. Damit wurde vor allem eine militärische Wende eingeleitet, die die syrische Armee in die Lage versetzte, die strategische Initiative wiederzugewinnen und ein verlorenes Territorium nach dem anderen zurückzuerobern. Aber auch auf diplomatischem Terrain gibt seitdem Moskau den Takt vor. Russland entschied sich, Wege zur Konfliktlösung ohne die syrischen Kampfparteien zu suchen und war darin, zum Beispiel in den Gesprächen in der kasachischen Hauptstadt Astana, mit Iran und der Türkei, durchaus erfolgreich im Aushandeln von Befriedungsstrategien.
Von echtem Frieden ist das zerstückelte Land zwar noch weit entfernt. Derzeit finden aber kaum Kampfhandlungen statt. Von einem baldigen Sturz Assads können seine Gegner nicht mehr ausgehen, und so dreht sich die jetzt in Istanbul vereinbarte Gesprächsrunde bereits um den Wiederaufbau. Den können weder Assads Verbündete Iran und Russland und schon gar nicht Syrien allein bewerkstelligen. Erdogan ist zwar weiter erbitterter Gegner Assads, möchte aber offenbar über einen Deal mit Russland weiterhin einen Fuß in der Tür nach Syrien behalten und versucht dies nun auch als Mitausrichter dieser Art Geberkonferenz. Der Internationale Währungsfonds geht, was die Wiederaufbaukosten betrifft, von 100 bis 200 Milliarden Dollar aus. UNO-Schätzungen belaufen sich auf 300 Milliarden Dollar, Assad sprach sogar von 400 Milliarden.
Deshalb geht Putins Blick nach Westen und dabei eben besonders nach Berlin und Paris. Deutschland und Frankreich sind im Syrien-Verhandlungsprozess aus dem Geschäft, eine maßgebliche Beteiligung am Wiederaufbau wäre gewiss auch mit der Wiedergewinnung politischen Einflusses verbunden, den beide Staaten traditionell in Syrien hatten, bevor sie sich von Saudi-Arabien und den USA auf die Anti-Assad-Linie festlegen ließen.
Putin rechnet wohl auch noch aus einem anderen Grund mit deutschem Interesse. Ein zügiger Wiederaufbau brächte für Hunderttausende syrische Flüchtlinge, die Rückkehrgedanken hegen, eine realistische Perspektive. Moskau setzt dabei offenbar auf den Pragmatismus Merkels, zumal die Außenministergespräche zwischen Sergej Lawrow und Heiko Maas in dieser Hinsicht wohl nichts gebracht haben. Letzterer besteht weiter auf dem Sturz Assads. Erst kürzlich betonte Maas, Deutschland werde nicht Erfüllungsgehilfe eines Regimes, das seine Legitimität längst verloren habe. Damit befindet er sich etwa auf der Linie von US-Präsident Donald Trump. Dieser erklärte es als »absurd«, Syrien für Assad und seine russischen Verbündeten wiederaufzubauen.
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